Dr. Markus Grabka wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW

"Reform der Rentenversicherung" - Interview mit Markus Grabka

Dr. Markus Grabka hat sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) intensiv mit dem deutschen Renten- und Pensionssystem, der aktuellen Situation der Rentner in Deutschland und dem Thema Altersarmut auseinander gesetzt.  Im Interview mit FreieWelt.net spricht er über Probleme und Perspektiven der Rentenpolitik.

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FreieWelt.net: Was sollten die jetzt  Erwerbstätigen für Ihre Altersvorsorge tun?

Markus Grabka: Privat für das Alter vorsorgen ist unerlässlich.  Eine Möglichkeit ist die Riester-Rente, auch wenn sie nicht in jeder Hinsicht optimal ist.  Es existieren aber noch andere Modelle.  Wer kann, sollte in Immobilien investieren.

FreieWelt.net: Sind nicht gerade Immobilien auch riskant?

Markus Grabka: Auch wenn der Wert von Immobilien schwankt – nutzen können Sie diese in jedem Fall.  Das ist der große Vorteil.  Außerdem besteht die Möglichkeit, eine sogenannte Rückwärtshyptohek aufzunehmen, das heißt Sie beleihen Ihre Immobilie im Alter erneut und erhalten von der Bank für einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren eine monatliche Förderrente.

FreieWelt.net: Vor allem Beamte profitieren laut den Ergebnissen Ihrer aktuellen Studie von den im Laufe Ihres Berufslebens erworbenen Pensionsansprüchen.  Ist denn das steuerfinanzierte Pensionssystem der Beamten langfristig tragfähig?

Markus Grabka: Es ist zumindest diskussionswürdig, denn die Belastungen für die öffentlichen Haushalte werden aufgrund der Pensionsansprüche noch weiter steigen.  Es ist daher zu erwarten, dass die Politik mit Senkungen reagieren wird, was gleichzeitig wieder ein Ansteigen von Altersarmut  bedeuten würde.   Vor allem sollte man sich aber das Verhältnis zwischen Beamtenpensionen und gesetzlicher Rentenversicherung genauer anschauen.

FreieWelt.net: Sollte nicht das System der Finanzierung der Pensionen als solches in Frage gestellt werden?

Markus Grabka: Zumindest sollte bei den betroffenen Berufsgruppen überprüft werden, ob diese wirklich Beamte sein müssen.  Eine komplette Systemrevolution ist nicht sinnvoll.  Viel mehr sollte aber das Augenmerk auf die Vielzahl der ALG II-Empfänger gelegt werden, denen künftig Altersarmut droht.

FreieWelt.net: Welche Konsequenzen sollte die Politik daraus ziehen?

Markus Grabka: Insbesondere eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ist wichtig.  Statt einer Fixierung auf den Beitragssatz sollte wieder das Versorgungsniveau im Vordergrund stehen.  Dabei werden zwar die Beitragssätze steigen, doch diesem Problem kann durch eine Umfinanzierung der versicherungsfremden Leistungen der Rentenversicherung begegnet werden.

FreieWelt.net: Wie groß ist das Problem der Altersarmut in Deutschland und wie ist diese Altersarmut definiert?

Markus Grabka: Noch ist das Problem begrenzt, allerdings ist aufgrund der großen Zahl von Erwerbslosen und duchlöcherten Erwerbsverläufen mit einer deutlichen Verschärfung zu rechnen, vor allem in Ostdeutschland.  Bei der Definition orientieren wir uns am Sozialhilfesatz.

FreieWelt.net: Sie kritisieren in Ihrer Studie auch die Ungleichheit der Vermögensverteilung.  Ist aber eine Gleichverteilung von Vermögen wirklich ein erstrebenswertes Ziel?  Es scheint doch besser, wenn in einer Sozialen Marktwirtschaft Vermögen zwar ungleich verteilt sind, aber niemand im Elend leben muss als wenn in einer anderen Wirtschaftsform alle das Gleiche aber alle zu wenig haben?

Markus Grabka: Es geht nicht um allgemeine Gleichmacherei.  Mit einem bestimmten Ausmaß von Ungleichverteilung sind aber auch negative Effekte verbunden, da gerade Vermögen spezifische Funktionen wie eine Machtfunktion aufweisen.  

FreieWelt.net: Wie viele Jahre geben Sie dem jetzigen Rentensystem noch?

Markus Grabka: Ich gehe davon aus, dass in Ostdeutschland bereits in den nächsten fünf Jahren das Risiko für Altersarmut deutlich steigt. Neben Arbeitslosigkeit wirkt sich auf die weitaus weniger verbreiteten Betriebsrenten und weit unterdurchschnittlichen Geldvermögen aus.  Im Westen wird es etwas länger dauern.

zum DIW

Das Interview führte Fabian Heinzel

(Foto: Markus Grabka)

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Reichsfreiherr Joachim von Pallandt

Im Jahr 1957 gab es eine so genannte Rentenreform. Bei dieser Gelegenheit wurde unser bisher bestehendes Deckungssystem in ein Umlageverfahren umgewandelt. Dabei hat die Regierung unter Adenauer sich das Vermögen der Rentenanstalten widerrechtlich angeeignet und ca. 15,4 Milliarden DM in den Bundeshaushalt eingebracht.
Mit dem Geld wurde die Errichtung der Bundeswehr finanziert. Im Gegenzug versprach die Regierung alle in der Zukunft entstehenden Mindesbeiträge der Rentenversicherung auszugleichen.

Das blieb nur bei dem Versprechen.

Den Eigenschutz gibt es nicht mehr, da das Bundesverfassungsgericht erklärt hat, dass es sich bei den Rentenbeiträgen um öffentliche Mittel handelt, über die die Bundesregierung beliebig verfügen kann.
Seit 1957 haben sich die Ausgaben in Höhe von cirka 630 Milliarden Euro angesammelt, die man aus der Rentenkasse entnommen hat.
Dass die Bundesregierung im Jahr ca. 80 Milliarden Euro einbezahlen muss, stimmt nicht ganz. Denn im gleichen Zeitraum zahlt die Rentenanstalt weit mehr als 100 Milliarden Euro für Versicherungsfremde Leistungen.
Die Rentenkassen werden also nach wie vor bestohlen. Man könnte weitaus höhere Renten zahlen und Nullrunden wären nicht nötig.

Reichsfreiherr Joachim von Pallandt
www.FreiherrvonPallandt.de

Gravatar: Familientrends.de

Herr Grabka könnte auch Versicherungsvertreter oder Immobilienverkäufer werden.

Die einzigen wirklich renditeträchtigen und sicheren Investitionen und Maßnahmen zur Vorsorge für das eigene Alter sind Investitionen in die eigene Familie, die eigenen Kinder und die Fähigkeit fließen, später etwas Unabhängigkeit von Geldzahlungen staatlicher oder privater Systeme und Versicherungen zu erlangen (hierzu gehört die eigene Fortbildung, die eigene Gesundheit und - so banal es klingt - vielleicht auch der eigene Garten).

Wenn hier ein Experte noch Immobilien empfiehlt (deren Wert in vielen Regionen wohl in den nächsten 20 Jahren um 70% fallen könnte) oder Rentenverträge und Versicherungen (bei denen selbst den Branchenvertretern nicht klar ist, wie die Einnahmen dieser Versicherungen bei dieser demografischen Lage und der bereits hohen Staatsverschuldung langfristg stabilisiert werden sollen), dann ist er eins mit Sicherheit nicht: ein Experte.

Gravatar: Herr Müller

Kompliment dafür, dass man den Mut hatte, einen Interviewpartner zu wählen, der nicht komplett die gleichen Ansichten wie der Interviewer vertritt.

Gravatar: Paul Kühn

Das Ergebnis der jahrzehntelangen Umverteilung sind Ungleichverteilung und Machtballung. Und da es kein Maß für Umverteilung gibt, wachsen die negativen Effekte - je mehr umverteilt wird desto stärker.

Gravatar: Frank Martin

Die GRV sollte nicht reformiert, sondern beseitigt werden.
Diese Kapitalvernichtung muß aufhören.

Gravatar: Gladstone

Tolles Interview. Sehr interessant!

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