Dr. Maria Flachsbarth (CDU) Bundestagsabgeordnete

Reform der Besteuerung weiterhin auf der Agenda

Dr. Maria Flachsbarth sitzt seit 2002 für die CDU im Deutschen Bundestag. Sie ist studierte Fachtierärztin für Anatomie, verheiratet und Mutter zweier Kinder. Sie ist Mitglied im Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. FreieWelt.net sprach im ersten Teil des großen Interviews mit Dr. Maria Flachsbart über die Bilanz der Große Koalition und über Reformen in Deutschland. Lesen Sie morgen Teil 2 über die Familienpolitik.

Veröffentlicht:
von

FreieWelt.Net: Wenn Sie auf die vergangene Legislaturperiode zurücksehen, hat die große Koalition nach Ihrer Einschätzung unser Land vorangebracht oder eher blockiert? Welches sind die wichtigsten Erfolge und was waren die größten Rückschritte?

Dr. Maria Flachsbarth: Ich denke, dass die Große Koalition unser Land vorangebracht hat. Ich nenne hier die allgemein gute wirtschaftliche Entwicklung mit Rückgang der Arbeitslosigkeit auf zeitweilig unter 3 Mio., die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und der Sozialen Sicherungssysteme. Wir gehen aus einer starken Position in die weltweite Krise. Daneben hat die Große Koalition die Föderalismusreform sowie die Rente mit 67 beschlossen. Speziell aus meinen Arbeitsbereichen, der Familienpolitik sowie der Umwelt- u. Energiepolitik, nenne ich zum einen die erfolgreiche Einführung des Elterngeldes bzw. den Ausbau der Kinderbetreuung. Zum anderen haben wir den kräftigen Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien durch das Integrierte Energieund Klimapaket der Bundesregierung (IEKP) beschlossen und die Einrichtung eines Endlagers für schwach und- mittelradioaktive Abfälle mit Schacht Konrad erreicht.

FreieWelt.Net: Die Bürger haben sich daran gewöhnt, dass in der Großen Koalition Union und SPD die Fehler immer beim anderen gesucht haben. Darum die Fragen, hat auch die CDU/CSU aus Ihrer Sicht Fehler begangen, welche waren das, und was würden Sie aus heutiger Sicht anders oder besser machen?

Dr. Maria Flachsbarth: Ich halte es für einen Fehler, dass es der CDU nicht gelungen ist, dasAntidiskriminierungs- gesetz (AGG); dessen Entwurf noch unter der Rot-Grünen Regierung entstanden ist, zu verhindern. Es bietet zuviel Staat und zu wenig Freiheit. Es führt zu einer Mehrbelastung der Justiz, die aufgrund des AGG mit einer Vielzahl von Prozessen belastet wird. Außerdem führt die staatliche Auferlegung der Gleichbehandlung auch für Private zu einer nicht zu unterschätzenden Einschränkung der im Grundgesetz gewährleisteten Privatautonomie.

CDU hat Schlimmeres verhindert

Dennoch kann man sagen, dass meine Fraktion Schlimmeres verhindert hat und sich noch weiterreichenden Beschränkungen erfolgreich entgegensetzen konnte. Eine weitergehende Umsetzung hätte erhebliche zusätzliche bürokratische und finanzielle Belastungen für die deutsche Wirtschaft mit sich gebracht, die nicht geeignet gewesen wären, die Freiheit des Einzelnen mit berechtigten Anliegen von Wirtschaft und Gesellschaft zu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen. Verhindert haben wir zum Beispiel, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schon bei einem Versuch einer Benachteiligung vorliegen sollte; dabei hätte der Arbeitgeber aufgrund der Sonderregeln der Beweislastverteilung gar nicht hätte nachweisen können, dass er keinen Versuch zur Benachteiligung unternommen hatte. Diese Ausweitung des Benachteiligungsverbotes lässt die betrieblichen Gegebenheiten und Bedürfnisse der Unternehmen völlig außer acht und erscheint wegen der daran geknüpften Sanktionen überzogen. Verhindert haben wir auch eine Verbandsklage, die ermöglicht hätte, dass die benachteiligte Person sich durch einen Antidiskriminierungsverband, dem er seinen Anspruch abgetreten hätte, hätte vertreten lassen können und nicht mehr durch einen Prozessbevollmächtigten. Außerdem haben wir erreicht, dass der Begriff „Weltanschauung“ nur noch im arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutz Anwendung findet. Ansonsten hätten sich Anhänger fragwürdigen oder radikalen Gedankengutes auf die Vorschrift berufen können, um sich Zugang zu Geschäften zu verschaffen, die ihnen aus anerkennenswerten Gründen verweigert werden.

Förderpolitik für Biokraftstoffe

Als Fehlentscheidung aus meinem speziellen Arbeitsbereich nenne ich die Förderpolitik für Biokraftstoffe. Hier hat die Große Koalition vor kurzem das Biokraftstoffgesetz beschlossen, das u.a. die Steuerbegünstigung sowie die Beimischungspflicht von Biokraftstoffen zu fossilen Kraftstoffen regelt. Ich konnte dem vorgelegten Entwurf nicht zustimmen. Neben dem Ziel des Klimaschutzes ist es aus meiner Sicht wichtig, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass mittelständische Investoren aus den Reihen der Landwirte, der Biokraftstoff- Produzenten und der Mineralölhändler Planungssicherheit haben, die eine Rentabilität ihrer Investitionen ermöglicht. Die beschlossene Regelung zur Änderung der Biokraftstoffförderung in dieser Legislaturperiode sieht die Absenkung der für das Jahr 2009 zunächst auf 6,25 festgelegte Beimischungsquote rückwirkend zum 1. Januar auf 5,25 Prozent und Anhebung zum 1. Januar 2010 wieder auf 6,25 Prozent vor; das widerspricht jeglicher Planungssicherheit. Die Absenkung der Steuer auf Biodiesel um 3 Cent ist angesichts der Marktsituation völlig unzureichend; dies zeigt auch der am 12.11.2008 vorgelegte Biokraftstoffbericht der Bundesregierung (Drs. 16/10964). Bedauerlich und wettbewerbsmindernd ist es zudem, dass der Vertrieb des Ethanolkraftstoffes E10 praktisch verboten wurde. Ich bin der Auffassung, dass nachhaltig erzeugtes, der DIN-Norm entsprechendes und besonders gekennzeichnetes E10 als zusätzliches Angebot möglich sein sollte. Das Gesetz befindet sich nach Einsprüchen des Bundesrats nun im Vermittlungsverfahren.

FreieWelt.Net: Auf dem Leipziger Parteitag 2003 hat sich die CDU für umfassende Reformen zur Erneuerung des Landes eingesetzt. Sie selbst haben diesen Kurs entschieden unterstützt. Könnten Sie Ihre persönlichen Erfahrungen beim Einsatz für den Reformkurs beschreiben. Welche Unterstützung haben Sie erhalten? Auf welche Widerstände sind Sie damals gestoßen?

Dr. Maria Flachsbarth: Anhand meiner Erfahrungen aus dem Wahlkampf im Jahre 2005 habe ich gelernt, dass viele Menschen eine große Sehnsucht nach Sicherheit und zuweilen auch Angst vor zuviel Freiheit haben.

Unverständnis für Steuerreform

Die Vision eines einfachen Steuersystems, das Ausnahmen zugunsten einer einheitlichen, niedrigen Besteuerung abschaffen wollte, traf auf Unverständnis. Eine grundlegende Reform mit den Ziel einer radikalen Vereinfachung des Einkommensteuerrechts sollte vor allem dafür sorgen, dass die Bürger, die ein ausreichendes Einkommen haben, um für sich selbst und ihre Familien zu sorgen, die finanziellen Spielräume zurückgewinnen, um ohne staatliche Hilfen die notwendige Eigenvorsorge für die Risiken des Lebens zu finanzieren. Der Staat darf nicht besteuern, was die Menschen für die Sicherung ihres gegenwärtigen und künftigen existenznotwendigen Bedarfs selbst benötigen. Nur wenn sie zur Finanzierung dieses Bedarfs nicht in der Lage sind, muss der Staat ihnen helfen, dies zu tun. Und gleichzeitig müssen diejenigen, die leistungsfähig sind, auch mit ihren Steuern angemessen zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen.

Solidarische Gesundheitsprämie

Im Bereich der Gesundheitspolitik favorisierte die CDU/CSU die solidarische Gesundheitsprämie, die zu einer größeren Verantwortung jedes Einzelnen für seine Gesundheit führen sollte. Jede erwachsene Person sollte beitragspflichtig sein. Ziel war ein stärkerer Wettbewerb zwischen den Krankenkassen, der dadurch entstehen sollte, dass die Kassen zusätzliche Leistungen anbieten, die vom Bürger gewählt werden dürfen und extra bezahlt werden müssen. Es ist der Union leider in beiden Politikfeldern nicht gelungen, darzulegen, dass die
Vorschläge gerecht sind und die berechtigten Sorgen der sogen. Durchschnittsverdiener berücksichtigen.

FreieWelt.Net: Was ist von Leipzig geblieben? Kann der Reformkurs von Leipzig nach der Bundestagswahl wieder aufgenommen werden?

Dr. Maria Flachsbarth: Ich bin davon überzeugt, dass die Reform der Besteuerung und der sozialen Sicherungssysteme weiterhin auf der Agenda steht; wir werden die Themen wieder aufgreifen. Zudem muss eine konsistente Energieversorgung durchgesetzt werden.
Wir benötigen einen breiten Energiemix. Dieser muss von Erneuerbaren Energien bis hin zur Kernenergie reichen, um die Versorgung zu sichern. Damit vermindern wir erstens den Bezug von Energie aus politisch instabilen Lieferstaaten, wir sichern zweitens maßvolle Preise für Verbraucher, Industrie und Gewerbe. Gerade die Wirtschaft sieht Energiekosten zudem als wichtigen Standortfaktor. Drittens schützen wir mit einem klugen Energiemix die Umwelt. Wir senken CO2-Emmissionen und schonen endliche Ressourcen wie Öl und Gas, damit davon auch für nachfolgende Generationen noch etwas übrigbleibt. Öl ist ein wertvoller chemischer Grundstoff und eigentlich viel zu schade, es nur zu verbrennen.

FreieWelt.Net: Unterstützen Sie die Ankündigung von Bundeskanzlerin Merkel, dass die Bürger nach der Wahl steuerlich entlastet werden sollen?

Dr. Maria Flachsbarth: Ja, allerdings hat die Bundeskanzlerin nicht allein für Steuersenkungen geworben. Sie fordert vielmehr einen Dreiklang aus einer Konsolidierung der Haushalte, Investitionen in die Zukunft und der Senkung von Steuern insbesondere im Bereich der „Kalten“ Progression. Diese Kombination halte ich für zielführend.

Zu Internetseite von Dr. Maria Flachsbarth

Das Interview führte Gerard Bökenkamp

Foto:
Roland Magunia/ddp

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang