Prof. Dr. med. Uwe Ulrich Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin

Menschliches Leben nicht preisgeben - Interview mit Prof. Ulrich

Prof. Dr. med. Uwe Ulrich ist Leiter der Gynäkologie des Martin-Luther-Krankenhauses in Berlin. An dieser Klinik werden so gut wie keine Abtreibungen geduldet. FreieWelt.net sprach mit Prof. Ulrich über Schwangerschaftsabbrüche, seine Ablehnung demgegenüber Abtreibungen und Ausnahmesituationen.

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FreieWelt.net: Seit Sie die Leitung der Frauenklinik des Martin-Luther-Krankenhauses in Berlin übernommen haben, werden dort nur noch in seltenen Ausnahmefällen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Was sind Ihre Beweggründe für die Ablehnung von Abtreibungen?

Prof. Ulrich:
Ich glaube, dass menschliches Leben unter keinen Umständen preisgegeben werden darf. Eigentlich könnte ich die Frage auch mit dem Hinweis auf das fünfte Gebot beantworten. Aber tatsächlich ist es nicht so einfach, denn schon die Frage, zu welchem Zeitpunkt nach der Befruchtung von menschlichem Leben gesprochen werden kann, wurde und wird philosophisch, theologisch, ethisch und nicht zuletzt naturwissenschaftlich durchaus unterschiedlich beantwortet. Die prinzipielle Ablehnung des Schwangerschaftsabbruches war für mich das Ergebnis einer Entwicklung; als junger Arzt sah ich darin wohl eher einen operativen Eingriff als solchen, ohne mir klar zu machen, was ich da eigentlich tue. Um nicht missverstanden zu werden: die Bedrängnis, in die eine Frau durch eine ungewollte Schwangerschaft geraten kann, ist für den Außenstehenden in ihrer tatsächlichen und empfundenen Bedrohung sicherlich kaum nachvollziehbar, ich frage mich aber, ob die einzige Alternative die Preisgabe des ungeborenen und ungeschützten Leben ist. Im Deutschen Ärzteblatt vom 9. April 2010 wird die Zahl von 110 700 Schwangerschaftsabbrüchen genannt, die 2009 in Deutschland gemeldet wurden.

Zu fast allen Zeiten und in vielen bekannten Kulturen wurde das ungeborene Leben offenbar anders als das geborene betrachtet – es war oft weniger geschützt. Selbst das in der jüdisch-christlichen Tradition eindeutige Tötungsverbot galt nicht immer automatisch und ebenso konsequent für das ungeborene Leben. So haben die herrschende Religion, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen, nicht zuletzt der Stand der medizinischen Möglichkeiten und heute die "Apotheose" der Selbstverwirklichung das Umgehen mit dem ungeborenen Leben beeinflusst. Bei dem Konflikt der unerwünschten Schwangerschaft – aus welchen Gründen auch immer – stehen sich die Entscheidungsfreiheit der betroffenen Frau – ihr Selbstbestimmungsrecht und das Recht der ungeborenen Leibesfrucht auf Leben gegenüber. In einem Papier der EKD aus dem Jahre 1991 lesen wir, dass "das Selbstbestimmungsrecht von Menschen …   kein Verfügungsrecht über das Leben eines anderen Menschen begründet." Ein Schwangerschaftsabbruch sei immer "Tötung menschlichen Lebens",… Selbstbestimmung fände ihre Grenze "am Lebensrecht des anderen".


FreieWelt.net: In welchen Ausnahmefällen können Sie sich einen Schwangerschaftsabbruch vorstellen?

Prof. Ulrich:
Es gibt Grenzsituationen, in denen sich für mich die Frage nach Abbruch der Schwangerschaft stellen kann: bei Gefahr für Leib und Leben der Mutter, bei verschiedenen kindlichen Fehlbildungen, die mit einem menschlichen Leben nicht vereinbar sind (so sind z. B. sehr selten das Gehirn oder das Herz nicht angelegt); oder bei Schwangerschaften nach Vergewaltigung. In unserer Klinik gehen wir sehr behutsam damit um und besprechen die Situation in unserem Ethikkomitee, in dem auch eine Seelsorgerin vertreten ist.  


FreieWelt.net: Was sind außer Behinderungen besonders häufige Gründe für eine Abtreibung und gibt es auch in Deutschland Fälle von pränataler Geschlechterselektion?

Prof. Ulrich:
Am häufigsten geht es nicht um "Behinderungen" sondern um psychosoziale Gründe, die zur Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch führen. Bei den körperlichen "Behinderungen" ist es wegen ihrer Häufigkeit vor allem die Trisomie 21 beim erwarteten Kind, die Veranlassung zu einem Abbruch gibt.   


FreieWelt.net: Wie wirken sich Schwangerschaftsabbrüche auf die betroffenen Frauen psychisch aus?

Prof. Ulrich:
Es ist schwierig, eine Reaktion angeben zu wollen, die für alle betroffenen Frauen verbindlich wäre. Ich kenne Frauen, die unter dem Abbruch seit Jahrzehnten seelisch leiden. Ich glaube, dass so ein Verlauf vielen betroffenen Frauen unter dem verwirrenden Eindruck des akuten Geschehens bzw. Eingriffs, der "das Problem" scheinbar löst, begreiflicherweise zunächst nicht gegenwärtig ist.   


FreieWelt.net: Wie wird Ihre Ablehnung von Abtreibungen in Ihrem beruflichen und wie in Ihrem persönlichen Umfeld aufgenommen?

Prof. Ulrich:
Sehr unterschiedlich. Ich erlebe aber mehr Ablehnung und Unverständnis als Zustimmung.

 

Lebenslauf von Prof. Ulrich beim Martin-Luther-Krankenhaus

das Interview führte Beatrix von Oldenburg

Foto: U. Ulrich

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: m. schoenaich-carolath

und wer denkt eigentlich dabei an den Arzt/in die den Vorgang vornehmen muß oder soll? Wer denkt an den? Auch diese ständige verklagerei (die Frauen sollen sich zusammen tun und den Arzt verklagen) das bringt doch nur den Anwälten Geld und die Versicherungen die die Ärzte abschließen müssen. Wenn ich Spass haben will dann aber bitte mit Pille und Kondom! Ich finde dieser Arzt hat Recht.

Gravatar: Petra

Eine Abtreibung ist fatal für das ungeborene Kind UND die Frau!

Gravatar: Pascal

Kinder sind kein Müll und Leben kann man nicht recyceln!
Ein Kind aus Oldenburg das seine Abtreibung überlebt hat auf:
www.Tim-lebt.de
Stell dir vor du wärst abgetrieben und hättest deine Abtreibung überlebt!!!

Gravatar: Christa Schenk

Leuten wie Freigeist - Astrid Lender-Deehagen und Michael Schönherr kann ich nur sagen: "Eure Mütter hätten euch auch abtreiben können!!!!". Diesen Gedanken-Müll, den solche Menschen produzieren verseuchen das ganze Internet........

Gravatar: solosunny

@astrid gibt es eigentlich noch eine ärztliche Berufsfreiheit? Oder können Ärzte jetzt schon dazu richterlich gezwungen werden Abtreibungen durch zuführen?

Gravatar: Freigeist

@Astrid Lender-Deehagen
Bravo. Frauen sollten sich nicht mehr ansatzweise als die dummen Grundlast-Esel der Evolution hergeben.

Gravatar: Michael Schönherr

Möchte zu Astrids Kommentar noch einiges hinzufügen:Allen Leuten,die immer noch nicht begriffen haben,wie wichtig die Freigabe der Abtreibung für Frauen war,empfehle ich das Abtreibungsmuseum der Klinik "Gynmed" in Wien,die von Dr.Christian Fiala geleitet wird.Dort bekommt man mal einen Eindruck,wieviel Not und Elend oft über Frauen kam,wenn sie ungewollt oder unehelich schwanger wurden.Ganz zu schweigen von schrecklichsten illegalen Abtreibungsmethoden,die jede Frau kannte.Dunkle Vergangenheit??Keinesfalls!!All das wird wieder passieren,sollten rechtskonservative,erzkatholische oder evangelikale Kräfte es tatsächlich schaffen,die Fristenregelung eines Tages zu kippen.
Ist es nicht verwunderlich,das all diese selbsternannten Lebensschützer oder "Lebensrechtsgruppen" nie ein Wort darüber verlieren? Nein!Gerade das ist ihr Trick.Viele junge Leute,haben von dieser dunklen Vergangenheit keine Ahnung,weil sie von Eltern oder Großeltern nicht genug darüber aufgeklärt wurden.Sie glauben,das offene und moderne Leben,was sie führen wäre normal.Und gerade junge Leute und Kinder sind die Zielgruppe solcher selbsternannten Lebensschützer.Es werden ständig Bilder von zerstückelten Embryos gezeigt.Bilder von verstümmelten und toten Frauen hingegen unterschlägt man ganz bewußt.Ständig wird behauptet,seit 1975,als die Fristenregelung eingeführt wurde,sind 8Millionen Kinder abgetrieben worden,die jetzt fehlen würden.Kein Kommentar darüber,wieviele es wohl vor 1975 waren.Bestimmt mehr.Aber das es darüber keine genauen Statistiken gibt,ist ein weiterer Triumph dieser Lebensschützer in ihrer unendlichen Falschmünzerei.
Abtreibungen hat es immer gegeben und wird es immer geben.Die Frage ist nur:Legal oder Illegal?In einer hygienisch sauberen Klinik oder einer illegalen "Engelmacherinnenstube"?Schon aus diesem Grund handelt dieser Professor Dr.Uwe Ulrich verantwortungslos,wenn er den meisten Frauen den Schwangerschaftsabbruch verweigert!

Gravatar: Freigeist

Falls es die Frau bereut, gibt es doch die Pille danach.
Diese 4 oder 8 Zellen sind noch kein Mensch. Von Nerven keine Spur. Die Pille danach ist ein wirklicher Fortschritt für Frauen und schafft Freiheit. Frauen sind somit nicht mehr die dummen Esel der Evolution.

Gravatar: Gockeline

In dem Bericht kam es nicht zur Aussprache,warum so viele Abbrüche stattfinden.
Hinter der Abtreibung steckt eine Ursache die nie angesprochen wird.
Frauen lassen sich leichtfertig auf Männer ein,weil sie denken,der ist der richtige Mann für mich.
Der Mann sieht in der Regel nur ein Spiel oder seinen Spass daran.
Warum haben wir sonst 1,5 Mio.Alleinerziehende und 110 000 Abtreibungen?
Frauen haben nichts gewonnen durch die freie Sexualität und der Pille.
Nun müßen sie allseits bereit sein und immer müßen,müßen.
Liebe geht verloren,aber die sexuelle Freiheit haben sie gewonnen?
Frauen haben es leichter,
wenn sie in den Beruf gehen,
da werden ihnen alle Türen offen stehen
und haben ihre Freiheit und ihr Geld.
Wir beklagen die Unmoral der Finanzwelt
und übersehen die Unmoral der Menschen in Sachen Partnerschaften.
Beim kleinsten Streit läuft jeder davon
und entledigt sich seiner Verantwortung.

Gravatar: Petra

Ein sehr guter Mann!

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