Stefan Reker Verband der privaten Krankenversicherung

"Mehr Wahlfreiheit für die Menschen" - Stefan Reker im Interview

Mehr als zehn Prozent der Menschen in Deutschland besitzen eine private Krankenvollversicherung - hinzu kommen zahlreiche private Teil- und Zusatzversicherungen.  Allerdings sehen sich gerade die privaten Krankenversicherungen immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt eine "Zwei-Klassen-Medizin" zu fördern.  FreieWelt.net sprach jetzt mit dem Leiter des Bereichs Kommunikation beim Verband der privaten Krankenversicherung (PKV); Stefan Reker, über die Rolle der Privaten im Gesundheitssystem und die Zukunft dieses Systems.

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FreieWelt.net: Welche Rolle spielen die privaten Krankenversicherungen im Gesundheitssystem?

Stefan Reker: Die private Krankenversicherung (PKV) ist eine starke Säule im dualen Gesundheitssystem. Mit ihren Alterungsrückstellungen von über 144 Milliarden Euro ist sie
gut auf die steigenden Gesundheitskosten einer alternden Gesellschaft vorbereitet. Die gesetzliche Krankenversicherung dagegen bildet keine Rücklagen. Mit der Folge, dass in
Zukunft immer weniger Erwerbstätige die Kosten für immer mehr Ältere tragen müssen.

Schon jetzt stößt die Umlage-Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen an ihre Grenzen. Allein in diesem Jahr erhalten die gesetzlichen Kassen zusätzlich zu ihren Beitragseinnahmen einen Staatszuschuss von 15,7 Milliarden Euro. Davon ist ein
beachtlicher Teil aus Schulden finanziert – und belastet somit künftige Generationen. Die private Krankenversicherung hingegen erfüllt ihre Verantwortung mit null Staatszuschuss
und null Schulden.

FreieWelt.net: Aber fördert nicht gerade die Existenz von privaten Krankenversicherungen eine Zwei-Klassen-Medizin?

Stefan Reker: So gut wie in Deutschland ist die Gesundheitsversorgung fast nirgendwo sonst auf der
Welt: hohe Qualität, neueste medizinische Verfahren, geringe Wartezeiten. Dies verdanken wir gerade auch dem Wettbewerb zwischen gesetzlichen Kassen und privater
Krankenversicherung. Beide gemeinsam leisten mehr, als es jede Einheitskasse könnte.

Wenn es die private Krankenversicherung nicht gäbe, wäre das Gesamtniveau der medizinischen Leistungen für alle wohl deutlich geringer. Keiner hätte dabei etwas gewonnen.

FreieWelt.net: Wie würde ein gutes, gerechtes und dauerhaft finanzierbares Gesundheitssystem aussehen?

Stefan Reker:  Eine besseres Gesundheitswesen als heute in Deutschland werden Sie kaum finden. Die Herausforderung ist, diesen hohen Standard auch in einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft zu sichern. Die Finanzierung des Systems ist umso nachhaltiger, je mehr Menschen und Leistungen kapitalgedeckt in der privaten Krankenversicherung
abgesichert werden.

Dazu gehört mehr Wahlfreiheit für die Menschen, wem sie ihre Krankenversicherung anvertrauen wollen. Die letzte Gesundheitsreform unter Ministerin Ulla Schmidt hat jedoch
die Wartefrist für Arbeitnehmer, die in eine private Krankenversicherung wechseln wollen, schlagartig verdreifacht. Sie müssen derzeit drei Jahre lang die gesetzlich verhängte Versicherungspflichtgrenze von derzeit 49.950 Euro Jahres-Brutto überschreiten, bevor sie in eine private Versicherung ihrer Wahl wechseln dürfen. Durch diese Regelung werden viele Menschen gegen ihren Willen in der gesetzlichen Krankenversicherung festgehalten.
Die Regierung sollte daher schnellstmöglich zur früheren Regelung zurückkehren.

FreieWelt.net: Sehen Sie Chancen für eine politische Durchsetzbarkeit solcher Reformen?

Stefan Reker: Was die angesprochene Drei-Jahres-Frist betrifft, so haben sich Union und FDP bereits in
ihrem Koalitionsvertrag von Herbst vergangenen Jahres darauf verständigt, diese Regelung wieder abzuschaffen. Wir hoffen nun, dass diese Vereinbarung schnellstmöglich
umgesetzt wird. Zudem hat die Politik zumindest in der Pflegeversicherung auch erkannt, dass mehr
Kapitaldeckung die richtige Antwort auf den demografischen Wandel ist. Deshalb will die Koalition eine kapitalgedeckte ergänzende Pflegeversicherung einführen. Dazu ist es auch
höchste Zeit, denn ohne kapitalgedeckte Vorsorge ist der absehbare Anstieg der Pflegekosten nicht zu verkraften. Für diesen Ausbau der Kapitaldeckung bringt die private
Pflegeversicherung mit ihrer langjährigen Expertise die besten Voraussetzungen mit.

FreieWelt.net: Welche Konsequenzen werden die aktuellen Reformvorhaben der Bundesregierung haben?

Stefan Reker: Die erkennbaren Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung werden
durch die geplanten Maßnahmen zunächst gelöst. Die langfristigen demografischen Herausforderungen erfordern allerdings noch weitere Strukturreformen. Die im
Koalitionsvertrag angekündigten Reformen mit Wirkung auf die private Krankenversicherung sind von der Regierung nun als nächster Schritt angekündigt worden. Wir sind dabei zur konstruktiven Mitwirkung bereit.

Über den Koalitionsvertrag hinaus drängen wir auf neue Instrumente, um die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern und absichern zu können. Wir fordern einen
gesetzlichen Verhandlungsrahmen, der es uns ermöglicht, beispielsweise mit Ärzten oder Arzneimittelherstellern faire Vereinbarungen über Qualität, Mengen und Preise
medizinischer Leistungen zu treffen. Hier sind der privaten Krankenversicherung derzeit noch allzu enge rechtliche Grenzen gesetzt – dabei gehört die Vertragsfreiheit doch
eigentlich zu den Grundprinzipien einer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Gesellschaft.

Das Interview führte Fabian Heinzel

zum Verband der privaten Krankenversicherungen

(Foto: frugola/pixelio.de)

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Horatio Nelson

"Allerdings sehen sich gerade die privaten Krankenversicherungen immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt eine "Zwei-Klassen-Medizin" zu fördern." Zu recht der Vorwurf. So ist es auch. Und dieses "Fördern" ist wahrscheinlich absichtlich und wird forciert. Der KK-Versicherter sieht sich schon lange der Diskriminierung ausgesetzt. Bei der Terminvergabe seitens niedergelassener Ärzte zum Beispiel, wird der Patient gleich mit der Frage nach seiner Versicherungsart - KK oder Privat - konfrontiert. Hiervon hängt ab, wie bald der Termin, der ihm geboten wird, gelegt wird. Dies kann sich um Wochen handeln. Zahnärzte bieten nur noch kostspielige Füllungsmaterialien und Verfahren an. Ein viel schlimmerer Vorbote sich entwickelnder Sitten ist aber, eine gar in manchen Kliniken und Krankenhäusern vom Personal ausgehende nicht zu übersehende Diskrimminierung bis hin zu einer seelisch brutalen Haltung gegenüber Versichertern der gesetzlichen Krankenkassen. Alle bisherigen "Reformen" brachten mitnichten die bitter nötigen strukturellen Änderungen am System. Sie waren schlicht und einfach getarnte Sparmaßnahmen zugunsten der privaten Versicherungen bzw. zum Nachteil der Krankenkassen und deren Ansehen.
Grüße
Horatio Nelson

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