FreieWelt.net: Sie sind gebürtige Amerikanerin, aber Sie leben seit 1991 als Entertainerin in Berlin. In New York haben Sie auch als Kindergärtnerin gearbeitet. Wie ist es dazu gekommen und was hat Sie dabei am meisten geprägt?
Gayle Tufts: Selbst als erfolgreiche Künstlerin ist es in New York sehr schwer, davon zu leben. Deshalb braucht man einen Day-Job, und mein Day-Job war Kindergärtnerin. Tagsüber habe ich die Windeln von 40 Zweijährigen gewechselt, abends bin ich im Lincoln-Center aufgetreten. Ich war in einem Montessori-Kindergarten, da war es Teil des Programms, dass auch Künstler die Kinder betreuen.
FreieWelt.net: Mit Ihrem amerikanischen Hintergrund sind Sie in der beneidenswerten Lage, einen anderen Blick auf Deutschland werfen zu können als die hier Geborenen. Wie gehen die Deutschen mit ihren Kindern um?
Gayle Tufts: Darauf gibt es keine generelle Antwort. Es ist ein großer Unterschied, ob die Kinder in der Großstadt oder auf dem Land aufwachsen, ob beide Elternteile arbeiten oder sich nur ein Elternteil um das Kind kümmert. Amerikaner können pragmatischer sein – aber auch viel vorsichtiger. In Deutschland haben die Menschen noch eine bessere Verbindung zur Natur und eine größere Skepsis gegenüber Medikamenten als in Amerika. In Deutschland können Kinder noch toben und sich Freiräume schaffen.
FreieWelt.net: Was können die Deutschen in dieser Hinsicht von den Amerikanern lernen?
Gayle Tufts: Der Amerikanische Traum besagt, dass jeder irgendwann einmal jemand sein kann. Das heißt einerseits, dass er eigentlich ein Niemand ist, andererseits aber auch, dass jeder wichtig ist. Die Amerikaner haben einen unbedingten Glauben an die Möglichkeiten des Kindes. Sie glauben, dass jedes Kind die Chance hat, es zu schaffen.
FreieWelt.net: Frauen sehen sich heute immer öfter gezwungen, sich zwischen Beruf und Kindern zu entscheiden. Muss das so sein oder gibt es aus Ihrer Sicht Alternativen?
Gayle Tufts: Wenn Frauen gezwungen werden, sich zwischen Beruf und Kindern zu entscheiden, entscheiden sie sich immer häufiger für den Beruf. Frauen haben häufig den besseren Schulabschluss und die bessere Ausbildung, dennoch bedeutet ein Kind häufig das Ende der Karriere, weil nach der Schwangerschaft der Job vergeben ist. Ich finde, dass Schwangerschaft und die Erziehungszeit in Politik und Wirtschaft ein Teil der Kalkulation werden muss – und zwar nicht auf der negativen Seite. Kinder sind gut für uns alle – das muss das Motto sein. Deshalb müssen Frauen, Kinder und Familien unterstützt werden.
FreieWelt.net: Was war Ihr letztes Erlebnis mit Kindern, an das Sie sich gerne erinnern?
Gayle Tufts: Ich bin Schirmherrin der Stage Factory in Berlin. Das ist eine Theater- und Musicalschule für Kinder und Jugendliche. Ich liebe die Begeisterung, Neugier und Offenheit der Schüler. Die wollen etwas und probieren viel aus. Sie glauben noch, dass alles möglich ist – und wenn sie anfangen zu singen und zu spielen, stimmt das auch.
FreieWelt.net: Vielen Dank für das Gespräch!
Mit ihrem Programm »Some like it Heiß!« ist Gayle Tufts zur Zeit auf Tournee. Am 10. März gastiert sie in Dresden, am 23. März in Schloss Holte-Stukenbrock und am 24. und 26. März in Kiel. Weitere Termine unter www.gayle-tufts.de
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Keine Kommentare