Interview mit Patricia Sarah Stöbener

Investitionsschutzklauseln in Rechtsstaaten unnötig

Patricia Stöbener ist Referatsleiterin Recht der Europäischen Union beim DIHK. Die Freie Welt sprach mit ihr über die Bedeutung von Investitionsschutzklauseln im CETA- und TTIP-Abkommen.

Veröffentlicht:
von

Freie Welt: Frau Stöbener, welchen Sinn haben Investitionsschutzklauseln in Handelsabkommen? 

Paricia Sarah Stöbener: Investitionsschutzbestimmungen sollen Investoren im Ausland vor unfairer oder diskriminierender Behandlung im Vergleich zu nationalen Unternehmen sowie vor entschädigungsloser Enteignung schützen. Deutschland hat in der Vergangenheit daher zahlreiche bilaterale Investitionsschutzabkommen geschlossen.

Freie Welt: Sind derartige Klauseln in Abkommen zwischen Industriestaaten mit entwickelten rechtsstaatlichen Strukturen notwendig? 

Paricia Sarah Stöbener: Zwischen Ländern, die über entwickelte Rechtssysteme verfügen, ist die Verbindung von Handels- und Investitionsschutz nicht zwingend. Denn Investoren sind auch ohne völkerrechtliches Abkommen nicht schutzlos. Sie können grundsätzlich über nationale Gerichte Rechtsschutz erlangen.

Freie Welt: Aus welchem Grund sind Investitionsschutzklauseln in den Entwürfen zu TTIP und CETA enthalten? 

Paricia Sarah Stöbener: Ein wichtiger Grund für die Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels war für die EU-Kommission und die USA der Modellcharakter von TTIP für weitere Handelspartner. In Abkommen mit anderen Ländern wie China und Myanmar möchte man auf jeden Fall einen starken Investitionsschutz verankern. Es sei diplomatisch schwierig, dies dann nicht auch in TTIP und CETA aufzunehmen. Sollte ein Investitionsschutzkapitel in TTIP oder CETA aufgenommen werden, so muss es ein hohes Investitionsschutzniveau aufweisen; Defizite bestehender Abkommen sind durch eine Reform insbesondere des Investor-Staat-Schiedsverfahrens auszuräumen.

Freie Welt: Sehen Sie die Gefahr eines Missbrauchs durch »klagefreudige« Akteure? 

Paricia Sarah Stöbener: Einige Fälle in der Vergangenheit haben die Frage aufgeworfen, ob einzelne Investoren durch Klagen versuchen, wirtschaftliche Risiken auf die Allgemeinheit umzulegen oder den Staat unter Druck zu setzen, bestimmte politische Entscheidungen zu treffen oder zu unterlassen. Gerade in den USA, wo es bekanntermaßen eine ausgeprägte Klagekultur gibt, könnten sich entsprechende Geschäftsmodelle entwickeln. Schutzmechanismen zur Verhinderung missbräuchlicher und offensichtlich unbegründeter Klagen sind sinnvoll. Ein wichtiger Aspekt ist insofern die vorgeschaltete Zulässigkeitsprüfung. Diese sollte möglichst einfach, schnell und kostengünstig ohne großen Verwaltungsaufwand erfolgen. Auch die weit verbreitete grundsätzliche Kostentragungspflicht durch die unterlegene Partei ist sinnvoll, um missbräuchliche Klagen zu verhindern und die oft sehr hohe Kostenlast angemessen zu verteilen.

Freie Welt: Welche Alternativen gibt es zu den geplanten Schiedsgerichten? 

Paricia Sarah Stöbener: Eine Alternative ist der Gang vor die staatlichen Gerichte. Der Investor kann dort die Maßnahme des Staates selbst auf der Basis des nationalen Rechts angreifen und sich dabei ggf. ergänzend auf Grundrechte berufen. Dabei geht der Schutz des deutschen Verfassungsrechts über den Schutz, wie er im CETA-Entwurf vorgesehen ist, hinaus. Das deutsche Verfassungsrecht erlaubt überdies die Auslegung deutschen Rechts im Lichte des Völkerrechts, auch wenn dies in der Praxis noch zu selten der Fall ist. Ein Unterschied ist allerdings, dass nach nationalem Recht grundsätzlich nur die Aufhebung der nationalen Maßnahme verlangt werden kann, während vor Schiedsgerichten auf Schadensersatz in Geld geklagt wird.

Eine andere Alternative zu Schiedsgerichten ist der diplomatische Schutz seitens des Heimatstaats des Investors. Dieser existiert auch unabhängig von Investitionsschutzabkommen bei einer Verletzung völkerrechtlicher Mindeststandards. Dies umfasst auch den Schutz vor entschädigungsloser Enteignung und ein Recht auf ein geordnetes Verfahren. Grundsätzlich nicht umfasst ist aber der Grundsatz der Inländerbehandlung. Außerdem liegt es im Ermessen des Heimatstaates des Investors, ob er die Verletzung von dessen Rechten gegenüber dem Gastland geltend macht. Dadurch spielen politische Erwägungen eine starke Rolle.

Freie Welt: Frau Stöbener, vielen Dank für das Gespräch.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Frank S.

Wenn ein Investitionsschutzabkommen die Rechte/Risiken der ausländischen Investoren absichert, dann muß dies doch auch für die inländischen Investoren gelten, wenn das ganze nicht zu einer massiven Marktverzerrung führen soll.

Und was hat der Steuerzahler schon wieder damit zu tun, das er neben dem Euro und notleidenden Banken jetzt auch noch für die Sicherung der Rendite internationaler Geldanleger einstehen muß?

Das hat mit Marktwirtschaft wenig, sondern eher eine Menge mit Sozialimus zu tun.

Gravatar: Karl Letis

Ich halte es für äußerst kritisch, mit einem derartiges Abkommen einen Staat näher zu rücken, welcher die Todesstrafe als legitimes Mittel des Justizvollzuges mit breiter Mehrheit der Bevölkerung praktiziert.

Sind wir uns das wert?

Was machen die EU-Leute da?

Gravatar: Uwe Krammer

was soll der Quatsch von "Investitionsklauseln".............wenn ich mich entschließe, in einer anderen Region zu investieren, dann mache ich mir die dortigen Rechte und Pflichten zu eigen, sind diese Möglichkeiten mit meinen Zielen nicht vereinbar, unterlasse ich die Investition.......wo kämen wir hin, wenn jeder "Investor" erstmal die rechtliche Lage zu seinen Gunsten verändert, um dann zu "investieren".....da muß doch der normale Menschenverstand rebelieren.....was ist das für eine Welt und welches Pferd wird da von hinten aufgezäumt ?????

Gravatar: Stellmacherei

Investitionsschutzklauseln sind in Rechtsstaaten unnötig, dies ist schon richtig.
Doch die EU hat noch nicht einmal peripher etwas mit Rechtsstaatlichkeit zu tun; denn die Exekutive unterliegt keinerlei rechtsstaatlichen Kontrolle – der EuGH ist nur eine Marionette der EU-Exekutive.
Dann sind auch die EU-Mitgliedsstaaten kaum Rechtsstaaten; denn auch in denen ist die Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt und unterliegen die einzelstaatlichen Exekutiv-Gewalten nur noch scheinbar der Kontrolle gleichwertiger Legislativ-gewalten oder richterlicher Gewalten.
Die BRD war sowieso noch nie ein Rechtsstaat, weil diese so organisiert war und ist, dass in dieser die Exekutive die beiden anderen Gewalten schon immer dirigierte, beherrschte und hänselte!

Fazit: Deshalb sind internationale Schiedsgerichte notwendig, die auch die auch die Regierungen der scheinbaren Rechtsstaaten der EU und insbesondere die EU selbst in die Schranken weisen können!

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang