Dr. Michael von Prollius Forum Ordnungspolitik

Interview mit Dr. Michael von Prollius

Dr. Michael von Prollius ist freier Publizist und Gründer von "Forum Ordnungspolitik". Diese Internetplattform wirbt für eine Renaissance ordnungspolitischen Denkens und für eine freie Gesellschaft.Grundlage sind die Ideen der europäischen Humanisten, Nationalökonomen und Sozialphilosophen.

Michael von Prollius neues Buch "Die Pervertierung der Marktwirtschaft" erscheint demnächst.

Lesen Sie sein Exklusiv-Interview mit FreieWelt.Net

Veröffentlicht:
von

FreieWelt.Net: Zum Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ bekennen sich heute fast alle politischen Kräfte. Sie kritisieren aber schon im Titel Ihres Buches eine „Pervertierung“ der Marktwirtschaft. Worauf zielt Ihre Kritik?

Dr. Michael von Prollius: Die Marktwirtschaft, im englischen Sprachraum als Kapitalismus bezeichnet, ist die Ordnung, die uns seit über 200 Jahren eine außergewöhnliche Fortentwicklung unserer Zivilisation ermöglicht. Der möglichst unbehinderte Tausch der Menschen zu beiderseitigem Vorteil hat den Hunger besiegt, spektakuläre Fortschritte in der Gesundheitsversorgung ermöglicht und beschert gerade auch den relativ Ärmsten sensationelle Wohlfahrtsgewinne. Und was tun Politiker, Experten und viele Intellektuelle? Sie richten all ihre Kraft auf eine Zähmung des Kapitalismus, auf eine Regulierung der vermeintlich ungehemmten Marktkräfte aus. Tatsächlich wird die Marktwirtschaft seit Jahrzehnten durch den fortwährenden Interventionismus verstümmelt. Und diese Pervertierung wird uns auch noch als laissez-faire Marktwirtschaft verkauft.

FreieWelt.Net: Was unterscheidet unsere Wirtschaftsordnung heute, von der Ordnung, die Ludwig Erhard und den geistigen Vätern der Sozialen Marktwirtschaft vorschwebte?

Dr. Michael von Prollius: Massenarbeitslosigkeit, horrende Staatsverschuldung, die inakzeptable Regulierung nahezu aller Lebensbereiche und soziale Sicherungssysteme, die auf der Fiktion beruhen, jedermann könne auf Kosten der anderen leben. Der Wohlfahrtsstaat ist ein Herrschaftssystem. Die Soziale Marktwirtschaft war als Ordnung konzipiert, in der der Staat einen Rahmen aus Regeln setzt und in Not geratene Menschen unterstützt. Zumindest ist das der tragfähige Teil.

FreieWelt.Net: In Ihrem Buch ist der Begriff „Spontane Ordnung“ von zentraler Bedeutung. Was können wir darunter verstehen?

Dr. Michael von Prollius: Die Marktwirtschaft ist zum Beispiel eine spontane Ordnung. In ihr steuern Preise die Aktivitäten. Märkte erzeugen Ordnung, aber ohne einen geplanten Entwurf. Die Ordnung entsteht im Zuge einer emergenten, nicht vorgezeichneten Entwicklung. Adam Smith benutzte hierfür die Metapher der unsichtbaren Hand. Die ungeplante Ordnung ist allerdings nicht anarchisch, sondern wird durch Regeln und Institutionen geleitet. Diese haben sich im Laufe der Jahrhunderte bewährt und durchgesetzt, weil sie soziale Vorteile für alle ermöglichen und keine Gruppe wirtschaftspolitisch bevorzugen. Dazu zählen das Privateigentum und die Regel „pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten – sowie die Maßgabe, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Auch die Familie und das Unternehmen sind erfolgreiche Institutionen. Die spontane Ordnung ist das Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlicher Absicht!

FreieWelt.Net: Wie ist es denn überhaupt möglich, dass sich aus einem System ohne zentrale Vorgaben wie dem Markt so etwas wie „Ordnung“ entwickelt und nicht, wie viele Kritiker des Marktes befürchten, Chaos?

Dr. Michael von Prollius: Wenn wir einander mit Respekt behandeln, Leib, Leben und Eigentum achten, dann führt das zu zweierlei: einer auch zeitlichen Rangordnung von dem, was zu tun ist, und zu einem einzigartigen Wissensaustausch. Arbeit und Kapital werden für die wichtigsten Projekte eingesetzt. Und allein die Preise sagen uns, was wir zu tun haben. Fehler werden automatisch korrigiert – der Wettbewerb sorgt hier für eine Lern- und Korrekturschleife. Zugleich entsteht freiwillige Solidarität für all die, die tatsächlich in Not geraten. All jene, die sich nicht an diese Regeln des Zusammenlebens halten, müssen mit Gewalt zur Einhaltung der Regeln gezwungen werden. Das Ergebnis ist eine zeitlich befristete und somit flexible Ordnung, die viel besser ist als das geplante Chaos, das wir überall erleben und zwangsläufig zum Untergang des Sozialismus geführt hat. Die historische Empirie und die sozialphilosophische Logik zeigen die Überlegenheit einer dezentralen Ordnung.

FreieWelt.Net: Die marktwirtschaftliche Ordnung ist gerade in letzter Zeit wieder stark in die Kritik geraten. Teile der veröffentlichten Meinung und große Teile der Bevölkerung sehen in der derzeitigen Finanzkrise ein Beweis für das Versagen des Marktes. Worin sehen Sie die Ursache für den weltweiten wirtschaftlichen Einbruch?

Dr. Michael von Prollius: Wir erleben das größte Staatsversagen der Geschichte, zum Glück noch weitgehend beschränkt auf die durch Papiergeldillusionen geschaffenen Billionen-Beträge. Der Finanzsektor scheitert nach allen Regeln der Marktwirtschaft, und zwar weil wir hier viel zu wenig Marktwirtschaft haben und die Regierungen nicht dauerhaft gegen die Gesetze der Marktwirtschaft verstoßen können. Unser Geld wird von einem staatlichen Monopol produziert. Die staatliche Regulierung hat die Krise zumindest mit verursacht und verschärft, auch durch die Verleitung zum Moral Hazard insbesondere der Finanzinstitute. Die Sozialpolitiker wollen Menschen Häuser und Wohlstand zukommen lassen, der nach marktwirtschaftlichen Maßstäben unmöglich ist. Ludwig von Mises sagte: „Inflation is a policy that cannot last.“ Tatsächlich erleben wir das Platzen einer staatlich geschürten Inflationsblase.

FreieWelt.Net: Wie schlimm kann die Krise noch werden und wie können wir sie überwinden?

Dr. Michael von Prollius: Anstelle des Begriffs „Krise“ sollten wir besser von einem Heilungsprozess sprechen. Steven Horwitz bezeichnet die aktuellen Umwälzungen als „Great Recession“. Der vergangene Boom war durch eine verfehlte Geldpolitik, Regulierungsversagen und eine Sozialpolitik gegen den Markt, gerade im Immobiliensektor, künstlich geschaffen worden und konnte unmöglich anhalten. Der Krisenverlauf hängt davon ab, wie schnell Arbeit und Kapital restrukturiert werden dürfen. Damit spielen Ausmaß und Richtung der staatlichen Eingriffe eine zentrale Rolle. So wie es derzeit aussieht wiederholen die Regierungen viele Fehler der 30er Jahre. In den USA hat das zu einer um zehn Jahre verlängerten Krise geführt, die erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs überwunden war. Die Alternative lautet, den Heilungsprozess zu unterstützen durch Deregulierung, Steuersenkungen, Wettbewerb zwischen Staaten um die beste Politik und eine Neuordnung des Finanzsystems in Richtung „Free Banking“.

FreieWelt.Net: Wie kann eine solche Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft aussehen? Welche konkreten Schritte müssten unternommen werden?

Dr. Michael von Prollius: Das erfordert eine drastische Senkung der Steuern und Abgaben und letztlich eine gerechtere Besteuerung durch eine Flat tax. Unerlässlich ist ein drastischer Rückzug des überforderten regulierenden Staates aus all unseren Lebensbereichen und die Konzentration in Richtung hoheitlicher Aufgaben. Es ist effizienter und moralischer all das zu privatisieren, was freie Menschen selbst organisieren können. Und das ist ziemlich viel, denken Sie an Arbeit, Gesundheit, Rente und Bildung. Aber Reformvorschläge gibt es in Hülle und Fülle. Lassen Sie mich deshalb etwas anderes hervorheben. Es kommt darauf an, dass wir alle uns für die Marktwirtschaft einsetzen. Die Marktwirtschaft ist eine Errungenschaft des Westens. Wir sollten Sie verteidigen, wo immer das möglich ist, in öffentlichen wie in privaten Diskussionen, und natürlich in Ihrer Internetzeitung „Freie Welt“, der ich viel Erfolg wünsche.

Internetseite von Dr. Michael von Prollius

Forum-Ordnungspolitik.de

Link zum Buch "Die Pervertierung der Marktwirtschaft"

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang