Johannes Gerster Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

"Im Nahen Osten geht es um Leben und Tod"

Dr. h.c. Johannes Gerster ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und hat für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem gearbeitet.  Im Interview mit FreieWelt.net spricht der Träger des Bundesverdienstkreuzes über sein Verhältnis zu Israel, den Umgang der Medien mit dem Nahostkonflikt und die Chance auf Frieden in der Region.

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FreieWelt.net: Die Deutsch-Israelische Gesellschaft ist eine Organisation, in der sich „Freunde Israels in überparteilicher Zusammenarbeit zusammenfinden, um in Solidarität mit dem Staat Israel und seiner Bevölkerung zu wirken“.  Was ist Ihre persönliche Motivation, sich für diese Sache zu engagieren?

Johannes Gerster: Meine Eltern haben im 3. Reich Mainzer Juden versteckt und vor den Nazi-Schergen in Sicherheit gebracht. Einige dieser ehemaligen Mainzer Juden lernte ich dann in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts kennen. Sie besuchten uns in Mainz. Die Shoah spielte in meiner Jugend und in meinem Elternhaus daher eine wichtige Rolle. Aus historischen, politischen und moralischen Gründen fühle ich mich für Israel ein Stück verantwortlich.

FreieWelt.net:  Sie haben in Jerusalem gearbeitet.  Was hat Sie an dem Land Israel am meisten beeindruckt?

Israel wird seit seiner Gründung vor 62 Jahren immer wieder in Frage gestellt und angegriffen. Trotz dieses latenten Existenzkampfes hat Israel seine Bevölkerung in dieser Zeit verzehnfacht, ist vom Agrarland zu einem High-Tech-Land geworden und hat sich in einem undemokratischen Umfeld eine stabile Demokratie auf- und ausgebaut. Dort gelten die Menschenrechte, dort gibt es Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit, wovon die Menschen in islamisch geprägten Staaten nur träumen können. Natürlich ist in Israel nicht alles Gold, was glänzt. Dieses Land und Volk hat den Sprung in die Moderne aber besser bewältigt als alle seine Nachbarstaaten. Das erfordert Respekt.

FreieWelt.net: Welche Rolle spielt der Nahost-Konflikt für die Bundesrepublik Deutschland?

Johannes Gerster: Derzeit allenfalls eine Untergeordnete. Wir sind so sehr mit tatsächlichen oder eingebildeten Problemen vor der eigenen Haustür zugeschüttet, beschäftigen uns von früh bis spät vor allem mit uns selbst, dass der Blick für die wirklichen Probleme der Welt eher versperrt ist. Im Nahen Osten geht es um Leben und Tod. Bei uns ist  Jammern auf hohem Niveau angesagt. Sind wir nicht etwas zu egoistisch und zugleich provinziell geworden?

FreieWelt.net: Würden Sie sich von der Presse- und Medienlandschaft einen anderen Umgang mit der Berichterstattung aus Israel und den Palästinensergebieten wünschen?

Johannes Gerster: Über den Nahostkonflikt wird oft mit zweierlei Maß gemessen. Fehler der israelischen Politik werden durch ein Brennglas vergrößert. Eklatante Menschenrechtsverletzungen, z. B. durch die Hamas in Gaza, werden nicht zur Kenntnis genommen oder heruntergespielt. Allzu viele meinen, Israel müsse nur ein wenig  netter zu den Palästinensern sein und schon käme der Frieden im Nahen Osten. Stattdessen gilt noch immer: Wenn die Extremisten in der islamischen Welt die Waffen niederlegen, gibt es Frieden. Wenn Israel die Waffen niederlegt, gibt es kein Israel mehr.

FreieWelt.net: Wie ist das Verhältnis der Deutsch-Israelischen Gesellschaft zu den Vertretern der arabischen Seite?

Johannes Gerster: Als Leiter der Konrad Adenauer-Stiftung in Jerusalem wurde ich von Israelis und Palästinensern öffentlich ausgezeichnet. Unsere Arbeit als Mittler zwischen Israelis und Palästinensern wurde von beiden Seiten geschätzt, ja eingefordert. Als Deutsch-Israelische Gesellschaft haben wir diese Möglichkeiten der Vermittlung im Nahen Osten nicht. Aber wo immer wir können, suchen wir den Dialog mit der arabischen Seite, bei Nahostreisen aber auch mit deutsch-arabischen Vereinigungen hierzulande. Die Freunde Israels und der Palästinenser in Deutschland könnten ein besseres Beispiel vertrauensvoller Zusammenarbeit über religiöse, kulturelle und nationale Grenzen hinweg geben als
dies bisher der Fall ist.

FreieWelt.net: Gibt es eine Chance auf Frieden im Nahen Osten?

Johannes Gerster: Ich setze auf einen Ausgleich zwischen Israelis und Palästinensern auf der Basis zweier Staaten nebeneinander ohne Gewalt. Eine derartige Lösung muss kommen und wird kommen, je schneller desto besser.

www.deutsch-israelische-gesellschaft.de

Das Interview führte Fabian Heinzel

(Foto: Johannes Gerster)

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