Prof. Dr. Ulrich Battis Staatsrechtler an der Humboldt-Universität zu Berlin

Grundgesetz verbietet Abgabe des Haushalts- und Budgetrechts

Der bekannte Staatsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis von der Humboldt-Universität zu Berlin gibt prägnante Antworten auf Fragen zur verfassungsrechtlichen Dimension des geplanten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM).

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FreieWelt.net: Herr Prof. Dr. Ulrich Battis, der Vertragsentwurf zum sog. Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) liegt vor. Wie ist für Sie als Staatsrechtler dieser Vertrag zu qualifizieren? Gibt es etwas Vergleichbares heute oder in der Geschichte?

Prof. Dr. Battis: Der Vertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen unionsangehörigen Staaten. Vergleichbares gibt es nicht, da die EU einzigartig ist.

FreieWelt.net: Laut Artikel 10 des Vertrages soll der ESM die Höhe des „Rettungsvolumens“ von derzeit 700 Mrd. Euro jederzeit und unbegrenzt erhöhen können. Der ESM erhält damit  ganz unmittelbar die Kontrolle über den Haushalt in den einzelnen Nationalstaaten, also auch in Deutschland. Worin besteht dann die Aufgabe des Parlamentes und der Bundestagsabgeordneten? Worüber können jene noch bestimmen?


Prof. Dr. Battis: Wie weit die Rechte des ESM gehen, kann heute noch nicht beurteilt werden. Dies geht erst nach abschließender Beratung der Parlamente in den Vertragsstaaten.

FreieWelt.net: Bei einer Einführung des ESM – was bleibt von der Demokratie übrig und wie sieht langfristig die Bedeutung eines Abgeordneten aus, wenn er das Haushalts- und Budgetrecht aus der Hand gibt?

Prof. Dr. Battis: Das Grundgesetz verbietet eindeutig das Haushalts- und Budgetrecht aus der Hand zu geben.

FreieWelt.net: Der Vertrag spricht von Unverletzlichkeit der Archive, des Hausrechtes, von Immunität für alle beteiligten Personen, von der Befreiung des ESM-Vermögens durch den Zugriff über nationale Gesetze,  über Regierungshandeln usw. (Art. 27).  Bleiben dem Bürger, den Parlamenten, den Regierungen irgendwelche Rechtsmittel gegen den ESM oder dessen Mitglieder? 

Prof. Dr. Battis: Sowohl Parlamentarier wie Bürger können vor dem BVerfG klagen.

FreieWelt.net: Welche Rolle kann das Bundesverfassungsgericht bzw. der Europäische Gerichtshof bei Klagen gegen Entscheidungen des ESM spielen?

Prof. Dr. Battis: Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts wird in den anhängigen Verfahren, etwa zur Währungsunion deutlich werden. Eine Befassung durch den EuGH kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden.

FreieWelt.net: Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der EU und wohin sollte Sie sich Ihrer Meinung nach hin entwickeln?

Prof. Dr. Battis: Sie wird immer noch größer. Möglicherweise wird es eine Wirtschaftsregierung der EU geben. Im übrigen dürfte der Lissabon Vertrag zunächst einmal vorläufiger Endpunkt der institutionellen Entwicklung sein.

Herr Prof. Dr. Battis, herzlichen Dank für das Gespräch.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Englaender

Dazu lesenswert das letztes Jahr erschienene wissenschaftliche Buch: "Zweckgerechte Vitalisierung des Budgetrechts der Legislative", erschienen im Berliner Wissenschaftsverlag. Die Abhandlung zeigt das Ausmass des Reformbedarfs des angeblichen Koenigsrechts an den Masstaeben des Grundgesetzes selbst!!

Gravatar: Roland Stadler

Nach Art. 25 und Art 20.2 hätte Herr Batis recht, aber wer hält sich daran?
Die Besonderheit des GG überträgt den Bürgern des Bundesgebietes das Völkerrechtssubjekt, der Bund ist nur eine Verwaltung, Art 130. Keine Gesetzesänderung wurde jemals von den Völkerrechtssubjekten beschlossen, hier beginnt der Teufelskreis der Diktatur Bund.
Zu welchem übergeordneten Subjekt ist die BRD ein Bundesstaat?
Hier zeigt sich die Verlogenheit der Politiker und der Rechtsgelehrten, die uns vormachen wollen wir wären frei.
Die Wahrheit ist, wir unterstehen immer noch dem Recht der Besatzer aus dem zweiten Weltkrieg, sonst hätten wir schon längst eine von den Völkerechtssubjekten beschlossene Verfassung. Wers nicht glauben will, sollte sich mal fragen warum die Besatzungsvorbehalte für Berlin immer noch in Kraft sind. Weiterhin ist auch noch das Kontrollratsgesetz Nr 35 in Kraft. Wer noch tiefer einsteigt, wird feststellen, daß die AHK immer noch in Kraft sind, da nur deren Änderungen aufgehoben wurden.
Wenn es nicht nach braunem Dunst riechen würde, müßte man laut schreien, Deutschland erwache.

GG

Art 25
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

Art 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Art 24

(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen.
(1a) Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen.
(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationale Schiedsgerichtsbarkeit beitreten.

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