Prof. Dr. Johannes Schroeter Landesvorsitzender des Familienbundes der Katholiken in Bayern

"Geringschätzung von Eltern" - Interview Prof. Schroeter

Prof. Dr. Johannes Schroeter ist Landesvorsitzender des Familienbundes der Katholiken in Bayern und Vater von vier Söhnen. Im Interview mit FreieWelt.net sprach er über die Intoleranz der Gesellschaft gegenüber der Entscheidungsfreiheit der Familien, über die Überheblichkeit mancher Bildungs- und Erziehungsdienstleister und über die Rivalitäten um die Schaffenskraft der Eltern.

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FreieWelt.net: Prof. Schroeter, als Landesvorsitzender des Familienbundes der Katholiken in Bayern engagieren Sie sich bereits seit vielen Jahren für eine familiengerechte Ausgestaltung von Politik und Gesellschaft. Wie beurteilen Sie das familienpolitische Handeln der schwarz-gelben Koalition und der neuen Familienministerin Kristina Schröder seit der Bundestagswahl im letzten September?

Prof. Dr. Johannes Schroeter: Ich bin unschlüssig. Es gab begrüßenswerte Fortschritte bei Kindergeld und Kinderfreibetrag. Als ärgerlich empfand ich aber die Geringschätzung von Eltern, die in den koalitionären Streitigkeiten um das Betreuungsgeld zum Vorschein kam.

FreieWelt.net: Die Regierung hat gleich nach ihrem Amtsantritt das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöht. Eine zweite Erhöhung ist noch in dieser Legislaturperiode in Aussicht gestellt. Aus der Opposition, aber auch aus den eigenen Reihen der Regierungskoalition, werden diese Fortschritte im Familienlastenausgleich aber immer wieder heftig angegriffen. Auch andere familienpolitische Leistungen, etwa das Elterngeld oder das geplante Betreuungsgeld, geraten immer mehr in die Kritik. Worin sehen Sie die Ursachen für solche Angriffe?

Prof. Dr. Johannes Schroeter:
Ich sehe die Ursachen teils in Intoleranz, teils in Überheblichkeit und teils in wirtschaftlicher Rivalität. Intoleranz besteht in Teilen unserer Gesellschaft gegenüber der verbrieften Freiheit der Familien, die Bildung und Erziehung ihrer Kinder vorrangig selber zu bestimmen. „Geld ist gemünzte Freiheit“, hat Dostojewski einmal geschrieben. Es ließe Eltern viele Möglichkeiten, die Bildung und Erziehung ihrer Kinder zu gestalten. Diese Freiheit ist mancher ein Dorn im Auge, die keinen anderen Lebensentwurf als den eigenen dulden mag. Das gilt auch im Hinblick auf die Wahl von Eltern zwischen Erwerbsarbeit und Familienarbeit.

Überheblichkeit ist da anzutreffen, wo Dienstleister im Bereich der Bildung und Erziehung nicht dienen, sondern dominieren wollen. Manchen hat seine fachliche Ausbildung in einem Dienstleistungsberuf nicht gebildet, sondern verbildet. „Bildung beginnt bei der Betreuung“, ist ein Satz, der sich beispielsweise bei einem großen deutschen Sozialdienstleister findet. Hier wird indirekt in Abrede gestellt, dass im Elternhaus überhaupt Bildung stattfinden könne. Wer so redet, hat keinen Dienst an den Familien im Sinn, schon gar nicht im Sinn christlicher Nächstenliebe. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Forderung, familiäre Bildung und Erziehung gegenüber anderen Alternativen finanziell zu diskriminieren. Das Problem beginnt schon da, wo sich Erziehungsdienstleister als „Erziehungspartner“ gerieren und damit beanspruchen, dass sie den Eltern bezüglich der Rechte und Pflichten bei der Kindererziehung gleich gestellt seien.

Schließlich gibt es Probleme durch wirtschaftliche Rivalität. In dem Ausmaß, in dem außerfamiliäre Bildung und Erziehung zum Zweck der Erwerbstätigkeit betrieben wird, werden Betreuungsanbieter zu Konkurrenten der Eltern. Familien und außerfamiliäre Anbieter konkurrieren gegeneinander um die knappe Ressource der staatlichen Förderung. Von daher erklären sich manche Appelle der Betreuungsdienstleister, das staatliche Geld nicht in Familien zu geben, aus ökonomischen Rivalitäten. – Daneben gibt es Rivalitäten um die Schaffenskraft der Eltern. Die Wirtschaft fürchtet erklärtermaßen eine Verknappung von Arbeitskräften im Demografischen Wandel. Dem meint sie entgegen wirken zu können, indem Eltern sich weniger als bisher mit ihren Kindern beschäftigen und dafür stärker erwerbstätig sind. Als praktikables Steuerungsinstrument wird das Geld angesehen: die Entscheidung für Erwerbstätigkeit soll mit hohen Subventionen für den resultierenden Betreuungsbedarf abgefedert werden, während die Erwerbsausfälle mit voller Wucht auf die Eltern durchschlagen sollen, die sich für Erziehungsarbeit entscheiden. Solchermaßen kann man etlichen Eltern tatsächlich die Kindererziehung austreiben. Tragikomisch ist vor diesem Hintergrund aber das Lamento der Wirtschaftsverbände über die zunehmende Zahl unerzogener Lehrstellenbewerber.

FreieWelt.net: Nehmen wir einmal an, Sie hätten drei familienpolitische Wünsche an die Regierung frei. Was würden Sie sich wünschen?

Prof. Dr. Johannes Schroeter:
Ich glaube, ich würde mir nur eines wünschen: Die Einführung eines Allgemeinen Wahlrechts in Deutschland. Jeder Staatsbürger muss zukünftig ein Wahlrecht haben, auch die Kinder. „One man, one vote“ – ein Mensch, eine Stimme. Nur so kämen die Familien zu einem politischen Gewicht, das auch ihrem Bevölkerungsanteil entspräche. Erst dann wird es politisch möglich sein, für eine nachhaltige familienpolitische Entwicklung die erforderlichen Stimmenmehrheiten zu finden. In den vergangenen beiden Bundestagen hat es immerhin schon zwei interfraktionelle Anträge gegeben, die genau diese Entwicklung zum Ziel hatten. Das stimmt mich hoffnungsvoll.

Zum Familiebund-Bayern.de

Das Interview führte Kerstin Schneider

Foto: J. Schroeter

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Franz Josef Neffe

Die Eltern von heute haben ihre Pädagogik als Schüler der Schule von gestern gelernt. Wenn die Schule von heute mit dieser Pädagogik nicht einverstanden ist, dann ist SIE in der BRINGSCHULD. Als Ich-kann-Schule-Lehrer fand ich es schon immer unwürdig, als PROFI LAIEN den Schwarzen Peter zuzuschieben. Das ist keine Problemlösung; das ist kontraproduktiv.
Wenn man nur wählen darf, wenn man weiß, was man wählt, müsste man in Deutschland den mneisten Erwachsenen das Wählen verbieten. Wenn ich konkret mit Kindern die Probleme löse, die Erwachsene angerichtet haben, dann verstehen die Kinder stets schnell, besser und tiefer, worum es geht. Und genau deshalb gelingt es ihnen, sogar Erwachsene zu ändern, die umgekehrt weder andere noch sich verändern konnten.
Ich grüße freundlich.
Franz Josef Neffe

Gravatar: Friedemann

@Klimax
Ein durch die Eltern wahrgenommenes Wahlrecht für die Kinder könnten meines Erachtens deren Interessen sowie die Interessen der Kinder besser vertreten helfen. Natürlich dürfen Mütter dabei nicht bevorzugt werden, jeder Vater sollte, auch wenn die Mutter das alleinige Sorgerecht hat, pro Kind eine halbe Stimme zusätzlich bekommen, sofern er sich am Unterhalt beteiligt. Die überall gefühlten und häufig objektiven Benachteiligungen richten sich nicht nur gegen Väter, sondern gegen Männer und Jungen allgemein, aber auch gegen Mütter, die diese Rolle noch ernst nehmen und sich selbst um ihr Kind kümmern wollen. Ich sehe gerade in der Einführung eines allgemeinen Wahlrechts eine, wenn auch sehr begrenzte Möglichkeit, sich gegen Feminismus und Staat etwas besser zur Wehr setzen zu können.

Gravatar: Klimax

Ein Kinderstimmrecht wäre eine Katastrophe. Wählen kann nur, wer weiß was er wählt. Wer wählt dann für mein Baby? Ich ahne es schon: im mütterseligen und väterfeindlichen Deutschland immer nur die Mama. Dann haben Frauen, sofern sie Kinder haben und sofern diese noch nicht selbst bestimmen können, fortan zwei Stimmen. Ergebnis: noch mehr Feminismus. Noch mehr Staat.
Nein danke. Gewählt wird ab 18. Dabei sollte es bleiben.

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