Petra Witt Präsidentin Verband Deutscher Privatschulverbände

Für jeden Schüler das passende Bildungsangebot - Interview Petra Witt

Die Ankündigung der Rot-Grünen Landesregierung in Niedersachsen das Sitzenbleiben abzuschaffen, hat eine bildungspolitische Debatte in Deutschland ausgelöst. Die Frage dahinter lautet: Brauchen unsere Schüler mehr oder weniger Leistungsdruck, um erfolgreich zu lernen? FreieWelt.net sprach mit Petra Witt, Präsidentin des Verbandes Deutscher Privatschulverbände, über das Erfolgsrezept freier Schulen, die Verbesserung der Bildungsangebote und ihre Erwartungen an die neue Bildungsministerin Dr. Johanna Wanka.

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FreieWelt.net: Sie sind Präsidentin des Verbandes Deutscher Privatschulverbände. Können Sie uns etwas über diesen Dachverband erzählen?

Petra Witt: Der Verband Deutscher Privatschulverbände, kurz VDP, ist der älteste deutsche Privatschulverband. Er besteht jetzt seit über 110 Jahren. Etwas anders als der Name vermuten lässt, vertreten wir nicht nur die Interessen von allgemein- und berufsbildenden Schulen. Zu unseren Mitgliedern zählen auch Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft aus den Bereichen Weiterbildung und Erwachsenenbildung sowie Sprachenschulen und Hochschulen. Wir setzen uns insbesondere für Pluralität und qualitätsfördernden Wettbewerb im Bildungswesen, für das Recht auf freie Schul- und Bildungsanbieterwahl der Bürgerinnen und Bürger und die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von freien Bildungsträgern ein.

FreieWelt.net: Privatschulen in Deutschland erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen?

Petra Witt: Viele Schüler und ihre Eltern haben heute eine sehr genaue Vorstellung von dem, was Schule ihrer Ansicht nach leisten muss. Aufgerüttelt durch die PISA-Ergebnisse werden seitdem das Angebot und die Qualität der Bildung viel stärker hinterfragt. Schulen in freier Trägerschaft erfüllen für sehr viele Schüler und Eltern deren Erwartungen, beispielsweise durch innovative pädagogische Konzepte, geringem Unterrichtsausfall und kleineren Klassen. Auch bieten sie ihren Schülern eine motivierende und gewaltfreie Lernumgebung. Dadurch kommen die Kinder und Jugendlichen gerne zur Schule und leisten in aller Regel auch mehr. Und Eltern ist es heute sehr wichtig, dass sie einen direkten und unkomplizierten Kontakt zu Lehrern und Schulleitern haben – das können freie Schulen nachgewiesenermaßen alles bieten.

FreieWelt.net: Derzeit wird über die Abschaffung des “Sitzenbleibens“ diskutiert. Viele Beobachter kritisieren dies als einen weiteren Schritt weg von schulischer Leistungsorientierung. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen solchen Trends zur „Kuschelpädagogik“ und dem u.a. aufgrund der Pisa-Studie wahrgenommenen Niedergang des deutschen Bildungssystems?

Petra Witt: Sicherlich haben wir sehr viele Baustellen im Bildungswesen, von einem Niedergang möchte ich aber nicht sprechen. Nach unserer Ansicht ist für ein erfolgreiches Bildungssystem die Vielfalt der pädagogischen Konzepte und Angebote entscheidend. Die Kinder und Jugendlichen sind so unterschiedlich, dass es nicht nur eine Patentlösung geben kann. Für manch einen ist das Sitzenbleiben hilfreich, für andere wiederum ohne sichtbare positive Effekte. Wir müssen davon wegkommen zu glauben, dass es einen allgemeingültigen Bildungsansatz geben kann, der alle zu ihren optimalen Ergebnissen führt. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass jeder Schüler, entsprechend seiner Voraussetzungen und Bedarfslagen, Wünsche und Interessen ein für sich passendes Bildungsangebot vorfindet. Wenn unser Bildungssystem stärker auch Dienstleistungsaspekte berücksichtigt und den Bildungsteilnehmern alle notwendigen Förderelemente zur Verfügung stellt, dann haben wir sehr viel erreicht. Dazu muss sich z.B. die Personalausstattung stärker an den Bedarfslagen der Schulen ausrichten und somit, neben Lehrkräften, auch Sozialarbeiter und Schulpsychologen berücksichtigen. In den skandinavischen Ländern ist dies seit langem erfolgreiche Praxis. Davon sind wir zur Zeit aber noch sehr weit entfernt.

FreieWelt.net: Sie fordern u.a. eine „nationale Bildungsstrategie“. Was erwarten Sie in dieser Hinsicht von der neuen Bildungsministerin Dr. Johanna Wanka? Trauen Sie Frau Wanka zu, eine solche Strategie umzusetzen?

Petra Witt: Mit unserer Forderung nach einer nationalen Bildungsstrategie und einem dazu notwendiger Weise abgestimmten Handeln von Bildungs-, Sozial und Wirtschaftspolitik, um mehr Effizienz und Erfolg auf allen Bildungsgebieten zu erreichen, sprechen wir nicht nur die Bundesbildungsministerin Frau Dr. Wanka an. Wir fordern, dass sich alle Bundesministerien, in deren Zuständigkeit Belange aus dem Bildungswesen fallen, als auch beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die KMK und Vertreter der Wirtschafts- und Sozialpartner sowie der Bildungsverbände an einen Tisch setzen und gemeinsam eine nationale Bildungsstrategie für Deutschland entwickeln. Sie sollte Leitplanke und Kompass unter anderem für die aktive Arbeitsmarktpolitik, für die schulische und berufliche Bildung, aber auch für die Integrationspolitik sein. Das können wir nur gemeinsam erreichen. Wenn Frau Dr. Wanka unseren Vorschlag aufgreift und voranschreiten würde, würden wir dies sehr begrüßen und sie tatkräftig unterstützen.

FreieWelt.net: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Kerstin Schneider

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Susanne Holm

Wer schickt sein Kind schon gerne zu den verdrießlichen, lustlosen und homorlosen Staatsdienern, die nur das unterrichten dürfen, was ihnen eng vorgeschrieben ist? Die jedes Jahr das Gleiche unterrichten müssen, was ihnen die größte Langeweile beschert. Das Staatsschulsystem ist vollkommen verstaubt und hat nur eine Aufgabe: Die Menschen zu verdummen und dumm zu halten. Selbständig denken lernen = strikt verboten. Unterschrift: Unsere Regierung
und im übrigen: Siehe Abstimmungsergebnis = Spiegel dessen!!!

Gravatar: Hinweiser

Etliche "Privatschulen, wie z.B. Waldorfschulen, (die Finnen haben das System mit größtem Erfolg übernommen), kennen Sitzenbleiben nicht und haben sehr viel bessere Durchschnittsergebnisse wie die "Staatsschulen". Komisch, nicht wahr!??

Gravatar: Mona

Warum so zurückhaltend, Frau Witt!?
Ist es nicht ein offenes Geheimnis, dass viele Eltern nur noch im Privatschulbereich eine Fluchtmöglichkeit für die ideologisch verseuchten und leistungsschwachen Regelschulen rot-grüner Machart sehen?

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