Hedwig von Beverfoerde Sprecherin der Initiative Familienschutz

Familien-Entlastung: Zwischenbilanz Hedwig von Beverfoerde

Hedwig Freifrau von Beverfoerde ist Sprecherin der Initiative Familienschutz.  Im Gespräch mit  FreieWelt.net zieht sie eine Zwischen-Bilanz der Aktion "Familienlasten gerecht ausgleichen" auf AbgeordnetenCheck.de

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FreieWelt.net: Die Initiative Familienschutz hat vor der NRW-Wahl die Aktion „Familienlasten gerecht ausgleichen“ auf AbgeordnetenCheck.de gestartet. Wie ist der Stand der Aktion?

Hedwig von Beverfoerde: Die Aktion hat eine große Resonanz bei den Familien erzielt. Wir konnten mehr Bürger mobilisieren als bei unseren früheren Initiativen. In allen Wahlkreisen im Bund und in NRW haben die Bürger unsere Email-Petition an die Abgeordneten gesendet. Die Zahl der Emails geht in manchen Wahlkreisen an die Hunderte. In den Wahlkreis-Büros, mit denen wir telefonischen Kontakt hatten, zeigte man sich erstaunt und auch ein wenig irritiert aufgrund der starken Nachfrage aus der Wählerschaft.

FreieWelt.net: Worum ging es bei der Aktion genau?

Hedwig von Beverfoerde: Die Politiker im Bund und in NRW sollten sich vor dieser wichtigen Wahl klar zu einer gerechteren Familienentlastung bekennen. Vor allem die Regierungsparteien waren aufgefordert, zu Ihren Versprechen an die Familien zu stehen. Insofern begreifen wir diese Aktion auch als Fortsetzung unserer früheren Initiative „Unseren Kindern das volle Existenzminimum“ vom Januar des Jahres, bei der wir überwiegend positive Signale von den Bundestagsabgeordneten bekommen haben. Ich glaube, daß es wichtig ist, die Politik permanent an einmal gegebene Versprechen zu erinnern, und nicht nur alle vier Jahre bei einer Bundestagswahl. Dazu dient der AbgeordnetenCheck.de  Wie wichtig diese Erinnerung ist, hat sich im Verlauf dieser Aktion mit erschreckender Klarheit gezeigt.

FreieWelt.net: Wie haben die Politiker denn reagiert?

Hedwig von Beverfoerde: Im Verlauf der Aktion wurde eines sehr deutlich: die schwarz-gelbe Koalition rückt ganz offensichtlich schrittweise vom Versprechen einer besseren Familienentlastung ab. Im Prinzip verkünden die bürgerlichen Parteien bereits seit 2005 (!); daß der Kinderfreibetrag auf den Erwachsenenfreibetrag angehoben werden soll und entsprechend auch das Kindergeld. Dies haben viele Politiker auch bei unserem AbgeordnetenCheck im Januar noch bekräftigt. Ganz bewußt haben wir deshalb jetzt nicht mehr eingefordert, als von den Regierungsparteien selbst schon lange versprochen worden ist. Vor diesem Hintergrund ist die Zurückhaltung der Bürgerlichen schon sehr enttäuschend.

Insgesamt 36 Bundestags- und 91 NRW-Landtagsabgeordnete haben die Initiativen-Forderung klar unterstützt. Darunter sind auch viele Oppositions-Abgeordnete, die einfach aus Prinzip einer weitergehenden Familienentlastung zugestimmt haben, obwohl ihre Fraktionen natürlich im Detail etwas andere Konzepte haben als die Regierungsfraktionen. Insgesamt stellen unter den Forderungsunterstützern jedoch die Abgeordneten der Union die Mehrheit. Denn aus CDU und CSU hatten nach einer ersten Anfrage durch die Initiative Familienschutz zunächst sehr viele Abgeordnete eindeutig für die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag gestimmt. Bereits 3 Tage nach Start der Aktion auf AbgeordnetenCheck.de hatten sich schon über 30 Abgeordnete positiv geäußert. Doch dann setzte offenbar stärkerer Druck aus der Fraktionsspitze ein und die anfängliche Zustimmung bei vielen Unions-Abgeordneten wich einer immer stärkeren Zurückhaltung. Viele haben nur noch ausweichend oder gar nicht mehr geantwortet.

FreieWelt.net: Was heißt „ausweichend“?

Hedwig von Beverfoerde: Es gab eine Standardantwort von der Fraktionsführung der Union im Bundestag, die offensichtlich allen Unionsabgeordneten zur Verwendung nahe gelegt wurde. Darin wurde eine weitergehende Verbesserung der Familienentlastung tendenziell abgelehnt – mit Hinweis auf die „haushälterischen Rahmenbedingungen“. Doch diesen scheinheiligen Verweis auf den Haushalt kaufe ich den MdBs nicht ab. Der Haushalt ist kein anonymes Schicksal, keine „Rahmenbedingung“, von der man abhängig ist. Der Haushalt ist vielmehr das zentrale Feld politischer Gestaltung. Seine Zusammensetzung ist das Ergebnis politischer Bemühungen. Die Regierung sollte gegenüber den Familien offen einräumen, daß sie einfach andere Schwerpunkte setzt, als Familienentlastung. Mit den 22,4 Milliarden, die man jetzt in einen vermutlich völlig hoffnungslosen Kredit an Griechenland gibt, könnte man zum Beispiel die von uns geforderte und von der Regierung versprochene Familienentlastung locker finanzieren.

FreieWelt.net: Wie meinen Sie das?

Hedwig von Beverfoerde: Das kann sich jeder leicht errechnen. Die letzte Entlastung Anfang des Jahres hatte nach den Angaben der Regierung einen Umfang von ca. 4,6 Mrd. Euro. Aus den 22,4 Mrd. Euro Griechenhilfe, die innerhalb der nächsten 3 Jahre ausgezahlt werden sollen, ließe sich demnach eine weitere jährliche Familienentlastung im selben Umfang wie Anfang 2010 für volle 5 Jahre finanzieren. Während für die Familien angeblich unüberwindbare „haushälterische Rahmenbedingungen“ existieren, konnten die Griechenmilliarden innerhalb weniger Tage durch alle Gesetzgebungsinstanzen gedrückt werden. Fragwürdige Griechenhilfe ja - Kindergeld-Erhöhung nein. So sind die Prioritäten der Regierung von Angela Merkel.

Nachdem wir also die Ausweichmanöver der Union sahen, haben wir eine Emailwelle direkt auf die familienpolitischen Entscheidungsträger der Union organisiert, um sie zu einer eindeutigen Stellungnahme zu bewegen. Die Bürger haben das sehr engagiert unterstützt. Jeder familienpolitisch profilierte Unionspolitiker erhielt Hunderte Email-Anfragen mit unserer Initiativen-Forderung aus der Wählerschaft. Wer jetzt noch schwieg, konnte sich jedenfalls nicht auf Unkenntnis herausreden. Der gemeinsame Druck der Familien führte schließlich dazu, daß Dorothee Bär, die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, ausdrücklich den Willen der Bundesregierung zur Familien-Entlastung noch einmal bekräftigte und versprach, sich persönlich dafür stark zu machen. Einen konkreten Zeitpunkt für weitere Entlastungen der Familien wollte aber auch Frau Bär nicht nennen. Andere familienpolitische Entscheidungsträger der Union, wie Ingrid Fischbach, Hermann Kues oder auch Familienministerin Kristina Schröder hielten sich bis zuletzt bedeckt. Besonders das Schweigen Kristina Schröders nahmen viele Familien mit wachsender Enttäuschung auf. Viele Bürger hatten gehofft, daß die neue Familienministerin für die Belange der Familien kämpfen würde.

Trotz der Blockadehaltung der Unionsspitze ist es dennoch gelungen, durch Telefonate und Nachfragen unserer Mannschaft, vor allem aber durch die vielen Emailanfragen auf AbgeordnetenCheck.de und den dadurch geschaffenen Druck aus der Gesellschaft, am Ende schließlich 21 Bundestagsabgeordnete der Union auf die Seite des Familienschutzes zu bringen.

FreieWelt.net: Sie haben aufgrund der NRW-Wahl dieses Mal die Aktion auch auf den NRW-Landtag ausgedehnt. Wie war dort das Verhalten der Parlamentarier?

Hedwig von Beverfoerde: In NRW war die Zustimmung aufgrund des Wahlkampfes erwartungsgemäß größer. Insgesamt haben in NRW 91 MdLs die Initiative „Familienlasten gerecht ausgleichen“ unterstützt. Das war ein großer Erfolg für die Familien. Die CDU in NRW - angeschlagen aufgrund der Sponsoren-Affäre um Ministerpräsident Rüttgers - kämpfte um jede Stimme. Nach nur kurzem Zögern hat sich die gesamte CDU-Fraktion in NRW für unsere Initiativen-Forderung ausgesprochen. Allerdings bekamen die NRW-Christdemokraten nach dieser klaren Entscheidung keine Rückendeckung von der Bundes-CDU. Durch die Zurückhaltung der Bundes-CDU leidet aber die Glaubwürdigkeit der Union insgesamt.

FreieWelt.net: Wie hat sich die FDP verhalten?

Hedwig von Beverfoerde: Die FDP will eine bürokratische Bevormundung der Familien mit Gutscheinen. Auch dies hat unsere Aktion in vorher nicht vorhandener Klarheit ans Tageslicht gebracht. Die Gutschein-Lösung war zunächst nur für das geplante Betreuungsgeld im Gespräch. Doch große Teile der FDP haben jetzt auch das Kindergeld ins Visier genommen, obwohl es sich dabei primär gar nicht um einen Sozialtransfer handelt, sondern um Steuererstattung. Entsprechend haben nur wenige FDP-Abgeordnete in Bund und NRW unserer Initiativen-Forderung nach Barauszahlung des Kindergeldes zugestimmt.  Ein MdL in NRW strich sogar eigenhändig den Passus „Erhöhung des Kindergeldes als Barauszahlung“ und setzte dann seine Unterschrift darunter. Es ist sehr traurig zu sehen, wie die FDP glaubt, Eltern bevormunden zu dürfen, um bei deren Kindern "das Gold in den Köpfen zu heben" (O-Ton Cornelia Pieper).

FreieWelt.net: Die Regierung hat gleich nach ihrem Amtsantritt das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöht. War denn die Entlastung Anfang des Jahres nicht genug?

Hedwig von Beverfoerde: In der Standardantwort der Unionsfraktion wurde das immer so dargestellt. Tatsächlich war diese Anhebung allein dem absehbaren Karlsruher Urteil zum Existenzminimum zuzuschreiben, denn die Existenzminima sind trotz der Preissteigerungen und der  Mehrwertsteuererhöhung seit vielen Jahren nicht mehr angepaßt worden. Zu Recht hat der renommierte Sozialrichter Jürgen Borchert im Interview mit dieser Zeitung moniert, daß man sich in der Frage der Existenzminima immer noch außerhalb des sozialen Rechtsstaats befinde.

FreieWelt.net: Die Initiative „Familienlasten gerecht ausgleichen“ setzte sich für die Anhebung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages ein. Das betrifft v.a. die arbeitende Mittelschicht. Sollte man nicht auch für die ärmsten Familien etwas unternehmen?

Hedwig von Beverfoerde: Selbstverständlich. Das Existenzminimum muß auch in den Familien von Arbeitslosen gesichert sein. Auch dafür setzt sich die Initiative Familienschutz ein. Mit der Aktion „Unseren Kindern das volle Existenzminimum“ haben wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur transparenteren Berechnung des Existenzminimum politisch flankiert. Diese Entscheidung ist nun gefallen und die Politik ist gefordert, den Auftrag umzusetzen. Wir werden sehr genau beobachten, wie sie dieser Verpflichtung nachkommen.

FreieWelt.net: Welche Folgerungen ziehen Sie aus dem Verlauf der Aktion „Familienlasten gerecht ausgleichen“?

Hedwig von Beverfoerde: Wir sind alarmiert. Die aktuelle Entwicklung in der Familienpolitik ist nicht im Sinne der Familien. Die Regierungskoalition rückt von vielen Versprechen wieder ab. Dies werden wir jetzt verstärkt beobachten und darüber berichten. Offensichtliche Fehl-Entwicklungen werden wir  deutlich kritisieren. In enger Zusammenarbeit mit renommierten Experten und Praktikern aus den Familienverbänden werden wir Alternativvorschläge unterbreiten und an die politischen Entscheidungsträger herantragen. Dabei hängt alles ab von der Mitmach-Bereitschaft der Bürger und der Zivilgesellschaft. Ohne die Kraft, die aus dem gemeinsamen Engagement tausender Unterstützer kommt, könnten wir nichts ausrichten. Deshalb möchte ich an dieser Stelle allen Freunden und Förderern herzlich danken, die die Aktion „Familienlasten gerecht ausgleichen“ durch ihren Einsatz getragen haben.

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