Dr. Albin Nees Präsident des Deutschen Familienverbandes

Existenzminimum muß steuerfrei bleiben - Interview Albin Nees

Dr. Albin Nees ist Präsident des Deutschen Familienverbandes, der größten parteiunabhängigen, überkonfessionellen und mitgliedergetragenen Interessenvertretung der Familien in Deutschland. Im Interview mit FreieWelt.net sprach er über das familienpolitische Handeln der Regierung, über Familienförderung und die immer noch ausstehende Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag auf den im Koalitionsvertrag vereinbarten Betrag.

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FreieWelt.net: Dr. Nees, als Präsident des Deutschen Familienverbandes engagieren sie sich seit vielen Jahren für eine familiengerechte Politik. Wie beurteilen Sie das familienpolitische Handeln der schwarz-gelben Koalition und der neuen Familienministerin Kristina Schröder seit der Bundestagswahl im letzten September?

Dr. Albin Nees: Der Start von Frau Schröder war gut. Ich bin überzeugt, dass sie Familienpolitik nicht vorwiegend unter der Arbeitsmarktperspektive sieht. Die Erhöhung von Kinderfreibetrag bzw. Kindergeld zu Anfang des Jahres war auf jeden Fall besser als nichts. Allerdings blieb die Erhöhung deutlich unter dem, was die Koalitionspartner den Familien vor der Wahl versprochen haben. Der Kinderfreibetrag wurde z.B. auf 7.008 Euro im Jahr angehoben, angekündigt – und dringend überfällig – waren aber gute 8.000 Euro. Auch die damit verrechnete Anhebung des Kindergeldes um 20 Euro pro Monat ist deutlich geringer ausgefallen als im Wahljahr zugesagt. Enttäuscht hat mich, dass zwar die Mehrwertsteuer für Hotels gesenkt wurde, aber Eltern für Windeln, Kinderschuhe und viele weitere Kinderprodukte immer noch den hohen Steuersatz zahlen müssen. Ich hoffe, dass dieses Anliegen sowie der Freibetrag und das Kindergeld bald wieder auf die Tagesordnung kommen. Ein passender Anlass ist gegeben, wenn es um die vom Verfassungsgericht geforderte Neuberechnung der Kinderregelsätze und damit des Existenzminimums von Kindern geht. Jedenfalls hat die Bundesfamilienministerin bereits klar auf die umfassende familienpolitische Bedeutung dieses Urteils hingewiesen.

FreieWelt.net: Die Regierung hat gleich nach ihrem Amtsantritt das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöht. Eine zweite Erhöhung ist noch in dieser Legislaturperiode in Aussicht gestellt. Aus der Opposition, aber auch aus den eigenen Reihen der Regierungskoalition, werden diese Fortschritte im Familienlastenausgleich aber immer wieder heftig angegriffen. Auch andere familienpolitische Leistungen, etwa das Elterngeld oder das geplante Betreuungsgeld, geraten immer mehr in die Kritik. Worin sehen Sie die Ursachen für solche Angriffe?

Dr. Albin Nees: Ganz unabhängig von weiterhin bestehenden Defiziten im Familienleistungsausgleich rächen sich hier die jahrelangen Fehl- und Halbinformationen über das tatsächliche Ausmaß der Familienförderung. Da war in der Vergangenheit von Milliardenbeträgen die Rede, die es bei genauem Hinsehen gar nicht gibt. Aber wegen der falschen Angaben ist der Eindruck entstanden, Familien seien die Hauptprofiteure der Steuerpolitik. Dabei sind wichtige Fakten in Vergessenheit geraten, vor allem, dass der Kinderfreibetrag kein Steuergeschenk ist, sondern lediglich die Besteuerung des Geldes verhindern soll, welches die Eltern für das Existenzminimum ihrer Kinder benötigen. Jede Regierung sollte betonen, dass das Existenzminimum immer steuerfrei bleiben muss – auch das der Kinder. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit muss Wahrheit und Klarheit gelten, nicht Schönfärberei.

FreieWelt.net: Nehmen wir einmal an, Sie hätten drei familienpolitische Wünsche an die Regierung frei. Was würden Sie sich wünschen?

Dr. Albin Nees: Erstens die baldige und vollständige Umsetzung der noch immer ausstehenden Vorgaben aus mehreren großen Familienentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Dabei geht es um die Verwirklichung von Steuergerechtigkeit, um Wahlfreiheit für Familien und um die familiengerechte Reform der sozialen Sicherungssysteme, vor allem im Bereich des großen Generationenvertrages der Rentenversicherung. Damit das kein frommer Wunsch bleibt, muss die Regierung umgehend eine unabhängige Kommission einsetzen, die die Umsetzungsschritte anregt und überwacht.
Zweitens wünsche ich mir, dass die Regierung eine Kampagne startet, um der Gesellschaft wieder bewusst zu machen, wie wichtig für ihre eigene Zukunft die Leistungen sind, die in den Familien und von den Familien erbracht werden – nicht nur in der Kindererziehung, sondern auch in der Pflege alter Menschen.
Und drittens wünsche ich viele Mitstreiter im Solidarpakt für Familien, den der Deutsche Familienverband ausgerufen hat. Denn nur wenn sich alle Menschen, die in diesem Land Verantwortung tragen, in einem neuen Gemeinschaftswerk zusammentun, können wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, die man braucht, um die Familie zu stärken, also die Institution, welche zu Recht als Fundament eines zukunftsfähigen Staates und einer lebendigen Gesellschaft bezeichnet wird.

 

Zur Internetseite Deutscher Familienverband

Das Interview führte Kerstin Schneider

Foto: R. Magunia/ddp

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Dr. Albin Nees tritt hier als Bittsteller auf. Warum? Schauen Sie mal ins Grundgesetz. Art. 1, 2, 6, 12 und 14 GG. Begreifen Sie den dort bestimmten Freiheitsanspruch, gepaart mit Selbstverantwortung und Selbstbestimmung und dann denken Sie einmal über Freistellung des Existenzminimums der Familien und Kinder nach. Das Existenznotwendige haben die Gerichte in der „Düsseldorfer Tabelle“ für Kindesunterhalt – nur anteilig für den Zahlungspflichtigen - bestimmt. Und wer Kinder hat und denen eine freie unbeschwerte Kindheit bereiten möchte, verbunden mit der Ausbildung für das spätere Leben kann getrost davon ausgehen, daß er pro Kind monatlich so ca. 850 ¤ investieren wird. Dies bedeutet, daß ein Kinderfreibetrag in Höhe von 10.200 ¤ pro Kind nicht unangemessen ist. Allerdings wachsen Kinder in die Kosten. Eine gebende Pauschalierung /Typisierung ist zulässig, was bedeutet, daß eine zu hohe Freistellung des Existenznotwendigen zulässig ist, wohingegen eine zu geringe Freistellung unzulässig ist. Die Sozialstaatsbindung (Art. 20 Abs. 1 GG) bestimmt eben nicht die Freistellung des Existenzminimums, verstanden als Gewährung des unbedingt Lebensnotwendigen, sondern vielmehr eine Freistellung eines Einkommensteiles, der benötigt wird, um Familien und Kinder in angemessenen Verhältnissen aufwachsen zu lassen. Der Anspruch auf Freistellung des Existenznotwendigen ist keine Bittstellung, er ist ein grundgesetzlich verbriefter Anspruch, den Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Gerichte als unmittelbar geltendes Recht zu garantieren haben (Art. 1.2 u. 1.3 GG).

Allerdings muß auch erkannt werden, daß die staatliche Gemeinschaft nicht als Sozialträger verstanden wird. Die Freiheit hat die Kehrseite des Risikos, hier der Verantwortung und folglich dazu, die eigenen Möglichkeiten einzusetzen, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu erwirtschaften. Auch Kinder haben insoweit die Verantwortung zuvörderst gegenüber den Eltern, ihre Fähigkeiten zu trainieren und ihre Ausbildung bestmöglich abzuschließen. Das grundgesetzlich Garantierte spiegelt sich also in der Verpflichtung der Familien, sich einer ggf. bestehenden Leistungsempfängerstellung zu entledigen. Es gilt nicht zu fragen, wer gibt mir, sondern die garantierte Freiheit stellt das eigenverantwortlich Erworbene von staatlichem Zugriff frei und fordert von dem Einzelnen Existenzsicherung – auch durch Bildung.

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Eine häufigere Unterscheidung zwischen Verbrauchs- u. Ertragssteuern wäre nicht schlecht.

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