Robert P. George US-amerikanischer Rechtswissenschaftler und Hochschullehrer

"Eine existentielle Auseinandersetzung"

Interview mit Robert P. George

Die New York Times nannte ihn den konservativ-christlichen „Big Thinker“. Im Interview mit FreieWelt.net erläutert Robert P. George, warum er das traditionelle Verständnis der Ehe und des Lebens heute keinesfalls für obsolet hält.

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Hier finden Sie die englische Originalversion des Interviews.

FreieWelt.net: Sie kämpfen seit vielen Jahren für die traditionelle Ehe zwischen einem Mann und einer Frau und lehnen die sog. Homo-Ehe ab. Sie haben die Pro-Argumente für Ihre Haltung in zahlreichen Büchern dargelegt. Einmal umgekehrt gefragt: Welche drei Argumente der Gegenseite halten Sie für die besten und gefährlichsten Argumente?

Robert P. George:  1)Die Gleichberechtigung verlange eine Neudefinition der Ehe, um auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften darunter fassen zu können.

2)Widerstand gegen diese Neudefinition der Ehe sei eine Form von „Bigotterie“.

3)Die Ehe sei eine rein private oder religiöse Angelegenheit. Es sei nicht die Sache des Staates, die Ehe gesetzlich zu regeln.

FreieWelt.net: Und wie antworten Sie auf diese Argumente?

Robert P. George: 1) Das Argument setzt etwas Falsches voraus, nämlich dass die Ehe einfach eine Form sexualromantischer oder häuslicher Partnerschaft sei. Wenn das wahr wäre, könnten zwei gleichgeschlechtliche Personen natürlich genauso wie ein Mann und eine Frau eine Ehe eingehen. Aber unter der gleichen Voraussetzung könnten auch drei oder noch mehr Personen in polyamoren sexuellen Ensembles zusammen eine Ehe eingehen. Wir hätten außerdem keinen prinzipiellen Grund, die Ehe zu verstehen und zu behandeln

1)als eine sexuelle Partnerschaft – verstanden als Gegensatz zu einer Gemeinschaft die sich grundsätzlich um andere gemeinsame Interessen oder Aktivitäten (wie z.B. das Lesen und Diskutieren von Science Fiction Büchern oder Tennis-Spielen) herum gebildet hat;

2) als eine sexuell „geschlossene“ Beziehung, die Exklusivität und Treue verlangt, anstatt einer sexuell „offenen“ Partnerschaft, wenn die Partner das gerade zufällig miteinander bevorzugen; und

3) als eine Beziehung, die ein Versprechen der Dauer und Stabilität beinhaltet, anstatt einer Partnerschaft, die genausogut nur für eine bestimmte Frist begründet werden könnte – oder „so lange wie die Liebe dauert“.

Im Gegensatz zu so etwas stehen die historische Definition und Verständnis der Ehe als ein ehelicher Bund, d.h. eine umfassende (körperliche wie seelische) Verbindung – ein Beziehungstyp, der natürlich auf das gemeinsame Zeugen und Aufziehen von Kindern bezogen und – wenn alles gut geht – mit dem Geschenk von Kindern erfüllt ist (welche dadurch auch in den Genuss des Segens kommen, in der ehelichen Verbindung von Mutter und Vater als Ehemann und Ehefrau aufgezogen zu werden).

Dieses Verständnis kann den Sinn der Ehe ergeben als eine von Natur aus sexuelle Beziehung, die ganz grundsätzlich (und nicht aufgrund bloßer Stimmungen oder subjektiver Präferenzen) die Vereinigung von zwei (nicht drei oder mehr) Personen in einer treuen, exklusiven und auf Dauer angelegten Verbindung ist. Die Redeweise von der „Gleichberechtigung der Ehe“ transportiert eine implizite Annahme darüber, was Ehe ist. Sie kann die Ehe nicht von anderen Formen der Freundschaft oder Gemeinschaft abgrenzen oder einen grundsätzlichen Maßstab für die Normen liefern, auf der ihre charakteristische Struktur beruht. So anziehend diese Rhetorik auch sein mag, sie ist baut auf einem Irrtum auf.

2) Dieses Argument beruht auf der verleumderischen Unterstellung, dass Leute, die das historische Verständnis der Ehe als einen ehelichen Bund bekräftigen, dies ohne jegliche rationale Grundlage täten und angetrieben seien von Hass und Feindseligkeit. In Wahrheit ist die Argumentation für die Ehe als ein ehelicher Bund in jeder Hinsicht der Behauptung überlegen, welche die Ehe bloß als sexualromantische Partnerschaft begreift, die sich von anderen emotionalen Bindungen (wie einfacher Freundschaft) nur durch die Intensität oder die subjektiv zugewiesene Priorität abhebt.

In einer rein rationalen Analyse erweist sich, dass die Sichtweise gegen die traditionelle Ehe der Pro-Haltung nicht gewachsen ist. Das erklärt, warum das Ehebund-Verständnis nicht nur vom Judentum und vom Christentum bestärkt wurde, sondern auch durch andere Traditionen und große Denker außerhalb der jüdischen und christlichen Welt, angefangen bei Socrates (wie er von Plato vorgestellt wurde), Plato, Aristoteles, Musonius Rufus, Xenophanes und Plutarch bis hin zu Gandhi.

3) Dieses Argument spiegelt eine Art libertären Utopismus wider. Der Staat hat ein profundes Interesse an der Ehe und an einer blühenden Kultur der Ehe, weil die auf der Ehe basierende Familie das ursprüngliche und beste Ministerium für Gesundheit, Erziehung und Wohlfahrt darstellt. Sie stellt das bereit, was jede- juristische, politische, ökonomische, etc. - Institution in der Gesellschaft benötigt, aber keine tatsächlich herstellen kann, nämlich gut entwickelte, annehmbare, grundsätzlich anständige, einigermaßen tugendhafte Menschen. Kinder fahren am besten mit dem Geschenk, sowohl eine Mutter als auch einen Vater zu haben – idealerweise die Mutter und den Vater, welche ihnen das Leben geschenkt haben und deren ehelicher Einsatz das bestmögliche Umfeld für ihr gutes Gedeihen herstellt. Die gesetzliche Anerkennung der Ehe und Gesetze, die die vielfältigen Aspekte ehelicher Beziehungen regeln, leisten (wenn sie gut fundiert sind) einen großen Beitrag dazu, den Menschen beizubringen, was die Ehe tatsächlich ist und die stabilisierenden Regeln aufrechtzuerhalten, die der Ehe ihre Bedeutung und ihre Struktur verleihen.

FreieWelt.net: Neben dem Schutz der Ehe setzen Sie sich auch besonders für den Lebensschutz ein. Wie stehen diese beiden Anliegen miteinander in Verbindung?

Robert P. George: Die Unverletzlichkeit menschlichen Lebens unter allen Umständen und in allen Entwicklungsstufen und die Würde der Ehe als ein Ehebund zwischen einem Ehemann und einer Ehefrau werde heute beide angegriffen, weil sie die Empfindlichkeiten von Menschen verletzen, die von einer Philosophie des expressiven Individualismus geprägt sind. Wir beobachten heute die kulturellen Konsequenzen des Liberalismus der „Me-Generation“ (Baby-Boomers) Wenn man nach dem Slogan lebt „Tu es, wenn du dich dabei wohl fühlst“, dann sucht man auch die „Befreiung“ von Regeln, die Rücksicht verlangen auf das Leben des Kindes im Mutterleib und die sexuellen Begierden bändigen. Diese Regeln stehen dem Impuls, alles zu bekommen was man will und das Leben zu leben das man wünscht, im Weg.

Sehen Sie, unser kultureller Kampf ist ein Konflikt von Weltanschauungen, eine existentielle Auseinandersetzung. Hier treten diejenigen, die glauben, daß der Respekt für essentielle menschliche Werte (wie die Unverletzlichkeit des Lebens und das Verständnis der Ehe als ein Ehebund als Basis der Familie) Selbstbeschränkung und die Beherrschung der eigenen Leidenschaften verlangt (wie es die Lehrer der Menschheit von Sokrates und Buddha bis zu Jesus und Gandhi verkündet haben), gegen diejenigen an, die disziplinierte Anstrengungen zur Selbstbeherrschung, besonders auf dem Gebiet der Sexualität und der menschlichen Beziehungen, für eine Behinderung der freien und vollen Persönlichkeitsentwicklung und einen Verlust an Genüssen und Lüsten halten, welche das Beste seien, auf das Menschen hoffen können. Wir finden Sokrates, Buddha, Jesus und Gandhi auf der einen Seite dieses Kampfes der Weltanschauungen – und auf der anderen Seite sehen wir solche Figuren wie Sanger, Reich, Kinsey and Hefner. Das sind die Propheten der „Neuen Moral“ der persönlichen Befreiung von traditionellen moralischen Regeln.

FreieWelt.net: Sie waren lange Zeit Vorsitzender der National Organization for Marriage (NOM) in den USA, die sich u.a. gegen die gleichgeschlechtliche Ehe einsetzt. Welche Mittel setzt die Organisation ein, um ihre Ziele zu erreichen? Und mit welchem Erfolg?

Robert P. George: In den Vereinigten Staaten gibt es einen hochgeschraubten Kulturkampf über die Definition, den Sinn und die Zukunft der Ehe. In unserem föderalen System haben einige Staaten die Ehe neu definiert – als im wesentlichen eine Form sexualromantischer häuslicher Partnerschaft (so daß gleichgeschlechtliche Partner dort als legal „verheiratet“ anerkannt werden können), während eine weit größere Zahl von Bundesstaaten die Idee der Ehe als eine Ehebund von Ehemann und Ehefrau bestärkt haben. Der Kampf wurde geführt in den Foren demokratischer Beratung und auch in den Gerichtshöfen, wo Ansprüche auf der Basis bundestaatlicher und nationaler Verfassungsprinzipien angemeldet wurden. Die National Organization for Marriage (NOM) hat in den meisten dieser Streitigkeiten als führende Kraft das Ehebund-Verständnis der Ehe verfochten.

FreieWelt.net: In vielen Ländern der EU sind derzeit Gesetzesinitiativen zur Homo-Ehe auf dem Vormarsch, etwa in Frankreich und Großbritannien. Was können europäische Initiativen, die dagegen Widerstand leisten, von NOM lernen?

Robert P. George: Die Verteidiger der Ehe in Europa können aus unseren Erfahrungen hier in den Vereinigten Staaten lernen, dass wir über die historischen Frontlinien theologischer Spaltungen hinweg Koalitionen formen müssen, um essentielle Werte aufrechtzuerhalten. NOM hat Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Juden, Mormonen und Muslime als gleichberechtigte Partner zusammengebracht – kurz, Menschen jedweden Glaubens und sogar solche, die überhaupt nicht religiös oder gläubig sind. Ich bin froh zu sehen, dass dies in Europa jetzt auch passiert. In Frankreich hat beispielsweise Rabbi Gilles Bernheim eine machtvolle Stellungnahme zur Verteidigung der Ehe als Verbindung von Ehemann und Ehefrau ausfertigen lassen – welche vom Papst gelobt und zitiert wurde. Gleichermaßen sind muslimische Führer der Koalition zur Verteidigung der Ehe in Frankreich beigetreten. In der Tat gibt es sogar homosexuelle Aktivisten, die sich der Koalition angeschlossen haben, weil sie ebenfalls die Bedeutung des Ideals einer zweipolig männlich-weiblichen Kindererziehung anerkennen.

Eine andere Sache ist die Bedeutung mächtiger philosophischer und soziologischer Argumente.
Um die Ehe effektiv zu verteidigen, braucht es ein angemessenes Verständnis davon. Darum habe ich zusammen mit Sherif Girgis und Ryan T. Anderson das Buch What is Marriage? Man and Woman: A Defense verfasst, das derzeit in verschiedene Sprachen übersetzt wird. Meine Mit-Autoren und ich bemühen uns darum, den Menschen ein Verständnis der Ehe als Ehebund sowie die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Ehe als ideale Institution zur Verbidnung von Männern und Frauen als Ehemänner und Ehefrauen nahe zu bringen, um die bestmöglichen Mütter und Väter für ihre Kinder zu werden.

Die Fragen stellte Christoph Kramer.

Die Übersetzung aus dem Englischen besorgte Christoph Kramer.

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Gravatar: Freigeist

Da ist nichts existentiell. Für die Ehe von Normalos ändert sich nichts, auch nicht in 100 Jahren. Und die wenigen Lesben und Schwulen machen die Masse der Bevölkerung nicht nervös. Warum stellen Sie dieses Randthema so häufig in den Vordergrund? Es sieht ganz so aus als bräuchten Sie eine Gruppentherapie beim Psychotherapeuten. Jetzt bin ich mal gespannt, ob dieser Beitrag freigeschaltet wird.

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