Dr. Seyed Mostafa Azmayesh Seyed Internationales Komitee für die Rechte von Studenten und Derwischen im Iran

Dr. Azmayesh: Die Ketten des Regimes im Iran durchtrennen

Die Lage im Iran ist nach wie vor angespannt.  Dennoch gibt es Hoffnung auf Veränderungen, denn die Mehrheit der Iraner will eine Demokratisierung und eine Trennung von Religion und Staat, so Dr. Seyed Mostafa Azmayesh Seyed, Mitglied des Internationalen Komitees für die Rechte von Studenten und Derwischen im Iran, im Interview mit dem Internetportal "mehriran.de".  FreieWelt.net veröffentlicht das vollständige Interview mit freundlicher Genehmigung von "mehriran.de".

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mehriran.de: Wie schätzen Sie die aktuelle sozialpolitische Lage im Iran ein?

Dr. S.M. Azmayesh: Im April 2010 sind es 10 Monate nach den letztjährigen Präsidentschaftswahlen im Iran, die für die Bevölkerung eine gute Gelegenheit waren ihren Willen zum politischen Systemwechsel oder zur Bestätigung des Systems kund zu tun oder den Wahlen gleichgültig gegenüber zu stehen. Der Hauptgrund an den Wahlen teilzunehmen war der Wille der Menschen die verfahrene Situation im Iran zu lösen. Sie waren der Situation in ihrem Land überdrüssig. Einerseits ist das ein Zeichen, dass sie ihren Umständen gegenüber nicht gleichgültig sind und andererseits, dass sie mit dem gegenwärtigen System nicht weiter machen wollten. Das ist das, worum es letzten Sommer ging.

Wie eine Kriegserklärung

Anschließend wurde die Konfrontation zwischen dem System und der Bevölkerung durch Bemerkungen des Obersten Führers Ali Khamenei angeheizt als er sagte: „Ihr müsst euch meiner Entscheidung unterordnen. Es gab keinen Staatsstreich, die Wahlen sind nicht gefälscht, Ahmadinedschad wurde gewählt und ihr müsst diese Wahl akzeptieren. Wenn ihr euch auflehnen solltet und auf die Straßen geht, um gegen unsere Entscheidung zu demonstrieren, müsst ihr auch die Konsequenzen des Blutvergießens und der Krise im Land tragen.“ Für die Bevölkerung war das wie eine Kriegserklärung. Sie reagierten sehr ablehnend auf diesen Aufruf und verhielten sich  zum ersten Mal nach 30 Jahren sehr respektlos gegenüber Ali Khamenei und dem System, das er repräsentiert. Das war ein ganz radikaler Schritt den die Bevölkerung gewagt hat, der den großen Spalt zwischen der Bevölkerung und dem System zeigt. An dieser Haltung der Leute dem Regime gegenüber hat sich bisher nichts geändert. Weder zittern sie vor Angst vor dem Regime, noch sind sie lustlos geworden sich dagegen zu stellen. Sie warten schlichtweg auf eine gute Gelegenheit in die Straßen zu strömen und zu demonstrieren und ihrem Unwillen dem System gegenüber Ausdruck zu verleihen.

Khamenei und seine Parteigänger, die Sekte Ahmadinedschads und ihre weiteren Mitglieder – ich nenne diese Sekte Armaggedonisten – haben die Macht ganz klar in ihren Händen indem sie übermäßige Gewalt anwenden, foltern, inhaftieren und exekutieren. Doch was die Wirtschafts- und Gesellschaftsgestaltung anbelangt, gelingt ihnen so gut wie gar nichts. Im Grunde haben sie die Kontrolle über das Land verloren und haben nur das Land in ihren Händen, weil sie durch einen Teil der Pasdaran unterstützt werden. Das System ist sehr schwach. Diese Pasdaran sind die Wächter der Revolution, die zu Beginn der Revolution eine ideologische Gruppe bewaffneter Leute waren. Heute haben die Pasdaran kein ideologisches Interesse das System am Leben zu erhalten. Sie stehen hinter dem System so lange sie vom System finanzielle Zuwendungen und gewisse Privilegien zugestanden bekommen. Wenn dem Regime die finanziellen Mittel ausgehen sollten, um die Bedürfnisse der Pasdaran zu befriedigen, werden die Pasdaran das System fallen lassen, das ist gewiss.

Irans Cyber-Armee

Der zweite Punkt ist der erklärte Krieg zwischen den Bürgern und Ali Khamenei im virtuellen Raum (cyber-war). Man hat 18.000 Bassidschi in diese Cyber-Armee aufgenommen. Safar Harandi, der ehemalige Erziehungsminister im Kabinett Ahmadinedschads, leitet die Cyber-Armee. Der Auftrag dieser neuen Organisation ist es, das Internet zu überwachen, ungeliebte Seiten zu hacken, zu blockieren, mit Viren zu infizieren und zu infiltrieren, um jeglichen Kontakt zwischen Iranern im Land und Iranern im Exil zu unterbinden.

Der dritte Gesichtspunkt ist, dass offensichtlich Khamenei die Justizbehörden angewiesen hat, so viele Menschen wie nur möglich töten zu lassen, um die Bürger einzuschüchtern, um sie in ihre Häuser zu drängen, mit dem Ziel das System zu erhalten. Aber Ali Khamenei und sein System sehen sich mit fünf Millionen Iranern, die außerhalb des Landes leben, konfrontiert. Diese stehen nicht unter ihrer Kontrolle und nutzen jede Gelegenheit Kontakt mit den Iranern im Land zu halten, um das Gefängnis, das Ali Khamenei und die Sekte der Armaggedonisten um das Land errichten aufzubrechen.

Exil-Iraner sind bedeutende Kraft

Die Iraner außerhalb Irans sind eine sehr bedeutende Kraft, die das Anliegen der Bürger im Iran und ihre Bewegung unterstützen. Genau darin liegt der Unterschied zwischen der Situation in Nord Korea, Lybien oder Irak. Wenn zum Beispiel die Bevölkerung Lybiens mit ihrer Regierung und den Lebensbedingungen in Lybien nicht zufrieden sein sollte, wird sie nicht viel ausrichten können, weil die Gemeinschaft der Exil-Lybier sehr klein ist und nicht so stark bewandert ist in den modernsten Kommunikations-Technologien, wie Teile der iranischen Exilgemeinschaft. Diese Iraner im Ausland hegen die Hoffnung auf einen Systemwechsel im Iran und sie unterstützen die Massenbewegung der Iraner im Land selbst. Dies stellt für Ali Khamenei und die sektiererische Regierung das größte Problem dar.

Vor sechs Wochen rief Ali Khamenei alle Botschafter und Kultur Attachés der Islamischen Republik Iran zusammen. Vor diesen Funktionsträgern im Ausland hielt er eine Grundsatzrede darüber, wie sich die Islamische Republik im Ausland präsentieren müsse. Khamenei betonte dabei, dass es wichtig sei mit Hilfe von Musik, Theater, Kino und anderen Kulturereignissen die iranische Gemeinschaft außerhalb Irans zu kontaktieren und für die Islamische Republik zu gewinnen.

Andererseits wird die Bevölkerung alle finanziellen Zuwendungen und Hilfen von der Regierung verlieren und sehr schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen bekommen. Das wird die Familien im Ausland veranlassen ihre Angehörigen im Iran, die von den wirtschaftlichen Nöten betroffen sein werden, zu unterstützen. Es gibt im Iran eine sehr hohe Inflationsrate.

Auf lange Sicht kann dieses System angesichts der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft das System zu beenden und auf Grund der Gegnerschaft der eigenen Bevölkerung, nur überleben, wenn seine Armee ideologisierter Anhänger ihr Leben für das System lassen wollen. Aber diese Armee gibt es so nicht mehr. Darum ist die Zukunft dieses Systems ernsthaft in Gefahr.

 mehriran.de: Es ist eine Sache ein System abzuschaffen, aber eine ganz andere Herausforderung wird die Frage nach dem danach sein. It is one thing to stop a system work and another challenge will be what can be the alternative. Was denken Sie, welche Alternativen gibt es zu dem jetztigen System, welche Vision haben Sie für den Iran?

Dr. S.M. Azmayesh: Klar ist, dass die Iraner heutzutage eine größere politische Reife haben, als noch vor 30 Jahren. Es ist klar was sie haben wollen und was sie ablehnen. Der Kern ihres freien Willens drückt ganz klar die Einrichtung eines demokratischen Systems aus. Sie wollen kein ideologisches System, kein religiöses System, kein System, das von Theologen bestimmt wird. Dieser Punkt steht für alle Iraner fest, sogar die Mehrheit der Mullahs und der Gläubigen vertreten diese Meinung. Die Mehrheit der Mullahs und der Gläubigen sprechen offen über die Notwendigkeit der Säkularisierung des Landes und die Trennung zwischen Staat und Religion. Die meisten wollen eindeutig ein demokratisches parlamentarisches System, das auf Säkularismus und Trennung zwischen Staat und Religion gründet, haben.

Was die angemessene Form dieser demokratischen Forderungen der Mehrheit der Iraner anbelangt, finden sich drei Möglichkeiten und gewisse Alternativen in der Bevölkerung. Das bedeutet, dass einige Leute für ein demokratisches System nach dem national gesinnten Mossadegh anstreben. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass der Sohn des ehemaligen Schahs viele Anhänger um sich schart und eine demokratische Alternative bietet. Schließlich drängt sich im Moment eine weitere Möglichkeit innerhalb des Landes auf, die sogenannte grüne Bewegung mit gewissen Persönlichkeiten, die sich dazu zählen.

Vision ist ein Wechsel

Es ist wichtig im ersten Schritt ein Referendum durchzuführen, um zu der Vision der Bevölkerung zu gelangen. In diesem Referendum wird die Bevölkerung zum Ausdruck bringen, ob sie dieses System bevorzugt oder ein anderes System herbeiwünscht. Im zweiten Schritt des Referendums  ist es wichtig die Form des neuen Systems zu bestimmen. Die Vision für die Iraner ist ein Wechsel und ein Ende des sogenannten religiösen Systems, das den Iran beherrscht, in dem Menschen im Namen der Religion gehängt werden, im Namen der Religion hingerichtet werden, im Namen der Religion gesteinigt werden. Es gibt sehr viel soziale Apartheid, ethnische Apartheid und religiöse Apartheid im Namen der Religion. Die Menschen sind dessen allem überdrüssig, sie würden gerne das System loswerden und einen Wechsel im Land herbeiführen. Wir können sicher sein, dass sie nicht für ein ideologisches System stimmen werden. Sie würden gerne in einem demokratischen Rahmen leben, einem demokratischen System für das sich die Bevölkerung mittels eines Referendums selbst entscheidet.


mehriran.de: Was sind die Vorstellungen des Internationalen Komitees für die Rechte von Studenten und Derwischen im Iran für die Zukunft im Iran?

Dr. S.M. Azmayesh: Das Komitee schlägt den Iranern ein demokratisches System vor, das sich an den Prinzipien von Mossadegh orientiert, einer Art Nationalstaat, der auf einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Internationalen Gemeinschaft fußt. Einerseits beinhaltet das den Respekt der internationalen Gemeinschaft und den Respekt gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Andererseits muss ein Gleichgewicht zwischen Nord und Süd und Ost und West erreicht werden, also insgesamt ein Gleichgewicht in den internationalen Beziehungen. Darüber hinaus schlägt das Komitee den Iranern vor, für eine Trennung zwischen Religion und Staat zu stimmen. Jedes Gesetz sollte durch das Parlament beschlossen werden und nicht unantastbar durch sich selbst sein. Die Bedeutung der Gesetze erwächst daraus, weil die Vertreter des Volkes im Parlament dafür stimmen. Das Komitee wünscht sich ein säkulares System im Iran, in dem jeder die gleichen Rechte hat. Niemand sollte besondere Privilegien haben. Dadurch wird ersichtlich mit wem das Komitee Allianzen schmieden kann und mit wem nicht.

mehriran.de: Welche Rolle wird die Religion in Zukunft spielen?

Dr. S.M. Azmayesh: Religion sollte keine politische Rolle spielen. Dennoch sollten wir eines bedenken. Die Mehrheit der Iraner sind Muslime. In der Verfassung von 1906 wurde festgehalten, vorsichtig mit dem Glauben der Mehrheit umzugehen. Wir wollen nicht wieder eine religiös motivierte Revolution riskieren, weil die Bevölkerung sich in ihrer kulturellen Ausrichtung und ihren Neigungen nicht respektiert fühlt. Für jede Religion wird es im Iran Raum geben und die Menschen werden frei sein ihre Religion zu wählen. Das ist ein Prinzip der Freiheit.

Für das Komitee ist der Stellenwert des Menschen auf der Welt wichtig, die Rechte der Menschen wie sie in der Charta der Vereinten Nationen niedergeschrieben sind und von der internationalen Gemeinschaft beschlossen wurden. Auch dies schlagen wir der Bevölkerung im Iran vor.

mehriran.de: Wir haben ihre Sicht auf die aktuelle Situation im Iran gehört, wir haben Ihre Sicht auf die Zukunft Irans gehabt, und jetzt klafft  eine Lücke. Wie kommen wir in diese Zukunft? Wer muss wen unterstützen, um das zu erreichen?

Dr. S.M. Azmayesh: Die internationale Gemeinschaft bemerkt mehr und mehr, dass die iranische Bevölkerung das System nicht unterstützt. Die Mehrheit der Iraner möchte das System verändern. Diese bei den Iranern weitverbreitete Ansicht sollte die internationale Gemeinschaft beachten. Daher sollte die internationale Gemeinschaft eher Gruppen, Verbände oder Vereinigungen unterstützen, die eine Mehrheit von Iranern im Land repräsentieren.

Im Iran sind viele Minderheiten, doch es gibt einige gemeinsame Interessen, die wiederum diese Minderheiten zu einer großen Mehrheit vereinigen. Eine kleine Nachforschung sollte sehr schnell zeigen welche Gruppe im Land und außerhalb des Landes die Mehrheit vertritt. Es gibt ein enormes Potential in der Gesellschaft Irans. Welche Gruppe ist in der Lage das hauptsächliche Potential hinter sich zu bringen? Wenn die internationale Gemeinschaft diese Nachforschungen betrieben hat und sich über die Gruppe im Klaren ist, die die Mehrheit hinter sich hat, sollte sie diese Gruppe unterstützen. Wenn beide Bedingungen erfüllt sind, kann der Wille des Volkes erreicht werden und das System findet ein Ende. Mehrere Möglichkeiten stehen an, zum Beispiel kann man zu einem Generalstreik aufrufen. Doch müssen die Arbeiter und Angestellten die Gewissheit haben, dass die internationale Gemeinschaft ihre Ziele unterstützt ein Ende mit dem System zu finden und sie nicht hintergeht. Wenn es eine Abstimmung zwischen der internationalen Unterstützung und der Hilfe der Bewegung im Land gibt, wird die Zusammenarbeit wie eine Zange arbeiten, die die Ketten des Systems in Iran zerteilt. Es braucht wirklich die Unterstützung der Weltgemeinschaft. Und sie sollte sehr realistisch und pragmatisch in der Iran Frage vorgehen.

mehriran.de

(Foto: mehriran.de)

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: aber hallo

die komischen Zeichen vom capcha sind nicht zu entziffern. Warum fragen Sie nicht wie andere: was ist 7-2 ? oder 3+3?

Erst nach vielen Wechseln waren die beiden Wörter zu lesen. Viel zu nervig!!!

Gravatar: Astrid Lender-Deehagen

Recht so!! Es ist höchste Zeit für eine neue Revolution im Iran.Vor allem die Frauen sollten dabei eine gewichtige Rolle spielen,ihre Burkas und Kopftücher öffentlich ablegen und auf einem großen Scheiterhaufen mitten in Teheran verbrennen!!!Dies würde auch einen großen Eindruck auf die Musliminnen in Europa machen,die in unseren "freien" Ländern ja leider immer noch oft der Unterdrückung der Männer und Familien ausgesetzt sind.

Astrid Lender-Deehagen/Feministin der 1.Stunde

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