Interview Dr. Christoph Bruns

»Die großen Bedrohungen sind die inneren Bedrohungen«

Dr. Christoph Bruns ist Fondsmanager und Inhaber der Fondsgesellschaft LOYS AG. Mit der Freien Welt spricht er über das Thema Freiheit und zeigt auf, warum wir Deutschen uns mehr an der Wirtschaft unseres Landes beteiligen sollten.

Veröffentlicht:
von

FreieWelt.net: Sie haben in Ihrer Kolumne im Handelsblatt gesagt, „Nicht im Hindukusch, sondern hier in Deutschland muss die Freiheit verteidigt werden“. Erläutern Sie bitte Ihre Aussage.

Dr. Christoph Bruns: Ich meinte insbesondere müsste auch die Rente verteidigt werden. Oder vielmehr müsste sie aktiv gewonnen werden. Die Rente der Deutschen muss überwiegend im Ausland erarbeitet werden, beispielsweise von Chinesen oder Brasilianern. Denn viele Deutsche werden Richtung Altersarmut unterwegs sein. Das war der Hintergrund zu diesem Artikel.

In Bezug auf Freiheit, über die Sie ja sprechen, ist das Volk ganz schön durch die Propaganda bei uns getäuscht worden. Es hieße ja, es müsse die deutsche Freiheit auch am Hindukusch verteidigt werden. Das war blanker Blödsinn. Heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Tatsächlich ist es im Leben immer so, dass man erst im eigenen Haus die Dinge so bestellen muss, dass man dann einen großen Schritt nach draußen gehen und anderen erzählen kann, wie man die Dinge ausrichten soll. Kurz: Da haben wir noch ein paar Hausaufgaben zu tun! Denken Sie mal an das Thema Überwachungsstaat. Wir wissen ja mittlerweile, dass unsere Freunde – aber auch unsere eigenen Dienste – uns permanent überwachen. Man dachte, das kommt alles aus dem Kalten Krieg oder aus den Zeiten davor. Und da kommen wir wieder zurück zum Thema: Die Freiheit ist permanent in Bedrohung und man hat allgemein den Eindruck, dass ihre Freunde weniger zahlreich sind als jemals zuvor. Das liegt daran, dass wir etwas satt geworden sind, selbstzufrieden mit einem krisenfreien Leben in der Bundesrepublik. Wir sehen die großen Bedrohungen nicht mehr. Die großen Bedrohungen sind die inneren Bedrohungen – und zwar gegen die Freiheit.

FreieWelt.net: Was bedeutet für Sie persönlich Freiheit?

Dr. Christoph Bruns: Der Freiheitsbegriff scheint mir problematischer zu sein. Ich würde am liebsten einen Bogen darum machen und lieber das Thema Unabhängigkeit voranstellen. Beide Begriffe sind eng verwandt. Bei der Freiheit ist das Problematische allerdings, dass dem Menschen bekanntlich nur eine relative Freiheit gegeben ist. Wir können wählen, was wir heute zum Mittag essen wollen, wir können aber nicht wählen, ob wir überhaupt essen wollen. Viel interessanter finde ich, dass der Mensch insbesondere von der Gängelung durch den Staat nicht unabhängig ist. Er ist in seine Programme fest eingeschweißt. Denken Sie mal an alle Fürsorge-Programme: Die Kinder sollen von früh an vom Staat schon in Zwangseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten gesteckt werden. Das heißt, dort die selbstbestimmte Richtung zu wählen wird immer schwieriger. Oder ein Großteil der Bevölkerung ist durch Sozialprogramme mittlerweile abhängig vom Staat geworden. Er kommt da auch nicht mehr raus. Dem Staat freut es, denn er hat dadurch viele Kunden gewonnen und kann eine enorme Bürokratie aufrichten. Ich meine, es wäre viel sinnvoller, selbstbestimmt, unabhängig – vielleicht auch um den Preis, einer dadurch etwas bedürfnisärmeren Lebensweise – leben zu können. Aber ich weiß, wie kontrovers dieses Thema ist. In Deutschland neigt man lieber zur Vollkaskoversicherung und zum Fürsorge-Staat. Ich persönlich fürchte aber, es geht in die falsche Richtung.

FreieWelt.net: Die Deutschen scheuen bekanntlich eher das Risiko und verlangen nach Sicherheit. Sie haben im Bezug darauf gesagt, die Börse sei ein Paradeplatz für die Marktwirtschaft und die Börsenkultur in Deutschland sei kümmerlich und strebe neuen Tiefständen entgegen. Wie macht sich das bemerkbar und war die Börsenkultur hierzulande jemals richtig ausgeprägt?

Dr. Christoph Bruns: Ja, und zwar im vorvorherigen Jahrhundert unter Bismarck. Das nannten wir „Gründerzeit“. Aber die Deutschen haben seit 1945 nichts mehr mit einer Börsenkultur am Hut. Die Zeiten sind vorbei. Die Deutschen vertrauen dem Staat. Er gilt ja auch als „Vaterstaat“. Heute wird eines klarer denn je: Die Europäische Notenbank hat dafür gesorgt hat, dass wir in einer dauerhaften Niedrigzins-Phase leben, wodurch es keine Zinsen mehr gibt. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass wir nun eine private Altersvorsorge benötigen und die ist notwendiger denn je.

Stichwort ‚demografischer Wandel‘: Wir haben eine Überalterung. Die Menschen wollen weniger Kinder haben und die Menschen leben länger. Kurz: Der Staat kann das Umlageverfahren nicht leisten. Daraus resultiert, dass man für sich selber sparen muss. Nur bringt das Sparen nichts, wenn wir es wie üblich bei Kapitallebensversicherungen, Sparverträgen, bei Riesterrenten und Bausparverträgen tun. Da kommt nichts Positives bei rum, weil der Zins zu niedrig ist.

Wo könnte das Geld noch sinnvoll arbeiten? Nun, es arbeitet in der Wirtschaft und das sind die Unternehmen des Landes und auch ausländische Unternehmen. Es macht ja keinen Unterschied, ob Sie Ihr Geld in Siemens, Microsoft, eBay, IBM, Toyota oder Sony anlegen. Wir müssen erkennen, dass die herkömmlichen Wege der Altersvorsorge des privaten Sparens – denn Deutschland ist ja Spar-Weltmeister; wir sparen ungemein viel im weltweiten Vergleich – zu keiner Vermögensmehrung führen. Diese brauchen wir aber aufgrund des demografischen Wandels. Wir müssen uns wesentlich stärker an der Wirtschaft beteiligen. Hier ist in der Tat die Aktie das Instrument und diese können wir an der Börse handeln. Wir müssen eine stärkere Börsenkultur entwickeln, sonst kommen wir nicht zu besseren Vermögenzuwächsen. Aber diese sind notwendig und jetzt steht es uns im Wege, dass wir überhaupt keine Börsenkultur haben und dass wir meinen, der Staat regle das alles schon. Ich kann jedem Leser mit Sicherheit sagen, der Staat wird es nicht regeln! An den physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Demografie kommt er nicht vorbei. Kurz: Wenn es uns nicht gelingt, die Bürger zu überzeugen sich an der Wirtschaft zu beteiligen, dann dürfen wir für die private Altersvorsorge nichts Gutes erwarten.

FreieWelt.net: Was halten Sie von Maßnahmen zur Marktregulierung und staatlichen Eingriffen in das Marktgeschehen?

Dr. Christoph Bruns: Hier gibt es gute Gründe, warum wir keine Aktienkultur haben. Der Staat ist ja nicht neutral. Er fördert immer die Zinsanlage, weil er selbst aufgrund seiner Staatsanleihen und der hohen Verschuldung vom Finanzmarkt abhängig ist. Die Verschuldung steigt im Übrigen seit 1969 kontinuierlich. Der Staat fördert also Zinsanlagen, Lebensversicherungen – und zwar steuerlich. Die Aktie diskriminiert er, denn Unternehmensgewinne werden doppelt besteuert; einmal auf Unternehmensebene und dann nochmal beim Anteilseigner, wenn sie ausgeschüttet werden. Nebenbei bemerkt, das wird Thema meiner heutigen Handelsblattkolumne sein (vom 03. April 2014) www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/kurz-und-schmerzhaft/der-anlagestratege-der-aktienkultur-auf-die-spruenge-helfen/9713630.html Das Thema Steuern steht hier im Vordergrund. Es hat schließlich Gründe, warum die Deutschen bei der Aktienkultur zu nichts kommen. Aber der Staat hat eine Mitschuld. Er lenkt in die Zinsprodukte ein und das kann sicherlich nicht so weiter gehen, denn wir stehen vor einem Scherbenhaufen.

FreieWelt.net: Denken Sie, dass sich die deutsche Wirtschaft überhaupt noch von selbst regulieren kann – ohne den Staat?

Dr. Christoph Bruns: Das lateinische Wort ‚regular‘ heißt „Regeln setzen“. Wir brauchen einen Staat und das soll auch der Staat machen. Allerdings muss er nicht so weit gehen, dass er jede Tätigkeit bevormunden will, sondern sollte lieber sinnvolle Regeln setzen. Im Rahmen dieser Regeln können sich dann die Marktkräfte selber entfalten.

Nehmen Sie zum Beispiel die völlig verunglückte Energiewende. Diese hat man den Marktregeln ausgesetzt mit den beobachtbaren Resultaten. Das ist ein Desaster hoch drei. Kurz: Sinnvolle Regeln: ja. Dann aber bitte die Individuen, das heißt die Unternehmen und die Einzelpersonen, ihre Entscheidungen treffen lassen. Dann wird sich auch zeigen, was im Laufe der Zeit die günstigste Wahl des Energie-Mixes ist. Dies hat viel mit ökonomischer Allokation zu tun. Wenn der Staat nun meint, er wüsste das alles besser, dann kann man jetzt beobachten, was dabei herausgekommen ist und der Stromkunde darf nun bezahlen.

FreieWelt.net: Sind die Deutschen überhaupt bereit für so viel Freiheit oder sind sie es eher gewohnt dem Staat „treu hinterherzulaufen“?

Dr. Christoph Bruns: Letzteres muss man ja wohl befürchten. Wir haben sehr starke Indoktrinationen in Richtung eines starken Staates. Aus der DDR kannte man das ohnehin zu genüge – mit übrigens ebenfalls beobachtbaren Resultaten. Wer es nicht selbst miterlebt hat, schaut am besten mal ins Geschichtsbuch. Aber auch in Westdeutschland kann man das beobachten. Ich darf Sie daran erinnern, wir haben wesentlich mehr Lebensversicherungsverträge als Menschen in der Bundesrepublik. Dies ist ein Zeichen der Überversicherungsmentalität, welche leider auch zu der Staatsorientierung führt. Das ist ein Problem und da bin ich eher skeptisch. Hier könnten wir von den USA einiges lernen. Da gibt es manch staatliche Beglückung nicht und trotzdem ist das Land nicht nur schlecht damit gefahren.

FreieWelt.net: Welche Verbindung besteht zwischen Freiheit und Wohlstand?

Dr. Christoph Bruns: Wenn Sie gefragt hätten, welche Verbindung zwischen Freiheit und Glück besteht, hätte ich sofort gesagt, „Eine sehr große Verbindung“. Glück und Wohlstand ist nicht notwendigerweise das gleiche. Ich kenne Leute, die leben vergleichsweise bedürfnisarm, aber sehr glücklich, weil sie frei sind. Ich glaube, dass wir eine sehr positive Verbindung zwischen beidem haben. Wir haben heutzutage das Problem, das man meint, man braucht Wohlstand, um glücklich zu sein. Der Wohlstand, wenn er nur in Unfreiheit zelebriert werden kann, macht nicht glücklich. Die Freiheit ist also eine Voraussetzung. Aber dafür muss der Mensch erst einmal mit sich selber im Reinen sein. Es kann ja sein, dass viele Menschen tatsächlich lieber Sklaven sein wollen, solange die Tröge mit Milch und Brot durch den Staat aufgefüllt werden. Dazu gehöre ich nicht.

FreieWelt.net: Kann man heutzutage als Mensch in einer Gesellschaft überhaupt noch frei sein oder besteht immer eine Art Abhängigkeitsverhältnis?

Dr. Christoph Bruns: Letzteres besteht selbstverständlich. Der Mensch braucht auch Regeln im Zusammenleben. Nehmen wir beispielsweise Straßen. Wir brauchen Ampeln, sonst fährt jeder immer weiter und keiner stoppt für den anderen. Regeln sind schon sinnvoll. Es ist eine Frage der Dimensionen. Muss man alles regeln? Muss man zum Beispiel Vorschriften über die Kleidung, in welcher man morgens aus dem Haus geht, machen oder soll der Mensch das noch selber entscheiden können? Sie sehen an dem Beispiel ganz gut, es gibt Bereiche, da braucht der Staat die Dinge gar nicht regeln und ich meine, er regelt viel zu viel. Freiheit macht glücklich und gibt dem Menschen Sinn sowie Selbstbestimmung. So kann er zu sich sagen, „Dies habe ich gewollt und das nicht. Ich habe diesen Weg bewusst gewählt und kann mit mir zufrieden sein, dass ich meinen eigenen Weg gehe und nicht Sklave des Staates bin“. Wir brauchen folglich einen Staat und Regeln, aber keine Überregulierung, welche vorherrscht.

FreieWelt.net: Wieviel Liberalismus sehen Sie momentan in der deutschen Politik und Wirtschaft verankert und ist dieser seit dem Scheitern der FDP in Gefahr?

Dr. Christoph Bruns: Die FDP war ja nur ein sehr halbkräftiger Vertreter des Liberalismus. Das muss man bedauernswerterweise gleich hinzufügen. Die Krise der FDP ist aber eine Chance für einen Neubeginn und eine Neuausrichtung beziehungsweise Rückbesinnung auf einen stärkeren Liberalismus. Ich sehe diesen in keiner anderen Partei Deutschlands weiter vertreten. Wir wollen uns aber nicht täuschen. Der Wohlstand wird gerade auch durch wirtschaftliche Freiheit – oder nennen wir es mal „marktwirtschaftliche Betätigung in Freiheit“ – erzielt. Ich sehe sehr wohl, dass die Unternehmen zunehmend im Ausland investieren. Diese Woche hieß es, BMW hat sein größtes Werk jetzt gerade in den USA, in Alabama, errichtet. Letzte Woche hieß es, BASF investiert nicht mehr überwiegend in Europa, sondern außerhalb. Die Liste ist lang. Ich könnte das noch fortsetzen. Wir müssen nur aufpassen, denn es gibt Gründe hierfür. Wenn sie bei uns alles verbieten, bedeutet das meist auch einen Wohlstandsverzicht. Mein präferierter Weg ist dies nicht. Ich denke, man sollte den Leuten ihre Freiheit lassen, dann werden sie den richtigen Weg zum Wohle der Allgemeinheit schon finden.

FreieWelt.net: Vielen Dank für das Gespräch.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang