Prof. Dr. Helga Luckenbach Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der AfD

»Die gegenwärtige Euro-Politik verletzt das Demokratieprinzip« (3. Teil)

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Interview mit Prof. Dr. Helga Luckenbach (3. Teil)

Die Gründung der Alternative für Deutschland war eine Reaktion auf das Unvermögen der Politik, die selbstverschuldete Eurokrise zu lösen. FreieWelt.net sprach mit Professor Helga Luckenbach, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der AfD, über den Ursprung des Euro-Desasters und die Vorschläge der AfD zur Zukunft des europäischen Währungsgebiets.

FreieWelt.net: Jetzt ist die AfD angetreten, das Problem anzugehen. Doch die AfD wird immer wieder als europafeindlich dargestellt. Hat diese Behauptung vielleicht einen wahren Kern?

Helga Luckenbach: Nein, absolut nicht! Mit diesem Ausdruck wird eine gegen die EU gerichtete Einstellung bezeichnet, die bei den Vertretern der AfD nicht zu finden ist. Im Gegenteil reklamiert die AfD, dass ein Teilstück des europäischen Integrationsprozesses suboptimal realisiert wird und deshalb den gesamten Integrationsprozess gefährdet.

Es ist das Verdienst der AfD, seit ihrer Gründung immer wieder erläutert zu haben, dass die zur ersten Säule der EU gehörende monetäre ökonomische Integration suboptimal realisiert wurde, so dass die EWU scheitern musste. Dieser Umstand beeinträchtigt nicht nur die realökonomische, sondern auch die politische Integration Europas. Wenn die AfD zum einen die verheerenden Wirkungen beschreibt, die von der EWU auf die EU und damit auf den Prozess der europäischen Integration ausgehen, und wenn sie zum anderen einen Ausweg aus diesem Fiasko zeigt, dann ist es geradezu grotesk, die AfD deshalb als europafeindlich zu bezeichnen.

Sowohl bei ihrer Diagnose der EWU-Probleme als auch bei ihren Therapie-Entwürfen kann sich die AfD übrigens in einer jahrzehntelangen wissenschaftlichen Tradition sehen: Bereits seit mehr als 20 Jahren hat eine überwältigende Anzahl von in- und ausländischen Währungsfachleuten mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die (geplante) EWU nicht die Kriterien eines optimalen Währungsgebietes erfülle und deshalb nicht gebildet werden dürfe. Bekanntlich haben sich die Aussagen und Prognosen der Wissenschaftler erfüllt.

FreieWelt.net: Zentral für die AfD ist aber doch die Kritik am Euro …

Helga Luckenbach: Die AfD kritisiert nicht den Euro, sondern die derzeitige Ausgestaltung der EWU: Da die Konvergenzkriterien von den Politikern nicht respektiert wurden, ist die EWU durch eine einheitliche Geldpolitik für völlig heterogene EWU-Mitgliedsländer gekennzeichnet.

FreieWelt.net: Was müsste die AfD tun, um als europafreundlich wahrgenommen zu werden?

Helga Luckenbach: Sie muss unermüdlich ihre Aufklärungsarbeit fortsetzen, der sie sich seit ihrer Gründung verschrieben hat. Das heißt, sie muss jedem erklären, der zuhören will und kann, dass zwar einerseits die monetäre Integration in Europa desaströs verlaufen ist, jedoch andererseits die von der AfD propagierten Kausaltherapien praktiziert werden könnten, die den EWU-bedingten Abwärtsprozess der Europäischen Integration umkehren würden.

FreieWelt.net: Die AfD ist noch jung. Kann man dennoch sagen, ob sie etwas erreicht hat?

Helga Luckenbach: Sie hat erreicht, dass sie als Alternative für Deutschland wahrgenommen und immer besser verstanden wird. Die AfD kommuniziert das politische Fiasko der EWU und propagiert wirksame Kausaltherapien, so wie dies von Europa-Freunden zu erwarten ist. Andere politische Parteien ignorieren oder verschweigen das Fiasko und überdecken es mit tödlichen Symptomtherapien, wie man dies allenfalls von Europa-Gegnern erwarten würde.

FreieWelt.net: Der Kern des europapolitischen Programms der AfD scheint mir darin zu bestehen, dass eine Stärkung der Nationalstaaten gefordert wird. Ist es nötig, dass die AfD hier ihre Programmarbeit weiterführt und in welche Richtung sollte sie dabei gehen?

Helga Luckenbach: Der Ausdruck »Stärkung der Nationalstaaten« trifft nicht den Kern des europapolitischen Programms der AfD. Gemeint ist vielmehr, dass – um den Wohlstand in allen EU-Ländern zu steigern – große Bereiche der auf EU-Ebene praktizierten politischen und wirtschaftspolitischen Aktivitäten auf die nationalstaatliche Ebene zurückverlagert werden müssen. Dies ergibt sich aus dem im Vertrag von Maastricht bereits 1992 verankerten Subsidiaritätsprinzip, welches seither in Europa immer wieder missachtet wird.

Das Subsidiaritätsprinzip ist eine Ordnungsnorm, welche die Zuständigkeit öffentlicher Institutionen regelt. Danach hat sich die Politik auf europäischer Ebene von allen Aufgaben fernzuhalten, die effizienter auf nationaler Ebene erledigt werden können. Entsprechend gilt, dass die Übertragung bestimmter Aktionsbereiche von den Nationalstaaten auf die EU-Ebene nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn der betrachtete Aktionsbereich auf der übergeordneten Ebene effizienter erledigt werden kann als auf der untergeordneten Ebene. Diese Bedingung ist für die meisten der auf EU-Ebene betriebenen ökonomischen Aktivitäten nicht erfüllt. Sie gilt zum Beispiel weder für die schon seit 1968 praktizierte Gemeinsame Agrarpolitik noch für die Flut späterer Vorschriften, in denen die (Europa)-Politiker nicht davor zurückschreckten, sich zu Bananenkrümmungen und Glühbirnen mit bindender Wirkung zu äußern.

Wegen der weitestgehenden Missachtung des Subsidiaritätsprinzips ist Europa zu einem Integrationsraum geworden, der unter einem Übermaß an Zentralismus leidet. Dabei ist die Missachtung der durch das Subsidiaritätsprinzip verkörperten Ordnungsnorm nur historisch zu erklären: Der europäische Integrationsprozess wurde nach dem zweiten Weltkrieg von der Furcht getrieben, Deutschland würde einen dritten Weltkrieg beginnen. Das Verhütungsmittel sah man in der Zentralisierung kriegsrelevanter Produktionsbereiche. Deshalb stand am Anfang der realökonomischen Integration die 1952 gegründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion), der 1957 die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) folgte. Die aus politischen Gründen praktizierte und damals verständliche Zentralisierung beherrscht bis heute den Europäischen Integrationsprozess, so dass Europa zu einem Integrationsraum geworden ist, der unter inzwischen irrationalem und wohlstandsminderndem Zentralismus leidet. Er ist zugleich die Ursache von Bürgerferne und verbreiteter Unpopularität der Europapolitik.

Angesichts dieser Situation ist es unerlässlich, das Subsidiaritätsprinzip nicht länger zu vernachlässigen. Die Beachtung dieses Prinzips beendet den übermäßigen Zentralismus und die ineffiziente Schwächung der Nationalstaaten und ist damit zugleich die Voraussetzung dafür, dass die Politik zur Bürgernähe zurückfindet.

FreieWelt.net: Unlängst hat die AfD-Bundesführung versucht, die Programmatik auf breitere Füße zu stellen, indem sie sich zu Gesundheits- und Energiepolitik geäußert hat. Ist das der richtige Weg oder sollte sich die AfD auf wenige Kernpunkte beschränken, um ihr Profil zu wahren?

Helga Luckenbach: Ja, es ist der richtige Weg. Das »charakteristische Profil« der AfD besteht darin, dem in der Politik weit verbreiteten irrationalen Dilettantismus mit rationaler Professionalität entgegenzutreten. Dies ist nicht nur auf dem Gebiet der Währungspolitik erforderlich, sondern auch auf den Gebieten der Agrar-, Arbeitsmarkt-, Außen-, Bildungs-, Energie-, Finanz-, Gesundheits-, Rechts- und Rentenpolitik sowie auf dem Gebiet der inneren und äußeren Sicherheit.

Es gehört zum charakteristischen Profil der AfD, dass sie sich diesen Themen in der Reihenfolge abnehmender Dringlichkeit zuwendet. Deshalb war es richtig, mit der EWU-Krise zu beginnen; denn ohne deren Überwindung fehlt die materielle Grundlage, die zur Lösung anderer Probleme erforderlich ist.

FreieWelt.net: Ein Kommentator der taz meinte kürzlich, dass die AfD nur dann eine Chance hat, wenn die europäische Krise andauert. Stimmt das?

Helga Luckenbach: Welche Krise auch immer der Kommentator gemeint haben mag: Seine Aussage stimmt in keinem Falle. Die Chancen der AfD hängen nicht davon ab, ob eine Krise besteht oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob die Wähler verstehen, dass sie sich zusammen mit ihren Nachkommen in einer existenziellen Krisensituation befinden, die von den Politikern unter Umgehung des Demokratieprinzips und auf der Grundlage von Vertragsbrüchen herbeigeführt und durch Symptomtherapien zur Eskalation gebracht wurde.

FreieWelt.net: Gibt es eine realistische Chance, mit einem Thema wie der Eurokrise bei der Bundestagswahl erfolgreich zu sein?

Helga Luckenbach: Ja, diese Chance gibt es! Zwar ist die EWU-Krise nicht das Einzige Thema der AfD, aber sie ist derzeit mit Recht ihr wichtigstes Thema. Ob die AfD mit diesem Thema erfolgreich sein wird, hängt allerdings grundlegend von der Lern- und Einsichtsbereitschaft der Wähler ab, die man – vor allem in einer Krisensituation – nicht unterschätzen sollte.

FreieWelt.net: Vielen Dank für das Gespräch!

Lesen Sie auch den ersten und den zweiten Teil des Interviews!

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Christine Macel

Da glaube ich auch und bekannterweise lernt der Mensch ja erst, wenn es ihm schlechter bis schlecht geht. Ergo: es muss noch weiter nach unten gehen mit den Lebensumständen für
Menschen, die fleißig arbeiten oder gearbeitet haben , am Ende des Arbeitslebens mit wenig dastehen und sich noch diskriminieren lassen müssen. Ob beim Einkauf von unseren "Zugereisten", die sich aufführen, als wäre es ihr Staat und wir müssen betteln um Anerkennung oder auch bei den Herren/Damen aus dem Gesundheitswesen, die die Leistungen nach einem Buchstabenregister verteilen: R= Rentner hat keinen Anspruch mehr.
Es ist einfach menschenverachtend, nur profitorientiert, was sich hier abspielt. Aber das Auspressen bis auf den letzten Cent funktioniert perfekt. Jeder schaut auf sich und vergisst, das er bald der Nächste sein kann, den es betrifft.

Gravatar: Axel von Loewis

Ach ja, die Einsicht der Bürger ...! Bei etlichen Bekannten fiel mir in diesen Tagen auf, dass sie zwar interessiert und einsichtig sind, wenn man die Euro-Krise mit Fakten und Hintergründen erläutert. Große Zustimmung bei der Kritik an der Politik. Aber ein seltsames, überraschendes Zögern, sich bei der Wahl für die AfD zu entscheiden.
Der Mensch tickt erkennbar auf 2 Ebenen: der Verstand analysiert ganz klar, was zu tun ist.
Aber das Gefühl ist gefangen in Gewohnheiten, Üblichkeiten und dem Wunsch: "Keine Veränderungen". Alles soll bleiben, wie es ist. Wie der Wahlkampf Adenauer suggerierte:
"Keine Experimente".
Da liegt ein dorniger Weg vor der AfD.

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