Prof. Dr. Helga Luckenbach Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der AfD

»Die gegenwärtige Euro-Politik verletzt das Demokratieprinzip« (2. Teil)

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Interview mit Prof. Dr. Helga Luckenbach (2. Teil)

Die Gründung der Alternative für Deutschland war eine Reaktion auf das Unvermögen der Politik, die selbstverschuldete Eurokrise zu lösen. FreieWelt.net sprach mit Professor Helga Luckenbach, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der AfD, über den Ursprung des Euro-Desasters und die Vorschläge der AfD zur Zukunft des europäischen Währungsgebiets.

FreieWelt.net: Warum lehnen Sie die aktuelle Politik zur Erhaltung der EWU ab?

Helga Luckenbach: Erstens ist die so genannte Rettungspolitik undemokratisch. Dies folgt unmittelbar aus der Tatsache, dass die Rettungsmilliarden durch die Steuerzahler und Sparer der noch solventen EWU-Länder aufgebracht werden. Über die Verwendung dieser Gelder kann nur vom Parlament des jeweils betrachteten Landes entschieden werden. In der Realität wurde die relevante Entscheidung jedoch fast immer auf intergouvernementaler Ebene getroffen; das heißt, dass das Demokratieprinzip verletzt wurde.

Zweitens beruht die so genannte Rettungspolitik auf Vertragsbrüchen: Zum einen verstoßen die EZB-Rettungsaktivitäten gegen Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in dem das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verankert ist. Dieses besagt, dass die EZB nicht zur Linderung der Staatsschulden eines Landes in Anspruch genommen werden darf. Zum anderen verstoßen die Rettungsaktivitäten  der EWU-Länder gegen Artikel 125 AEUV, in dem die Nicht-Haftungs-Klausel (no bail out-Prinzip) festgeschrieben ist. Dieses Prinzip besagt, dass kein EWU-Land für die Schulden eines anderen EWU-Landes haftet.

Drittens ist die Rettungspolitik kontraproduktiv. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Tatsache, dass die Rettungspolitik nur die Symptome der Schuldenprobleme angreift, unter denen einige Peripherieländer der EWU leiden; das heißt, sie lindert den Liquiditätsmangel. Die Ursache der Schuldenprobleme, nämlich die selbst verschuldete Wettbewerbsschwäche, wird jedoch durch das Stopfen von Liquiditätslöchern nicht überwunden, sondern sie wird verschlimmert, weil sie mit den bereits erwähnten Fehlanreizen verbunden ist.

Somit führt die symptomtherapeutische Rettungspolitik zu einer Situation, die sowohl für die Schuldnerstaaten als auch für die Gläubigerländer desaströs ist:

Zunächst hat sich die Situation der zu rettenden Staaten (zum Beispiel Griechenland) durch die so genannte Rettungspolitik verschlimmert. In Griechenland stieg das Schuldenstandskriterium von 170 Prozent des BIPs (2011) auf 175 Prozent des BIPs (2013). Zugleich hat Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit, die es vor seinem Beitritt zur EWU hatte, völlig eingebüßt: Im internationalen Leistungsverkehr ist inzwischen die Türkei an die Stelle Griechenlands getreten. Die Schuldnerländer finden keinen Weg aus dem Schuldensumpf und fordern resignierend immer neue Hilfen.

Sodann sind die Retter-Staaten – zum Beispiel Deutschland – auf dem Weg, ihre Solvenz einzubüßen : Deutschland haftet im Rahmen der offiziellen und inoffiziellen Rettungspolitik in einem Ausmaß, welches die Billionenhöhe längst überschritten hat, wobei die Finanzierungszusagen der EZB im Rahmen von OMT nicht einmal berücksichtigt sind.

Zusätzlich ist Deutschland auch durch seine eigene Staatsschuld geknebelt, die das Schuldenstandskriterium der Maastrichter Vereinbarungen (unter 60 Prozent des BIPs) bereits um ein Mehrfaches überschritten hat: Seit Ende 2012 beläuft sich Deutschlands explizite Staatsschuld auf fast 82 Prozent des BIPs, und seine implizite Staatsschuld (resultierend vor allem aus Renten- und Pensionsansprüchen) ist inzwischen auf 136 Prozent des BIPs angestiegen. Mit einer Gesamtverschuldung von 218 Prozent des BIPs ist Deutschland ein hoch verschuldetes Land, dem die Politiker zusätzlich eine Hauptrolle im Rahmen der Rettungspolitik übertragen haben. Diese Situation, die von den Politikern verschwiegen wird, raubt jedem den Schlaf, der an sein Altwerden und seine Nachfahren denkt.

FreieWelt.net: Bei der gegenwärtigen Euro-Politik verlieren also alle Beteiligten?

Helga Luckenbach: Ja. Sie verletzt das Demokratieprinzip, sie beruht auf Vertragsbrüchen, sie hilft den Schuldnerstaaten nicht aus dem Abgrund, aber sie führt die Gläubigerstaaten in den Abgrund hinein. Sie verspielt also die Zukunft unserer Kinder und Enkel – unabhängig davon, ob wir einem Schuldnerstaat oder einem Gläubigerstaat angehören.

FreieWelt.net: Was schlagen Sie vor, um die bestehenden Probleme zu lösen?

Helga Luckenbach: Die symptomtherapeutische Rettungspolitik ist durch eine zielführende Kausaltherapie zu ersetzen, durch welche die Homogenisierung der EWU-Mitgliedsländer erreicht wird. Immerhin war bereits 1997 auf Betreiben Deutschlands der Stabilitäts- und Wachstumspakt abgeschlossen worden, durch den sichergestellt werden sollte, dass alle EWU-Mitgliedsländer (auch) nach vollzogenem EWU-Beitritt die Konvergenzkriterien erfüllten, insbesondere auch jene Kriterien, welche die Haushaltsdisziplin betreffen. Das Ziel des Paktes wurde jedoch nicht erreicht, weil für den Fall einer Verletzung der Kriterien (und damit auch des Paktes) kein automatisch einsetzender Sanktionsmechanismus vorgesehen worden war. Die Politiker haben also weder vor dem EWU-Beitritt eines Landes noch nach vollzogenem EWU-Beitritt dieses Landes auf der Erfüllung dieser Konvergenzkriterien bestanden und somit den Weg zur geradlinigen Kausaltherapie verschüttet. Stattdessen begaben sie sich auf den Irrweg einer chaotischen Symptomtherapie, die sie zur sogenannten Rettungspolitik hochstilisierten.

FreieWelt.net: Was müssen die verantwortlichen Politiker jetzt tun?

Helga Luckenbach: Unerlässlich ist die konsequente Hinwendung zur zielführenden Kausaltherapie, was zugleich eine Rückkehr zu den Maastricht-Kriterien und zu Artikel 123 und Artikel 125 AEUV (Verbot monetärer Staatsfinanzierung einerseits und Nicht-Haftungs-Klausel andererseits) erfordert; das heißt: Die vertragswidrige Rettungspolitik ist einzustellen. Davon gehen heilsame Wirkungen aus, die sowohl die Schuldnerstaaten als auch die Gläubigerstaaten wieder aufblühen lassen: Die Schuldnerstaaten werden – wenn sie von den Gläubigerstaaten nicht mehr mit Liquidität versorgt werden – aus der EWU austreten; das heißt die Nicht-Haftungs-Regel erweist sich als implizite Austrittsregel, die es dem betrachteten Land gestattet, seine Wettbewerbsfähigkeit durch externe Abwertung zurück zu gewinnen, was der leichtere und schnellere Weg zum Ziel ist: Als Nichtmitglied der EWU kann ein Schuldnerstaat (zum Beispiel Griechenland) seine eigene Währung abwerten und dadurch vergleichsweise rasch wieder wettbewerbsfähig werden.

Die verbliebenen EWU-Staaten müssen prüfen, ob sie in ihrer Gesamtheit die Konvergenzkriterien erfüllen (dann wären sie zugleich Mitglieder eines optimalen Euro-Währungsgebietes) oder ob sie die Kriterien nicht erfüllen. Im letzteren Falle müssten sie prüfen, ob sie vielleicht mit einer kleineren Ländergruppe einen optimalen Währungsraum darstellen, oder ob es unumgänglich ist, zur eigenen Währung zurückzukehren.

Nach den Erfahrungen mit der derzeitigen EWU-Krise und der unsäglichen, auf Vertragsverletzungen beruhenden Rettungspolitik liegt auf der Hand, dass die Vereinbarungen von Maastricht dringend einer Ergänzung bedürfen: Jede Verletzung der Maastricht-Kriterien und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union muss automatische Sanktionen nach sich ziehen, damit wir und unsere Nachkommen vor neuen willkürlichen Regel- und Vertragsverletzungen unserer Politiker geschützt sind, welche die Zukunft Europas untergraben.

Morgen folgt der dritte und abschließende teil des Interviews.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Anarchist

Menschenrechte und demokratisches Prinzip in unseren Obrigkeitsstaaten.

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(...)

Der Satan selbst ist der Großmeister aller Politik. Politiker sind die Stellvertreter Satans auf Erden und die Richter sind ihre Knechte. Ihre Aufgabe ist es, Unrecht als Recht zu verkaufen und aus gewissenhaften Menschen unkritische Befehlsempfänger zu machen. Jakob Lorber, Prophet (1800 - 1864). Infos im Internet. Wenn es Satan gibt, dann wird das wohl stimmen.

PS:
Äußerung „BRD ist ein Irrenhaus“ ist erlaubt. Änderung, Weiterverbreitung und Löschung des Textes erlaubt.

(Anm. d. Red.: gekürzt)

Gravatar: Elke Kressin-Lother

die einzige Möglichkeit die vertragsbrüchige Euro-Politik der großen Parteien einzustellen, besteht in einer Wahlalternative . CDU SPD Grüne unterscheiden sich in der Euro-Politik kaum.
Der Verschwendung von Steuergeledern, die wir dringend selber benötigen, muss einhalt geboten werden. Die Hilfsgeleder werden zum Lückenstopfn von Haushaltslöchern bei den Eurostaaten verwendet und bei den Hilfsgeldern für die Banken wurden zweckentfremdet neue Risiken aufgebaut. Das unkontrollierte Geldverteilen an die überschuldeten Euroländer ist ein Blindgänger der Politik, die hilflos einer nie erwarteten Eurokrise gegenüber steht. Aus Angst macht man die größten Fehler, weil der Mut für innovative Lösungen abhanden gekommen ist.
DAs Wort alternativlos sagt alles ....

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