Zypern führt multiple Wechselkurse ein

Das Wichtigste sei, daß die Währungsunion nicht zerbrochen ist. So klingt die Überschrift über das euro-politische Loblied auf die Zypern.

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Das Wichtigste sei, daß die Währungsunion nicht zerbrochen ist. So klingt die Überschrift über das euro-politische Loblied auf die Zypern-„Rettung“, wie man es im offiziellen Berlin und Brüssel wieder einmal singt. Zwar nicht mehr – wie bisher immer – in strahlendem Dur, sondern eher im verhaltenen Moll, weil doch lösungstechnisch so viel schief gelaufen ist.

Die Währungsunion dürfe nicht zerbrechen, auch nicht wegen Zypern, damit die Vergangenheit der ökonomisch schädlichen Auf- und Abwertungen der Mitgliedswährungen untereinander nicht wieder auflebe und den Währungsverbund sprenge. Obwohl diese Philosophie als polit-ökonomisches Mantra alle Rettungsaktivitäten „alternativlos“ überwölbt, ist mit Zypern genau das passiert, was man  für die Krisenländer offiziell verhindern will: die Währungsabwertung.

Wieso hat Zypern denn abgewertet? Die Erklärung ist einfach. Zwar ist der „Zypern-Euro“ nach wie vor implizit mit 1:1 gegenüber den anderen „Mitglieds-Euros“ offiziell bewertet, aber die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, die die freie Verfügbarkeit über die in Euro denominierten Einlagen bei zyprischen Banken einschränken, wirken für die Inhaber der Konten de facto  wie eine Abwertung ihrer Euro-Zahlungsmittel gegenüber dem Ausland.

So entspricht ein totales Verbot von Überweisungen ins Ausland für die betroffenen Konteninhaber einem Abwertungssatz von 100 %, also einer totalen Kaufkraftenteignung in Bezug auf Auslandsdispositionen. Differenzierte Ausgestaltungen dieses Verbots in Bezug auf Inhaber (reich oder arm), Zeitperiode (nur übers Wochenende oder für längere Zeit), Höhe der Überweisungsbeträge (ab zwanzig- oder hunderttausend Euro o. ä.), Zweck der Auslandsüberweisung (Bezahlung eines Handelsgeschäfts, Direkt- oder Portfolioinvestition, reiner Finanztransfer u. ä.) implizieren dann differenzierte Abwertungsraten, also multiple implizite Wechselkurse zwischen dem „zyprischen“ Euro und den anderen „nationalen“ Euros der Währungsunion sowie gegenüber Drittwährungen. Wenn nicht nur die Auslandsüberweisungen, sondern zudem noch, wie in Zypern,  inländische Bargeldabhebungsbeschränkungen administriert werden, dann existieren auch implizite multiple Wechselkurse innerhalb des Landes zwischen Euro-Bargeld und Euro-Buchgeld. Politisch initiierte multiple Wechselkurse beinhalten stets politische Willkür, sie generieren ideenreiche Umgehungsstrategien der Kapitaldisponenten, sie bedingen einen mächtigen administrativen Kontrollapparat, sie fördern Korruption und illegalen Mißbrauch von Insiderwissen. Dies alles steht zurzeit in Zypern in voller Blüte, und es wird noch schlimmer kommen, wenn die Kapitalverkehrsbeschränkungen nicht alsbald wieder aufgehoben werden. Verhängnisvoll wäre es also, wenn sie – wie wohl geplant – für ein Jahr oder mehr strategisch angedacht werden.

Nach Artikel 63 AEUV sind Beschränkungen des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs in der EU verboten. Diese Vorschrift repräsentiert eine gute konstitutionenökonomische Regel für eine der vier Binnenmarktfreiheiten, die nun nicht mehr in der EU verlässlich gilt. Da hilft auch nicht der Artikel 65,3 AEUV, der die Außerkraftsetzung der Freiheit des Kapitalverkehrs erlaubt „zum Schutz der öffentlichen Ordnung“. Eine solche Klausel ist ein Freibrief für politisch willkürlich begründete Eingriffsrechte. Hätten die politischen Manager Zyperns den Schutz der öffentlichen Ordnung bereits vor Jahren tatsächlich im Auge gehabt, dann hätten sie das zypriotische Banken-Geschäftsmodell nicht in ein Fahrwasser lenken dürfen, das durch Überexpansion, Risikoblindheit, Geldwäsche und Illegalität mächtig durchströmt ist, der „öffentlichen Ordnung“ also alles andere als „Schutz“, sondern das glatte Gegenteil, nämlich den Zerfall, gegeben hat.

Zu welcher Willkür die Berufung  auf Artikel 65,3 AEUV durch die zyprische Politik führt, zeigt ein in der letzten Woche verabschiedetes Gesetz, das es der Zentralbank erlaubt, nicht nur die Bargeldabhebung zu begrenzen, sondern auch langfristige Kündigungsfristen für die Auflösung von Konten festzulegen. Darüber hinaus kann die Zentralbank per Dekret auch Girokonten zu Termineinlagen erklären, den Überweisungsverkehr beliebig einschränken und jede andere Kontrollmaßnahme verfügen, die vom Finanzminister oder Zentralbankgouverneur „unter den gegebenen Umständen (sic!) für notwendig gehalten wird, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten“.

Die Folge einer solchen Politik der willkürlichen Gestaltung impliziter multipler Wechselkurse in Abwertungsrichtung ist immer ein massiver Vertrauensschwund in die eigene Währung, der sich regelmäßig nicht in verminderter, sondern in erhöhter Kapitalflucht ins Ausland niederschlägt. Diese Politik bewirkt mithin das Gegenteil dessen, was man mit ihr bezweckt. Politiker sprechen stets warnend von negativen  „Ansteckungseffekten“ innerhalb der Euro-Zone, die man vermeiden müsse. Die mit EU-offizieller Unterstützung  vorgenommene Zypern-Zuflucht zur Willkür von Kapitalverkehrskontrollen, insbesondere wenn diese als für andere Krisenländer exemplarisch empfohlen werden, wirkt mit Sicherheit ansteckend auf den Vertrauensschwund der Kapitaldisponenten in Bezug auf ihre Engagements in der gesamten Euro-Zone. Sie werden sich zunehmend zurückhalten, was in der Tendenz einer US-Dollar-Aufwertung zu Hilfe kommt.

Im Nachhinein kann die „öffentliche Ordnung“ in Zypern glaubhaft nur dadurch wiederhergestellt werden, daß nach kürzester Zeit die Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben, die politisch willkürlichen multiplen Wechselkurse also wieder abgeschafft werden. Da dies vermutlich nicht passiert, wird Zypern für längere Zeit Schwierigkeiten haben, über den internationalen Kapitalmarkt Auslandskapital zu attrahieren: Barriers to exit are barriers to entry.

Die Binnenmarktintegration, die angeblich durch nominale Wechselkursänderungen nationaler EU-Währungen gestört und deshalb durch eine vermeintlich wechselkurslose Gemeinschaftswährung befördert werde, erhält also durch die zyprische Abwertungs-Lösung eine verheerende Gegenbewegung. Dies vor allem deshalb, weil nunmehr der Bann gebrochen ist für weitere Beschränkungen des Kapitalverkehrs zum Beispiel durch jene Krisenländer der Euro-Zone, deren Banken- und Staateninsolvenz  in Kürze bevorsteht, die dann aber wohl durch dieselbe Philosophie verhindert werden soll, daß nämlich die Euro-Zone „auf  jeden Fall“ zusammengehalten werden müsse.

Auch hier wird stets vor dem negativen „Ansteckungseffekt“ auf andere Länder gewarnt, den es zu verhindern gelte, wenn ein Land die Euro-Zone als erstes verließe. Das ist eine falsche Warnung, denn umgekehrt wird ein Schuh draus: Verläßt ein Land wie Zypern die Euro-Zone nicht, obwohl es aufgrund seiner ökonomischen Performance dort nicht hineingehört, und greift in seiner Rettungsnot zur Willkür durch Kapitalverkehrskontrollen, die dann auch noch durch EU, EZB und IWF abgesegnet werden, dann ist der negative Ansteckungs-Bann gebrochen für andere Länder in der Euro-Zone, es Zypern gleichzutun und gleichwohl „gerettet“ zu werden. Die Umsetzung der grandiosen Idee der vier Binnenmarktfreiheiten in der EU wird dann zunehmend erodieren.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf wirtschaftlichefreiheit.de

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