Xavier Naidoo: Warum der ESC zum Politikum wird

Aus dem vermutlich besten Pop-Sänger Deutschlands Xavier Naidoo wurde ein „umstrittener“ Sänger, der im Verdacht steht, homophob und rechts zu sein. Deshalb darf er Deutschland nicht beim ESC vertreten. Künstlerkollegen attestieren dem NDR nun mangelndes Demokratieverständnis.

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So viel Anlass zum Kopfschütteln war selten. Für die, die es nicht mitbekommen haben sollten, hier nur mal in Kürze: Die ARD hatte den Sänger Xavier Naidoo, bekannt sowohl als Solist als auch als Mitglied der Gruppe „Söhne Mannheims“, als deutschen Act des European Song Contest (ESC) nominiert. Nachdem man in den vergangenen Jahren mit per Umfrage gewählten Vertretern Deutschlands – sagen wir mal – durchwachsene Erfahrungen gemacht hat, wollte man sich offensichtlich auf die eigene Expertise verlassen. Ruckzuck waren aber die Bedenkenträger zur Stelle: Hatte Naidoo nicht mal eine spontane Rede in Berlin bei den Reichsbürgern gehalten und behauptet, die Bundesrepublik als solche existiere gar nicht? Und gab es nicht mal ein Lied, in dem er gegen Kindesmissbrauch Stellung genommen hatte, und das manche als Angriff auf Homosexuelle gewertet hatten?

Und schon wurde aus dem vermutlich besten Pop-Sänger (jedenfalls stimmlich) Deutschlands ein „umstrittener“ Sänger, der im Verdacht steht, homophob und rechts zu sein. Zack, die Klappe fällt, und der NDR zieht als verantwortlicher Sender die Nominierung zurück. Allerdings nicht ohne des Hinweis, dass man nicht glaube, dass an den Vorwürfen etwas dran sei, man habe aber die potenziellen Reaktionen unterschätzt und wolle dem ESC durch die Nominierung Naidoos nicht schaden. Das Eingeständnis des völligen Fehlens eines wie auch immer gestaltenen Rückgrats!

Dafür kommt jetzt die Retourkutsche: Künstler wie Til Schweiger und Michael Mittermeier oder andere Musiker wie Rea Garvey und Sascha, allesamt eher unverdächtig, stellen sich demonstrativ hinter Naidoo, selbst linke Zeitungen wie die taz attestieren dem NDR mangelndes Demokratieverständnis. Und in der Tat kann man jetzt mit Spannung erwarten, welche Stimme denn nach welchem Verfahren nun als Vertreter Deutschlands beim ESC ausgesucht werden wird. Der oder die wird jedenfalls ein dickes Fell brauchen: Mit der Stimmgewalt eines Xavier Naidoo wollen sich vermutlich die wenigsten verglichen wissen.

Als Außenstehender fragt man sich allerdings schon, was eigentlich passiert ist, seit Nicole mal ihr „bisschen Frieden“ geträllert hat, in der Zeit des kalten Krieges, auf einem Höckerchen mit Gitarre sitzend. Vielleicht verklärt das die Vergangenheit, aber es will mir scheinen, der ESC ist seither derart politisiert, wie man sich das damals kaum vorstellen konnte. Es war mal ein Gesangswettbewerb, genauer Schlagerwettbewerb, bei dem europäische Sängerinnen und Sänger gegeneinander antraten und sich dem Urteil anderer Nationen stellten. Mit dem zwischenzeitlichen Niedergang des Schlagers drohte auch der ESC zur Lachnummer zu werden, in Deutschland personifiziert durch Guildo Horn oder Stefan Raab, die aber immerhin die Bühne noch ganz unpolitisch („Guildo hat Euch lieb“ und „Waddehaddeduddeda“) rockten. Vielleicht war es eine Gegenreaktion der Schlagersternchen, die endlich ernst genommen werden wollten, die dazu geführt haben, dass aus einem harmlosen Sängerwettstreit ein Politikum geworden ist, in dem Sängerinnen mancher Staaten Propaganda vorgeworfen wird, während ein(e) Conchita Wurst als Inbegriff der Toleranz gefeiert wird, deren Botschaft man gefälligst nicht zu widersprechen habe.

Möglicherweise ist es genau dieser Kontrast der jetzt deutlich wird, wenn ein Sänger hätte antreten sollen, der die Toleranz der Toleranten am weitesten herausfordert: Über seinen Auftritt bei den „Reichsbürgern“ kann man streiten, ihn ob der Aussage, es gäbe seit dem 2. Weltkrieg kein freies Deutschland, in die rechte Ecke stellen zu wollen, ist aber zumindest nicht stringent argumentiert. Vielleicht ist es eher etwas ganz anderes, vor dem zumindest die lautesten Lobbygruppen in diesem Land Angst haben: Im Lied „Die Wahrheit“ seines Projektes „Straßenunterhaltungsdienst“ empfiehlt Naidoo mit den Worten „So seh ich’s auch“ die Lektüre des libertären Denkers Murray Rothbard und Oliver Janich. Zu dessen Buch „Die Vereinigten Staaten von Europa“ habe ich schon mal was geschrieben, nicht unbedingt positiv, was aber generell bei Naidoo auffällt ist die Regierungskritik gegen rechts wie links und die Bezüge zur Freiheit. Hat sich da in den traditionell eher links orientierten Musikbetrieb ein Libertärer eingeschlichen, dessen Botschaften man lieber nicht hören möchte?

Der Libertäre an sich entzieht sich den Kategorisierungen von links und rechts: Wenn er etwas auf sich hält, kann er mit jeder politischen Einstellung leben, so lange die sich nicht auf Kosten der Freiheit durchsetzt: Sollen doch die Sozialisten einen Staat gründen, wenn sie niemanden zwingen, bei diesem Unsinn mitzumachen! Gleiches gilt natürlich auch für nationale Sozialisten! Die politische Linke, die das Prinzip der Freiheit eigentlich für sich gepachtet hatte – im Gegensatz zum angeblichen politischen Korsett der Rechten – sieht sich mit den wahren Liberalen (also in Abgrenzung zur FDP in Deutschland) einer Kraft gegenüber, die im politischen Proporz klein ist, aber deutlich macht, wie wenig linke Politik eigentlich mit Freiheit zu tun hat, wie totalitär der Anspruch auf Toleranz auftritt. Da ist man schnell versucht, mit der Nazi-Keule zuzuschlagen und den ultimativen Vorwurf, die Neutronenbombe im gesellschaftlichen Streit hervorzuholen: den der Homophobie.

Nun sind solche „Argumente“ immer so gut, wie diejenigen, die sie zu akzeptieren bereit sind. Auch das ist ein Wettstreit, einer der politischen Ideen, und dass da mit harten Bandagen, bisweilen auch unfair gekämpft wird, wundert einen kaum. Man kann das bedauern, ist aber letztlich dazu aufgefordert, dagegen zu halten, damit totalitäre Kräfte der Parteien nicht den Durchbruch schaffen. Da stimmt es einerseits hoffnungsvoll, dass das Absetzen Naidoos jetzt flächendeckenden Widerspruch hervorruft (auch von politischen Linken, die noch nicht gegen Vernunft geimpft sind). Andererseits beziehen weite Teile der Gesellschaft ihre politische Einstellung und Bildung aus öffentlich-rechtlichen Sendern wie dem NDR. Wenn der hinsichtlich der Besetzung eines Gesangswettbewerbs vor einem lautstarken Mob einknickt, welche Botschaft sendet das aus?

Machen wir uns nicht vor: Die Wenigsten sehen das Vorgehen des Senders als weiteres Argument für die Abschaffung, mindestens drastische Einschränkung, des ÖR-Rundfunks. Hier wird knallhart Politik gemacht, und die Mehrheit wird die Botschaft, was noch gesagt werden kann, und was nicht, verstanden haben.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Markus Evers

Auch wenn der Herr Naidoo nicht unbedingt mein Geschmack ist: was mich wundert, ist, daß er nichts dagegen hat, mit Guildo Horn und Konsorten in die gleiche Kiste seichten Geschmacks gesteckt zu werden. Ich hätte ihm mehr Niveau zugetraut.

Gravatar: aLuckyGuy

Ich muss leider korrigieren. Der ESC war noch nie ein Gesangs- sondern eher ein Liederwettbewerb. Das heißt, eigentlich werden nicht die Interpreten ausgezeichnet, sondern die Komponisten und Texter. Kann man leicht nachlesen in den Statuten des ESC. Leider wissen das viele Menschen nicht.
Was Xavier Naidoo betrifft, nein er ist natürlich nicht homophob und auch nicht rassistisch. Aber er ist offensichtlich auch nicht so schlau, um zu wissen das eine Person wie er natürlich ständig im öffentlichen Rampenlicht steht und damit alle Handlungen und Bemerkungen besonders gewertet werden. Und da hat Xavier Naidoo sich diesbezüglich in der Vergangenheit, sagen wir mal, nicht gerade schlau verhalten.
Abgesehen davon ist er zwar ein sehr guter Sänger, aber mit seinen eher religiösen Balladen dürfte er für den ESC meines Erachtens eher weniger geeignet sein.

Nun ja, und man sollte vielleicht auch nicht vergessen das der ESC mit mehr als 195 Millionen Zuschauer im Jahr 2014 das mit Abstand grösste Musikevent überhaupt ist. Ich denke, da darf man die Auswahl der Sänger ruhig mal ein wenig kritisch hinterfragen.

Gravatar: egon samu

GG für die BRD §3 Abs 3:
(3)" Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder POLITISCHEN Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

Alle "lupenreinen Demokraten" hyperventilieren. Und haben sich selbst verraten. Deutschland 2015...
Ab 2030 kommt die Scharia statt GG und Homophobie wird vorgeschrieben sein...sonst Rübe ab. Gruß an alle GrünInnen und LSBTQII-Aktivisten!

Gravatar: Jemeljan Pugatshow

Na, eigentlich finde ich die Vorgänge um Xavier Naidoo und den ESC gar nicht so schlimm. Vielmehr erhellend. Wir wissen jetzt endgültig, in welchem Land wir leben: im "schuldig bei Verdacht"-Land der "nicht hilfreich"-Kanzlerin. Punktum.
Nein, hier hat mal einer aus der Künstlerecke, die sonst eher durch Mitheulen im Chor des "alle sind Nazis, außer Mutti"- Wolfsrudels auffallen, eine Watschn bekommen. Eine klare Ansage und ein Signal: "Lauf ja nicht aus dem Ruder, denk nicht selbst, heul doch einfach weiter mit uns mit!" Gerade die "Solidarität", die ein Til Schweiger mit Naidoo zeigt, ist mir zutiefst suspekt, weil er solche Empathie-Anwandlungen eben gegenüber den "pöhsen Rächten" von Pegida o. ä. nicht aufbringen kann. Auch diese werden Tag für Tag mit den üblichen Adjektiven wie "ausländerfeindlich, rechtspopulistisch, rassistisch" durch unsere Medien überhäuft, aber da rührt sich kein Lüftchen in der "Künstlerkolonie" Deutschlands.
Nun haben sie mal das "braune Ende vom Stock" halten müssen und es schien sich ein wenig Bewegung an der Wasseroberfläche der "still ruhenden" Teiche künstlerischer Selbstgefälligkeit zu zeigen. Das wird aber nicht anhalten und schon morgen sind wieder "alle Nazis, Pack, Dunkeldeutsche", die ähnlich wie Herr Naidoo es wagen, ihr Gehirn zum Selberdenken zu benutzen und das auch medial zu erkennen geben.

Gravatar: Ian Krukow

Könnte es nicht sein, dass es einfach darum geht, dass Xavier Naidoo Christ ist und auch noch christliche Positionen vertritt, selbst wenn sie nicht dem politischen Mainstream entsprechen? Wie groß wäre wohl der Aufschrei gewesen, wenn er ein Moslem wäre, der sich mal gegen Homosexualität ausgesprochen hat?

Gravatar: Ute Hirn

Schlimm ist, daß ich diese Stromschwümmer auch noch durch den sog. Servicebeitrag bezahlen muß!
Wie lange soll das noch so weiter gehen?! Verbrecher rund um die Uhr und überall.

Gravatar: Gerd Müller

So ist das halt in Gaga-Land ......
Ändern können dies nur die Bürger selbst.
Ich meine dabei diejenigen, die selbst noch klar in der Birne sind !

Und übrigens, wenn er homophob ist, bedeutet dies daß er Angst vor Homos hat.
Das wiederum dürfte aber höchst legal sein ....

Um Gaga-Land bei solch einem „Festival“ vertreten zu dürfen, muß man wahrscheinlich ähnlich durchgeknallt sein wie einst Guildo Horn sein.
Dann ist man wahrscheinlich ein würdiger Vertreter Gaga-Lands !

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