Wie wir Griechenland und die Griechen lieben lernten

1969 fuhr ich zum ersten Mal nach Griechenland und erlebte dort die beeindruckende Gastfreundschaft der Griechen. Wenig später reiste auch ein Kollege dorthin. Er hat mir jetzt seinen Bericht gezeigt, der zeigt, dass er fast dieselben Erfahrungen wie ich gemacht hat.

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Als Hintergrund und zum Verständnis von Teil 1 und Teil 2 meiner Griechenland-Serie.

Es war 1969. Ein Beamter des damals noch existierenden Landkreises Münsingen in der Schwäbischen Alb war mit einer Griechin aus Kreta verheiratet. Ausführlich erzählte er mir, wie er damals durch den Balkan bis nach Athen fuhr, um dann einen herrlichen Urlaub in Kreta zu verbringen. Das steckte an und so machte ich mich 28jährig mit meiner Frau auf diese Abenteuerreise. Zurück im Sender in Baden-Baden erzählte ich davon meinem Freund und Kollegen Dieter Zimmer, der später als „heute-Moderator“ und Redakteur im Studio in den Wahlsendungen bekannt wurde. In diesen Tagen schickte er mir seine Reiseeindrücke von 1970, die absolut identisch sind mit meinen Erlebnissen und die zeigen, warum wir uns in Griechenland seither mehr als wohlfühlen.

Der Bericht von Dieter Zimmer:

Ihr müsst nach Aghia Galini, schwor mein Freund Günter. Das ist Griechenland, das ist Kreta pur. Also fuhren wir nach Aghia Galini. Es war leicht zu finden. Immer auf der Autopiste über Belgrad, Saloniki, Athen und Piräus, mit der Fähre nach Iraklion, dann über die Landstraße auf die Südseite von Kreta. Drei Tage Autofahrt und schon waren wir da. Aghia Galini hatte eine Hauptstraße und einen winzigen Hafen. Das war fast alles. Die letzten 20 Kilometer war die Straße noch nicht asphaltiert. An einem der Häuser stand „Hotel“. Wir fragten. Ja es gab ein Zimmer für uns. Es hatte gekalkte Wände, Betonfußboden, ein Bett, ein paar Haken an der Wand, einen Tisch und zwei Hocker. Draußen vor dem Haus gab es eine Dusche mit kaltem Wasser. Der Preis: umgerechnet sechs Mark pro Nacht. Wir zogen ein und erkundeten den Ort. In der Hauptstraße gab es verschiedene Geschäfte und eine Handvoll Lokale. In einem, unten am Hafen, aßen wir zu Mittag. Griechisch. Töpfe mit Gekochtem, warm gehalten. Wir gingen in die Küche, schauten uns alles an, zeigten mit dem Finger auf das, was wir haben wollte. Einfache Gerichte, aber köstlich. Dazu griechischer Retsina, geharzter Wein aus Blechbechern mit Henkel. Der Wirt war ziemlich alt, hieß Manoli und radebrechte mit seinen wenigen ausländischen Gästen in mindestens fünf Sprachen. Nach dem Essen gab es Baklava, griechischen Kaffee und den Standardschnaps Raki. Das ganze kostete für zwei Personen sechs Mark.

Als wir eigentlich gehen wollten, brachte uns Manoli eine große Platte mit gegrillten Fischen, Weißbrot und Wein. Wir hätten, sagten wir, doch gar nichts bestellt. Das sei richtig. Aber wir seien eingeladen von dem Herrn dort drüben. Der Herr, der aussah wie ein windgegerbter Seemann, winkte uns freundlich zu. Wir gngen hinüber und radebrechten ein wenig. Er freue sich, dass ab und zu Ausländer in ihren Ort kämen, und er wolle uns eine Freude machen. Bis zum Rand gesättigt, machten wir einen Verdauungsspaziergang am Hafen. Vor dem einzigen Cafè stand der Wirt und winkte uns heran. Die üblichen Fragen: woher, warum, wie lange? Dann lud er uns danach erst mal ein zu Torte, Wein, Kaffee. Völlig erschöpft, zogen wir uns danach in unser Zimmer zurück.

Im Haus nebenan war ein Friseursalon, bescheiden ausgestattet. Meine Frau wollte waschen und föhnen lassen. Da es kein Waschbecken gab, musste sie den Kopf aus dem Fenster halten und bekam einen Eimer kaltes Wasser darüber geschüttet. Dann gab ihr der Friseur zu verstehen, sie möge wiederkommen, sobald die Haare trocken sind.

Abends am Hafen sprach uns ein weiterer Gastwirt vor seinem Lokal an. Er habe ein ganzes Ferkel im Rohr und wir als ausländische Gäste des Ortes seien dazu eingeladen. Widerspruch zwecklos. Erst recht, als wir feststellten, dass wir beide in Hannover am selben Fließband bei VW gearbeitet hatten: er als Gastarbeiter, ich als Werkstudent. Wir aßen und tranken Wein, solange es ging.

Auf dem Heimweg spät abends erwischte uns Manoli und ließ uns nicht gehen, ehe wir wenigstens einen gegrillten Tintenfisch gegessen hatten. Und dazu selbstverständlich auch wieder Wein. Als wir zahlen wollten, vertröstete er uns: Du zahl morgen!  Natürlich. Wir sollten ja wiederkommen. Am Ende des Abends waren wir fix und fertig.

Wir blieben eine ganze Woche. Wahrscheinlich haben wir in dieser Zeit alles probiert, was es in Aghia Galini zu essen und zu trinken gab. Manchmal gelang es uns, zu zahlen.

An einem Abend war Kino. Ein klappriger Lieferwagen fuhr vor dem größten Lokal des Ortes vor. Auf seiner Ladefläche war ein Filmprojektor installiert. An der Stirnwand des Lokals wurde ein großes Bettlaken aufgespannt. Die Bevölkerung lief zusammen und kam auf Eseln geritten. Sie trugen Sonntagskleidung. Kino war Feiertag. Gegeben wurde eine hochdramatische Herz-Schmerz-Schnulze, das Publikum war tief beeindruckt. Der Film riss ungefähr siebenmal und musste geklebt werden. Zeit zum Nachschenken. Unser Entschluss stand fest: Wir fahren eine Zeitlang über die Insel, aber dann kommen wir nochmal zurück. Aghia Galini war uns richtig ans Herz gewachsen. Als wir dem alten Manoli unseren Plan mitteilten und die Rechnung haben wollten, meinte er: Du zahlen, wenn zurück. So haben wir es gemacht.

Soweit die Erzählung meines Freundes Dieter Zimmer, die sich völlig meinen Erlebnissen ein Jahr davor deckte. Alles schon lange her? Vorletztes Jahr waren wir wieder einmal in unserem kleinen Fischerdorf in Nordgriechenland. Der Wirt hieß Georgios – aber es war immer noch wie Manoli vor über 40 Jahren.  Bezahlt wurde höchstens einmal in der Woche und das war dann mit vielem Extrawein und anderen geschenkten Leckereien verbunden. Nie wurde auch nur ein Cent zu viel berechnet.

Sie wollen nun wissen, wo es das noch gibt? Das verrate ich nicht. Nach Dieter immer fuhren noch viele Kollegen des SWF nach Aghia Galini. Der Ort steht jetzt in jedem Reiseführer und bietet Hotels an, von denen ich mir gar nicht vorstellen kann, wie sie in das enge Tal passen. Dieses Mal bin ich egoistisch. Übrigens: In „unserem“ Fischerdorf haben sie nicht für Tsipras gestimmt

Zuerst erschienen auf achgut.com

 

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