Gestern war ich Gast auf der Buchvorstellung eines Bekannten, der seine Erlebnisse als Journalist in Ostafrika zu Papier brachte.
Das Publikum setzte sich im Wesentlichen aus links-bürgerlichen Ethno-, Kultur-, Öko-Liebhabern ("Bionade-Bourgeoisie") zusammen, man genoss Rotwein bei spannenden Geschichten, die bei so manchem einen wohligen Schauer der Betroffenheit auslösten. (Pausengespräch mit Schott-Zwiesel in der Hand: "Lampedusa! Eine Tragödie, ein Skandal! Man müsste sofort..., nein besser, der Staat muss...!" *schlürf) Soweit so alltäglich, Großstadt-Literaturabend.
Dann berichtete der Autor allerdings in einer Anekdote von der ungebrochenen Popularität verschiedener "Heiliger Wasser" oder auch "Geist-Wasser". Von diesem Wasser in Flakons, das sich von "Wasser" in nichts unterscheidet - außer, dass es von einem Schamanen, Priester oder jemandem entsprechender Profession "besprochen" wurde, und im Preis freilich -, versprächen sich selbst Vertreter der neuen, westlich-orientierten Mittelschicht Heilung für die verschiedensten Krankheiten - bis hin zu Krebs. Noch dazu seien sie von der Wirkung tatsächlich felsenfest überzeugt.
Hatte man im Publikum bis dahin nur geschmunzelt angesichts soviel Naivität und Aberglaubens, so konnten sich nun zwei Damen neben mir eines gönnerhaft-herablassenden Lachens gegenüber den also im Kern immernoch "edlen Wilden" nicht mehr enthalten - soweit jedenfalls, wie es ihre politische Korrektheit und Kulturrelativismus zuließen. Allgemeine Heiterkeit im Saal.
Da prustete es gedankenversunken aus mir heraus: Heilung durch Geist-Wässerchen! Abzocke des von naturwissenschaftlicher Kenntnis Unbefleckten! Wie bei uns die Homöopathie!
Augenblicklich gefror die Miene der beiden ganzheitlichen Damen.
Ich hatte vergessen: Geisterwasser aus Äthiopien ist natürlich anerkannter Humbug, bei Homöopathie hört der Spaß aber auf.
Tiefer Schluck Rotwein. Non revoco.
PS: Das Buch kann im Übrigen ohne Einschränkung jedem empfohlen werden, der von einem vortrefflichen Erzähler einen launigen Einblick in das Äthiopien der Gegenwart erhalten möchte.
Hedemann, Der Mann, der den Tod auslacht, (DuMont Reiseabenteuer) 2013.
Vortrefflicher Sketch
Kommentare zum Artikel
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Weihwasser und Rosenkranzperlen sind in unserer so aufgeklärten Welt durch Granderwasser und Globuli ersetzt worden.
Heute ließe es man keinem Pfarrer mehr durchgehen, wenn er Reklame für Heilung durch Vorzeigen konsekrierter Hostien machte.
Der Humbug und der Aberglauben haben vor allem in der Medizin ihre Zuflucht vor der Aufklärung gefunden und schicken sich an, von dort aus wieder die Menschen in vorwissenschaftliche Zustände zurückzutreten.
Wenn wieder alle glauben, dass die Erde eine Scheibe ist, dann wird auch dass wieder einmal richtig sein!