Wer sind denn „Gefährliche Bürger“? – Versuch einer Antwort

Liane Bednarz und Christoph Giesa haben ein Buch geschrieben, das vor Allgemeinplätzen nur so strotzt. Unter „Gefährliche Bürger“ wird alles subsumiert, was den beiden nicht in das linksliberale Weltbild passt.

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Das Buch kann man nicht unbeteiligt lesen, es ist keins, das einen gänzlich kalt lassen kann. Denn wenn es erstens um Rechtsextremismus geht, dann wird heute mit den fremdenfeindlichen und teilweise gewalttätigen Aktionen vor Flüchtlingsheimen jedem klar sein, dass es dieses Problem gibt. Dabei ist noch nichts darüber gesagt, welche Relevanz es hat, es wäre aber unverantwortlich, es zu negieren. Und wenn man sich zweitens latent angesprochen fühlen muss mit dem Titel „Gefährliche Bürger“ dann ist es auch eine Herausforderung, das Buch unvoreingenommen zu lesen.

Ich habe es trotzdem versucht, und musste doch irgendwann den Gedanken aufgeben, dass ich viel Positives über das Werk schreiben werde. Denn es strotzt vor Allgemeinplätzen, die Bednarz und Giesa ansonsten den „Rechten“ oder der bzw. den von ihnen leider an keiner Stelle definierten „neuen Rechten“ gerne vorwerfen.

Da ist dann bereits zu Beginn von den Neurechten zu lesen, die einen antiliberalen völkischen Staat etablieren wollen, und es wird mal ganz schnell ohne weitere Erläuterung Sophokles zitiert, der gesagt haben soll „Die Aasfresser tragen die Pest in die Stadt“ und die Autoren fügen hinzu: „Und die Pest, das wissen wir heute, konnte jeden treffen.“  Im Weiteren des Buches habe ich mich also gefragt, wer denn hier nun die Aasfresser sind: Sollen das die Radikalen sein, die Molotowcocktails in Flüchtlingsheime werfen? Sind es rechte Demagogen von NPD und neueren rechten Parteien? Ist es die immer wieder im Buch gescholtene AfD, die immerhin zwischenzeitlich deutlich über 5% Wählerschaft lag, auch wenn sie es nicht in den Bundestag geschafft hat?

Oder gehören dazu auch diejenigen, die sich nicht den Mund verbieten lassen und auch zu konservativen Positionen stehen, selbst wenn diese nicht dem Mainstream entsprechen? Thilo Sarrazin darf natürlich in der Riege der Überbringer von Nachrichten, die Bednarz und Giesa so ungern kommuniziert wissen wollen genau so wenig fehlen wie Akif Pirinçci. Genannt werden aus dem katholischen Umfeld auch Matthias Matussek oder Alexander Kissler, die teilweise recht pointiert kommentieren.  Aber auch Birgit Kelle findet ihren Platz in der Reihe (weil sie mal einem nationalkonservativen Organ, der „Sezession“, ein – übrigens sehr lesenswertes – Interview gegeben hat) unter Jürgen Liminski, dem Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels oder der Journalistin und Bloggerin Barbara Wenz.

Die letzteren werden in einem Kapitel thematisiert, das überschrieben ist mit „Die rechten Christen – Wo der Hass im Namen des Herrn regiert“, und auf das ich naturgemäß besonderes Augenmerk gerichtet habe. Bednarz und Giesa vermeiden es dabei, die Angesprochenen direkt dieses Hasses zu bezichtigen, die Intention ist aber klar und wird mit einem angeführten Zitat von Andreas Püttman verstärkt: „Selbstreferenziell, selbstgerecht, selbstmitleidig, denunziatorisch, unbarmherzig und unversöhnlich bis zur Rachlust.“ Die Buchautoren geben noch erläuternd dazu: „Was für eine präzise Beschreibung der neuen Rechten, könnte man meinen. Diese Aufzählung von Andreas Püttmann bezog sich allerdings auf die Rechtskatholiken, denen er eine ’narzisstische Kirchlichkeit‘ bescheinigt. Spätestens jetzt wird klar: Da fand in den letzten Jahren zusammen, was zusammengehört. […] Die Angst vor der Hölle scheint angesichts der ‚Angst“ vor einer Islamisierung und dem anschließend vermeintlich folgenden Untergang des Abendlandes in den Hintergrund getreten zu sein. Man hat den Impuls, für manche dieser armen Seelen spontan beten zu wollen.“

Es sind derartige Herablassungen und Verallgemeinerungen von Positionen, die das Buch für einen Leser, der sich wirklich Mühe geben will, es auch selbstkritisch zu lesen, so schwer erträglich machen. Denn eben diese Selbstkritik gehen Bednarz und Giesa vollständig ab. Selbstreferenziell? Selbstgerecht? Denunziatorisch? Passt nicht schlecht dazu, dass als „Gefährliche Bürger“ alles subsumiert wird, was den beiden nicht in das linksliberale Weltbild passt.

Dabei reicht es auch schon, in einem Magazin wie der angeblich neurechten „eigentümlich frei“ (die Autoren bleiben einen stichhaltigen Beweis für diese krude Interpretation der Richtung des Magazins schuldig) oder der konservativen „Jungen Freiheit“ publiziert zu haben. Es geht den beiden offenbar nicht darum, was jemand schreibt, sondern wo. Da ich selbst für die „eigentümlich frei“ schreibe, möchte ich das Magazin hier nicht weiter verteidigen. Aber wer sich die Liste der honorigen Interviewpartner und Autoren der „Jungen Freiheit“ ansieht – darunter politische Persönlichkeiten wie Egon Bahr, Peter Glotz, Roman Herzog oder Journalistenlegende Peter Scholl-Latour  – der muss sich und auch Liande Bednarz und Christoph Giesa mit den Worten von Klaus Kelle fragen: „Sind das jetzt alles Rechtsextremisten?“

Die Autoren, allen voran Liane Bednarz, wiesen nach Veröffentlichung des Buches immer wieder darauf hin, dass es sich nicht um ein wissenschaftliches Werk handelt, sondern um eine Art „Appell an das demokratische Herz in jedem Einzelnen von uns“ (so der Umschlagtext). Dazu würde aber zumindest wesentlich gehören, zwischen den unterschiedlichen Graden von konservativer oder rechter Orientierung zu unterscheiden, genau so wie zwischen den unterschiedlichen Bedeutungen der zitierten und angegriffenen Persönlichkeiten.

Interessant ist in dem Zusammenhang was Armin Pfahl-Traughber von der Aktion „Endstation Rechts“ (ein Projekt der Jungsozialisten in der SPD Mecklenburg-Vorpommern, darum  hoffentlich unverdächtig) in einer lesenswerten Rezension unter dem Titel „Gut gemeint, aber nicht gut gelungen“ schreibt: „Die Autoren haben sich offenkundig noch nicht lange mit der Materie beschäftigt. […] Bednarz und Giesa kennen auch nicht die Fachliteratur zur intellektuellen „Neuen Rechten“ und ignorieren komplett Diskussion und Forschungsstand zum Thema. Bedeutungslose Randfiguren und relevante Protagonisten werden in einem Atemzug genannt, ohne die gesellschaftliche Relevanz und politische Wirkung näher zu gewichtigen. […] Es gibt durchaus Gefahren von rechts, nur werden diese in diesem Buch nicht besonders differenziert untersucht.“

Damit wäre eigentlich alles Notwendige über das Buch gesagt. Einige Worte aber noch zum politischen Weltbild der Autoren. Bei der Frage, wie man der/den „neuen Rechten“ denn entgegentreten könne, kommen sie unter anderem auf ein Zitat von Lucius Accius: „Mögen sie hassen, wenn sie nur fürchten“. Abgesehen davon, dass es sich dabei auch um ein Lieblingswort des – sagen wir mal eher unsympathischen – römischen Kaisers Caligula gehandelt hat, versuchen die beiden anschließend vergeblich deutlich zu machen, dass es ihnen nicht um Angst geht, nicht um die Etablierung einer erweiterten Political Correctness, die sie verbreiten möchten

Sie plädieren dafür, bestimmte Positionen zu verunmöglichen und aus dem Diskurs auszuschließen: „So wird das Tabu dadurch institutionalisiert, dass man dem ‚Man wird ja wohl noch sagen dürfen‘ ein ‚Nein, darf man nicht‘ entgegenhält ohne das damit eine irgendwie geartete juristische Konsequenz verbunden wäre.“ – Was anderes steckt da dahinter als Political Correctness?

Dazu kommt noch, dass die Autoren zumindest bei den radikalen Rechten von einem nicht weiter zu hinterfragenden Hass als Motivation ausgehen, bei dem sie sich jeder Argumentation verweigern wollen, indem sie postulieren „Hass braucht keine Begründung. Er existiert um seiner selbst willen. Deswegen ist es auch müßig, nein, sogar falsch, Gründe für den Hass zu suchen und ihm damit eine Legitimation zu geben, die er niemals besessen hat und niemals besitzen wird.“ Wunderbar hat man sich auf diese Weise der Notwendigkeit der Argumentation entledigt, den politischen Diskurs eingehegt auf opportune Thesen, die sie weit enger eingeschränkt sehen wollen, als durch rechtliche Regelungen durchsetzbar.

Vor dem Hintergrund mutet der Aufruf zu „Mehr Mut zur Meinung“ am Ende des Buchs fast zynisch an. Bednarz und Giesa ermutigen nicht zur Meinung, sie fordern lediglich auf, die in ihren Augen richtige Meinung zu vertreten. Natürlich ist es notwendig, den extremen Rechten mit einem Mut zur freiheitlichen Meinung entgegenzutreten – Ein politischer Diskurs geht aber anders als sich Bednarz und Giesa das vorstellen.

So wendet sich der Titel des Buches „Gefährliche Bürger“ am Ende sogar gegen sie: In einer politischen Welt nach den Vorstellungen von Liane Bednarz und Christoph Giesa, in der Argumente nur noch zählen, wenn sie von den richtigen Personen in den richtigen Medien und dem ihrer Ansicht nach richtigen Inhalt vorgebracht werden, verdient die Bezeichnung Demokratie nicht.

Liane Bednarz und Christoph Giesas „Gefährliche Bürger – Die neue Rechte greift nach der Mitte“ ist im August 2015 im Hanser Verlag erschienen und auch als eBook erhältlich

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Ben Goldberg

Wer 'Den kleinen Blockwart vom European' kennt, braucht zu diesen Ergüssen nichts mehr zu sagen. Vielleicht nur : wie schön, dass sie unter seinem Namen in die Geschichte eingehen werden.
Das gilt auch für die Dame, die sich für diese Schmiererei nicht zu fein war.

Gravatar: Papsttreuer

@ Gernot Radtke: Sie haben Recht, allerdings hatte ich in der Tat ein bisschen mehr an Substanz im Buch erwartet, und war - das kann ich nur behaupten, nicht beweisen - durchaus zur Selbstkritik bereit. Und wenn man vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommt, sollte man auch "ziehen" und ein bisschen tiefer gehen. Anders gesagt: Wäre letzteter Umstand nicht gewesen, hätte ich das Buch spätestens nach der Hälfte weggelegt und nie ein Rezension geschrieben. Ich hoffe, zukünftige Rezensionen werden wieder auf mehr Gegenliebe stoßen ...

Gravatar: Thomas Rießler

Angela Strauss, ich stimme mit Ihnen dahingehend überein, dass unsere Politik- und Medienlandschaft nach 1968 in zunehmendem Maße kulturrevolutionär (ich würde neomarxistisch sagen) unterwandert wurde. Als Konsequenz daraus ergibt sich, dass eine normale politische Diskussion inzwischen verunmöglicht ist. Wenn jemand heutzutage aus dieser Ecke der Kulturrevolutionäre der Diskriminierung oder des Rechtsextremismus beschuldigt wird, bedeutet dies zunächst mal gar nichts. Es kann sogar im Gegenteil darauf hindeuten, dass die beschuldigte Person ganz einfach deshalb ins Visier der politischen Sittenwächter gekommen ist, weil sie Missstände angeprangert hat, die durch die Neomarxisten verursacht wurden. Es macht nun keinen Sinn, sich selbst unter Rechtfertigungszwang zu stellen und sachlich auf die Anschuldigungen zu reagieren. Dies ist nutzlos. Auf diese Situation sollte man sich mental einstellen.

Gravatar: Andi

Hass im Namen des Herren, Angriffe auf Juden und Homosexuelle.
Bei all diesen Schlagwörtern fallen mir persönlich nur radikale Moslems ein.
Das musste ich jetzt einfach loswerden.

Gravatar: Gernot Radtke

Verehrter Herr Honerkamp, es gibt eigentlich keinen Grund, Bücher zu besprechen, deren Argumentationsniveau im ganzen nicht über tumbe Propaganda und ressentimentgeladene Diffamierungen hinauskommt, es sei denn, um beispielhaft aufzuzeigen, in welchem tristen (moralversifften) Zustand sich die dem Bürger zugedachte grünrote ‚Aufklärungs-‘ und ‚Emanzipations‘-Propaganda mittlerweile selbstzufrieden eingerichtet hat und in welchem Zustand auch ein Verlag, daß der seinen Namen, immerhin Hanser, dafür hergibt, linken Phantasten und Mainstream-Propagandisten seine Bühne zur Verfügung zu stellen. Besprechen Sie gute Bücher, die unser Verständnis der Welt erweitern, nicht belanglosen linken Traktaten- und Betroffenheitsschund! Der Satz: ‚Das Buch von XY ist einer, also auch meiner, Besprechung nicht wert‘ tut es bisweilen auch. Ein paar Adjektive (Stichworte) dazu, die den Grund bezeichnen, und genug ist es. Zum echten und ehrenhaften Duell gehört immer auch die Satisfaktionsfähigkeit.

Gravatar: Ralf Traskawka

Ich habe einfach mal den Link zu diesem "Buch" geclickt:

Wie die neue Rechte in die gesellschaftliche Mitte vorstößt – und was die Gesellschaft dagegen tun kann

"Die Pegida-Märsche und der Aufstieg der AfD sprechen eine deutliche Sprache: Es ist wieder salonfähig geworden, gegen eine vermeintliche "Überfremdung" zu wettern und Minderheiten zu diskriminieren. Gezielt werden die Ängste der bürgerlichen Mitte geschürt, um den Zorn der Wut- und Frustbürger auf die Schwächsten zu lenken: Ausländer und Homosexuelle müssen um ihre Sicherheit fürchten, Übergriffe gegen Juden nehmen zu. Wir dürfen diesem Treiben nicht länger zusehen, sondern sollten ihm mit guten Argumenten Einhalt gebieten. Liane Bednarz und Christoph Giesa analysieren, wie die neue Rechte arbeitet, welche Strategien und welche Politik sie verfolgt – und was die Gesellschaft dagegen tun kann!"

Stimmt! Alles unter einem Begriff zu subsumieren, besser verquirlen, macht es leichter die Welt zu erklären.

Was mich hier besonders ankotzt ist der Passus:

"Übergriffe gegen Juden nehmen zu"

Das Problem haben wir sauber importiert und sind gerade dabei es weiter zu verschärfen.

Gravatar: Angela Strauss

Die mit Abstand gefährlichsten deutschen BürgerInnnen aber sind die rotgrünbraunen HetzerInnen, Mobilisierungsexpertinnen und Mobilisierungsexperten, die, seit zehn Jahren von ihrer Stasi / NSA - Mutti und entsprechenden Massenmedien unterstützt oder sogar noch links überholt, einerseits öffentlich zum Missbrauch von jeder / jedem und allem einschließlich Recht, Gesetz und Verfassung auffordern, und die andererseits seit vierzig Jahren vorrangig damit beschäftigt sind, alle MitbürgerInnen, die nicht in das rotgrünbraune, scheissliberale Konzept passen, die keine Lust auf 'gut gemeinte' Humanexperimente oder nicht das passende Parteibuch haben, als MissbraucherInnen zu denunzieren und mit Scheisse zu bewerfen.

Diese rotgrünbraunen Denunziantinnen und Denunzianten, dieser Abschaum vereinter ProletArierInnen und organisiert krimineller Muschimengeles, FreizeitfreislerInnen und HobbyhitlerInnen, ganz gleich, ob und mit welcher politischen Agenda er gerade konform geht, das sind die mit Abstand größten Denunziantenschweine, die übelsten Nazis und Verfassungsfeinde und die größten Schufte im ganzen Land, die sind das Schweinesystem schlechthin.

Franz Josef Strauss hat den stinkend - kulturrevolutionären, rotgrünbraunen Sumpf schon lange vollkommen zutreffend beschrieben, so, wie Jahrzehnte später P.A.Albrecht.


(Anm. d. Red.: Link entfernt)

https://www.youtube.com/watch?v=FhjnCPYdkk0

https://www.youtube.com/watch?v=heFH_knWTAw

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