Wenn Datenschutz, dann konsequent

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Sind wir bereit, für mehr Sicherheit auf ein Stück Freiheit zu verzichten? Wir müssen uns entscheiden. Aber wir müssen auch zu den Folgen dieser Entscheidung stehen.

Wo ist wohl der Datendieb Edward Snowden? Immer noch in Moskau? Längst in Ecuador, auf Kuba oder jenseits von Afrika? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen, ist, wo sich der Mann befindet, der über mehrere Jahre hinweg in Deutschland etwa 700 Mal auf Lkw geschossen hat und dabei neben dem hohen materiellen Schaden, den er anrichtete, zwei Menschen verletzte. Dass die Fahnder den 57-Jährigen aus der Eifel vor wenigen Tagen festnehmen konnten, ist einzig und allein die Folge eines gigantischen Abgleichs von Daten – Autokennzeichen und Handyverbindungen.

Die Nutzung der Daten von Mauterfassungsgeräten war dem BKA untersagt, so wie schon einmal vor sieben Jahren. Da hatte ein Serienmörder entlang einer Autobahn mehrere Frauen getötet. Die Polizei war sicher, den Täter finden zu können, wenn sie Daten der Mautgeräte auswerten dürfe. Durfte sie aber nicht.

Wenn der aktuelle Fall Snowden etwas Gutes hat, dann, dass er uns klar macht: Wir müssen uns entscheiden, wie viel Bürgerrechte wir aufzugeben bereit sind, um mehr Sicherheit zu bekommen. Viele Leute glauben ja, in Langley/Virginia sitzen irgendwo ein paar Leute von der CIA und lesen unsere privaten Mails. Eine groteske Vorstellung, schon angesichts der Milliarden Mails und Kurznachrichten täglich.

Tatsächlich werten Computer der Geheimdienste weltweit Telekommunikationsverbindungen aus und suchen nach Auffälligkeiten. Wenn jemand in, sagen wir, Ratingen zweimal wöchentlich eine Nummer in Abbottabad, bekannt geworden als letzter Wohnort des Herrn bin Laden, anruft, nach dreimal Klingeln auflegt und zwei Minuten später zu einem ansonsten ungenutzten Mail-Konto eine Nachricht schickt, wollen unsere Terror-Abwehr-Leute das wissen und überprüfen. Zu Recht, wie ich meine.

Wenn wir aber nicht bereit sind, ihnen dieses Recht einzuräumen, weil es unsere Freiheit beeinträchtigt, dann bitte konsequent. Dann keine Daten der Einwohnermeldeämter an die GEZ, dann kein staatlicher Ankauf von Hehler-Ware schweizerischer Bankmitarbeiter. Dann auch keine Datenerfassung mehr mit Mautgeräten an Autobahnen zum konsequenten Geldkassieren. Entweder machen wir Datenschutz oder nicht.

Ich möchte nicht, dass jemand mein Telefon abhört, meine Mails liest oder meine Festplatte kopiert. Aber ich weiß auch, dass die sogenannte Sauerland-Gruppe niemals entdeckt und unschädlich gemacht worden wäre, wenn der amerikanische Geheimdienst NSA nicht global Daten sammeln würde.

Nur so konnten schwere Anschläge auch in Deutschland verhindert werden. So, wie nur durch umfangreiche Datenerfassung der Lkw-Schütze gefunden wurde.

Beitrag erschien zuerst auf: rp-online.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Anne

Ich verstehe die ganze Aufregung nicht.
Glaubt jemand im Ernst, normale private Telefonate usw. sind von Interesse, wenn es um die realistische! Sorge vor z.B. islamistischen Bombenbastlern geht....
"Ihr siebt Mücken und schluckt Kamele" wie es schon in der Bibel heißt.

Gravatar: Karin Weber

Der "Datenschutz" treibt gelegentlich aber auch seltsame Blüten: http://www.t-online.de/nachrichten/panorama/kriminalitaet/id_64406032/bremen-polizei-verpruegelt-discobesucher.html

Hier z.B. hat man zum Schutz der Diskobesucher die Überwachungskamera von dem brutalen Polizeiübergriff auf einen Wehrlosen beschlagnahmt. Nach den aufgetauchten Videos von der kürzlichen Polizeigewalt, muss man das wohl eher unter dem Aspekt der "Strafvereitelung im Amt sehen".

Währenddessen bei diesem Fall: http://www.t-online.de/regionales/id_64286018/lothar-koenig-prozess-gegen-jenaer-pfarrer-ueberraschend-geplatzt.html haben unsere Gesetzeshüter wohl mehr gefilmt, als sie vor Gericht im Interesse des unschuldigen Angeklagten bereit vorzuführen waren.

Also ich halte diese staatliche Datensammelwut zu Lasten der Privatsphäre von Bürgern völlig übertrieben. Sehe ich mir diese ganzen Videos von diesen Polizeiübergriffen an, dann muss ich mir die Frage stellen, vor wem ich mich mittlerweile mehr fürchten muss.

Gravatar: Hannes

@datei xy
Sie sagen: "Ein Staat muss seine Feinde überwachen und ausspionieren – wenn er dies auch bei seinen eigenen Staatsbürgern tut, zeigt das, daß wir alle inzwischen als potentielle Staatsfeinde angesehen werden."
Ja, das zeigt es wohl. Ich frage mich allerdings, ob die Grenzen inzwischen nicht auch sehr fließend geworden sind.

Gravatar: datei xy

Herr Kelle, wenn Sie so wollen, ist Herr Snowden ein Datendieb. Die wahren Datendiebesbanden sitzen doch aber bei den Geheimdiensten von USA und GB (und D ?). Sie bringen als Beispiel den LKW-Schützen. Sicher haben die Ermittler dabei nicht die Daten sämtlicher Bundesbürger ausgespäht, sondern nur einer eng eingegrenzten Personengruppe, die zum Profil dieses Täters passte. Sie nennen die Sauerlandgruppe. Auch in diesem Fall wird immer wieder die unbewiesene Behauptung in den Raum gestellt, daß angeblich der Anschlag nur aufgrund der globalen Datensammelwut der Amerikaner verhindert werden konnte. Es ist doch ganz grober Unfug, wenn man behauptet, die ganze Bevölkerung Deutschlands müsse eben ständig abgehört und ausgespäht werden, um Terroristen zu finden. Islamisten und Neonazis (um die es ja hauptsächlich geht) kann man auf anderem, gezielterem Wege entdecken und überwachen. Wir sind aber leider schon längst in einer unfreien Welt angekommen, die George Orwell beschrieben hat. Ein Staat muss seine Feinde überwachen und ausspionieren - wenn er dies auch bei seinen eigenen Staatsbürgern tut, zeigt das, daß wir alle inzwischen als potentielle Staatsfeinde angesehen werden. DDR und Stasi lassen grüßen.

Gravatar: Jens

Ja, Herr Kelle, Sie machen zu Recht auf die Kehrseite der Medaille aufmerksam. In diesen Tagen der Empörung über die umfangreiche Datenerfassung gerät sie zu leicht aus den Augen.

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