Was nicht paßt, wird passend gemacht...

Mir scheint, die mächtigen Eliten der Gesellschaft bedienen sich hier der Wissenschaft und der Medien, um die Gesellschaft in ihrem Bilde neu zu schaffen. Was im Sozialismus nur zu einem gewissen Grade gelang, gelingt im Namen des Kapitalismus nun wesentlich besser.

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Sehr geehrte Damen und Herren des DJI,

(sehr geehrte Frau Schwesig),

Ihre einseitige Interpretation der Ergebnisse in der DJI Studie zum Betreuungsgeld hatte in den vergangenen Tagen eine noch einseitigere Medienberichterstattung zu Folge. Wenn unwidersprochen, bedeutet dies staatlich finanzierte Unlauterkeit ersten Ranges (angesichts der Finanzierungsquellen ihres Instituts) und hat darüber hinaus in der öffentlichen Wirkung die Diffamierung von weniger gebildeten Eltern und Migranten zur Folge. Sie unterstellen mit ihrer Interpretation der Studienergebnisse allen Ernstes, dass es höchstens für Reiche und Gebildete in Ordnung sei, ihre Kinder selbst zu erziehen, anderen Eltern aber die Erziehung ihrer Kinder nicht zugetraut wird. Es scheint, als hätten die neuen Bundesländer zwar die D-Mark übernommen, die alten Bundesländer aber Schritt für Schritt das kommunistische Erziehungsideal. Doch nicht allein das: Der Umgang mit den Ergebnissen trägt auch die Züge sozialistischer Meinungsmanipulation:

Zuerst wird eine falsche Prozentzahl kommuniziert, weil nur Prozentzahlen über 50% medienwirksam sind. Siehe www.tagesspiegel.de/politik/streit-um-das-betreuungsgeld-die-tuecken-der-statistik/10261464.html Diese Zahl machte Deutschland-weit Schlagzeilen auf allen Titelseiten (Betreuungsgeld schädlich…) Dass diese Zahl schlicht falsch war, macht allerdings keine Schlagzeilen.

Darüber hinaus möchte ich einige weitere Kritikpunkte benennen:

Dass das Betreuungsgeld für Haushalte mit niedrigerem Bildungsstand (und daraus geschlossenem niedrigerem Einkommen) zunächst mal eine größere existenzielle Bedeutung hat als für Wohlhabende, ist so offensichtlich, dass es dafür keiner großangelegten Studie bedarf. Und dass Mütter, die nicht arbeitstätig sind, mit ihren Kindern zuhause Zeit verbringen, ist auch vorhersagbar. In der Tat mag der Wunsch das Kind selbst zu erziehen, der Grund dafür sein, dass sie nicht arbeitstätig sind. (Jeder Empiriker weiß, dass Korrelationen keine Kausalitäten darstellen.) Eine breitere Fragestellung zu Motivationsfaktoren (durch eine Pilotstudie ermittelt) hätte ein klareres Bild über die ausschlaggebenden Motivationen abgegeben. So aber werden Zusammenhänge aufgrund von Korrelationen geschaffen, die in der Öffentlichkeit als Kausalitäten wahrgenommen werden.

Was nun in der Berichterstattung über die Studie sträflich unterschlagen wird  - was auf ihre Interpretation der Ergebnisse zurück zu führen ist – ist, dass das Betreuungsgeld nur für 13% der Befragten Hauptgrund ist, ihre Kinder nicht in die Krippe zu schicken. (Tabelle 8.1, Seite 133) Doch da das erklärte Ziel der Studie die Überprüfung der These war, dass das Betreuungsgeld schädlich sei,  konzentrierte sich die Interpretation der Studie nun ausschließlich auf diese 13%. Aus den Ergebnissen derer ohne Schulabschluss (1,5% der Umfrageteilnehmer) und denen mit Hauptschulabschluss (11%) werden dann 31% + 22 % = öffentlichkeitswirksame 54%.

IHRE Interpretation der Studie und wie sie nun in linker Politik und den Medien aufgenommen wurde ist ein trauriger Fall unheiliger Verbrüderung von Wissenschaft und Politik. Karl Jaspers, der unter dem Eindruck des dritten Reiches ein freie Wissenschaft postuliert hat, würde sich im Grab herumdrehen, wenn er von dieser Auftragsstudie wüsste und ihrem Umgang damit.

Natürlich gibt es einen geringen Prozentsatz von prekären Familiensituationen, in denen den Kindern mit der Krippe besser gedient wäre. Das ist allerdings kein Grund dafür die Kita als das gesamtgesellschaftliche Ideal für alle zu normieren und mit wesentlich höheren Subventionen zu fördern als die Erziehung der Kinder im Familienverband. Vielmehr gilt es den Wurzeln prekärer Familiensituationen auf den Grund zu gehen und dort anzusetzen.

Natürlich gibt es einen einstelligen Prozentsatz von Migrantenfamilien, die ihren Kindern beim Deutschlernen kaum helfen können. Doch deshalb von einer Bestätigung von Befürchtungen zu sprechen, ist primär ein Beleg für die Zweckunfreiheit dieser Auftragsstudie. Denn wirklich überraschend für die Kritiker ist eigentlich, dass das Betreuungsgeld nur für so einen geringen Prozentsatz der Motivationsfaktor ist.

Wie wäre es, wenn ihr Fazit aufgrund der Daten auf Seite 136 so lauten würde:

„Alles in allem zeigen die vorliegenden Analysen, dass die Befürchtungen …  nicht gerechtfertigt scheinen. Da nur bei 13% der Befragten ein Einfluss des Betreuungsgeldes auf die Entscheidung das Kind selbst zu erziehen geltend gemacht wird, sind offensichtlich andere Faktoren ausschlaggebender. Auch wenn bei Bildungsschwachen und Migrantenfamilien der monetäre Anreiz eine etwas stärkeren Einfluss auf die Entscheidung hat, spielt dies auch in dieser Gruppe nur für ein Viertel, bzw. ein Drittel die ausschlaggebende Rolle. Angesichts dieser Ergebnisse gilt es zu untersuchen welche Faktoren sonst für die Erziehung zuhause ausschlaggebend sind. Die wichtigere Frage ist allerdings die, welche Möglichkeiten es gibt, Migrantenkinder schon früh eine Förderung in der deutschen Sprache zukommen zu lassen. Das Kitaangebot für alle scheint dafür jedenfalls ein unwirksames Mittel zu sein.“

Mir scheint, die mächtigen Eliten der Gesellschaft bedienen sich hier der Wissenschaft und der Medien, um die Gesellschaft in ihrem Bilde neu zu schaffen. Was im Sozialismus nur zu einem gewissen Grade gelang, gelingt im Namen des Kapitalismus nun wesentlich besser.

Die von den Kritikern des Betreuungsgeldes gewünschte Wirkung in der Gesellschaft wurde mit den Schlagzeilen von Montag erreicht. Denn was in Erinnerung bleibt ist: „Eine wissenschaftliche Studie hat bewiesen dass das Betreuungsgeld schädlich sei.“ Was nun an Korrektur folgte ist gesellschaftlich wirkungslos, voraussichtlich auch mein Brief. Es sei denn sie haben den Mut und veranlassen eine genauso öffentlichkeitswirksame Korrektur der Ergebnisse.

Mit freundlichen Grüßen,

 

Tobias Menges

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hannes

Wissenschaft und Medien dienen immer mehr der herrschenden politischen Klasse.
Ich misstraue schon lange den Meldungen und Darstellungen der großen Medien - und erst recht den zahllosen "wissenschaftlichen" Studien, die komischer Weise fast ausnahmslos die politische Linie dr herrschenden Parteien unterstützen.

Gravatar: Melanie

Lieber Herr Menge, ich bin begeistert von Ihrem Brief an Frau Schwesig.
Ich denke, er ist nicht wirkungslos. Die Wirkung spielt sich allerdings "nur" in kleinem, dennoch aber wichtigen Rahmen ab, nämlich den Köpfen der Leser. Von diesen erreichen Sie vielleicht mehr als Sie glauben.
Ich werde den Link zu Ihrem Artikel jedenfalls unter Freunden, Bekannten ..etc. verbreiten.

Gravatar: Waldgänger aus Schwaben

DAs Einzige was uns noch von der DDR 1.0 unterscheidet ist, dass ein solcher offener Brief, der in herausragender Weise die Lügen der Nomenklatura offen legt, erscheinen kann.

Diese Freiheit ist allerdings nicht dem guten Willen der Nomenklatura zu verdanken, sondern dem Internet. Eine Unterdrückung von unerwünschten Meinungen durch staatliche Repressionen oder Zensur ist heute schlichtweg unmöglich.

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