Warum Faymann gehen muss

warum er doch bleiben könnte

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Was hat die SPÖ noch mit der SPÖ zu tun? Absolut nichts mehr. Der einzige Kitt, der die beiden Parteien, die sich gleichlautend SPÖ nennen, zusammenhält, war die Macht. Das war das Wissen, dass jede der beiden allein noch viel schlechter dastünde. Jetzt aber, nach dem Debakel bei der Präsidentenwahl, ist der Kitt ausgetrocknet, der ja schon bei 18 Wahlniederlangen hintereinander immer schlechter gehalten hat.

Vor drei Wochen ist an dieser Stelle gestanden: „In der SPÖ ringen zwei heute komplett verschieden gewordene Fraktionen um die Vorherrschaft. Und dieser Kampf wird nach der Wahl mit voller Energie auflodern.“ Nun ist diese Prophezeiung in voller Deutlichkeit Realität geworden (die eigentlich nicht schwer gewesen ist, dennoch von vielen Mainstream-Medien lange peinlich verdrängt worden ist).

An Stelle der Genossen-Einheit voller Nostalgie an einstige Größe und an die Illusion des Sozialismus ist gegenseitiger Hass getreten. Die zwei Bewegungen treiben mit atemberaubender Geschwindigkeit auseinander. Das zeigen auch die Wählerstromanalysen zur Präsidentenwahl. Laut den Zahlen des Sora-Instituts haben von den ehemaligen SPÖ-Wählern 202.000 Van der Bellen gewählt, und 169.000 Norbert Hofer.

Eine Spaltung der SPÖ ist dennoch unwahrscheinlich

Das heißt aber auch: Jede Bewegung der Gesamtpartei nach links oder rechts würde auf der anderen Seite noch mehr Wähler vertreiben. Was resultiert daraus? Dass es trotz allem eher nicht zur Spaltung kommen wird (wie sie etwa in Griechenland oder Deutschland passiert ist), obwohl die eigentlich logisch wäre. Aber den meisten SPÖ-Akteuren ist letztlich der persönlichen Postenbehalt wichtiger als die Ideologie. Und da wäre eine Spaltung nicht hilfreich.

Kaum wahrscheinlicher sind Massenübertritte zu einer anderen Partei. Auch wenn Grün, Blau und Pink da jeweils eine gewisse Nähe haben (wobei freilich der Neos-nahe wirtschaftsliberale Flügel nur aus ein paar Dutzend Sozialdemokraten besteht).

Zickzack oder Stillstand

Bei dem daher wahrscheinlichen Fortbestand der SPÖ gibt es freilich nur zwei realistische Szenarien der inhaltlichen Folgen. Beide würden freilich alles andere als eine echte Renaissance bedeuten:

  • Entweder ein die Wähler schwindlig machender Zickzack-Kurs:
    - wie er schon bei der 180-Grad-Wende der Bundes-SPÖ in Sachen Massenmigration geschehen ist,
    - wie man ihn an der totalen Polarisierung zwischen der burgenländischen und der Wiener SPÖ ablesen kann,
    - wie er auch seit Monaten den Kurs des deutschen SPD-Chefs Gabriel oder der französischen Linksregierung bestimmt.
  • Oder ein Kurs des totalen Stillstandes und der totalen Reformverweigerung samt immer neuen leeren Versprechungen an die Wähler:
    - Wie er den Kurs der SPÖ bei allen wirtschaftlichen Fragen und bei der Verhinderung jeder echten Pensionsreform prägt.
    - Wie er die deutsche Sozialdemokratie prägt, seit der Reformerfolg der Agenda 2010 unter Ex-Kanzler Schröder von den Wählern nicht honoriert worden ist. Diese sind ja von der Sozialdemokratie selbst jahrzehntelang in den Irrglauben getrieben worden, die Wahl von S-Parteien würde garantieren: Es gibt immer mehr Geld ohne mehr Leistung; wenn man nur die bösen Unternehmer und Kapitalisten energisch genug bekämpft, würde alles automatisch immer besser werden. Nur funktioniert das Rezept nicht. Es kann bestenfalls kurzfristige Seifenblasen erzeugen.

Die Mehrheit der Wähler hat inzwischen das Platzen der Versprechungen erkannt. Sie spürt die historische Krise des Wohlfahrtsstaates und die Schuldenlast als einziges Erbe der Sozialdemokratie.

Diese Reformverweigerung, dieser totale Stillstand des letzten Jahrzehnts verbunden mit ständig wachsender Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit haben freilich nicht nur die Glaubwürdigkeit der SPÖ, sondern auch die Zukunft Österreichs weitgehend demoliert. Ähnliche „Erfolge“ hat die Wohlfahrtsillusion auch in vielen anderen europäischen Staaten erzielt. Von Schweden (wo es aber dann neoliberale Reformen gegeben hat) bis Griechenland und Italien. Es gab in den letzten Jahrzehnten bei dieser Abwärtsentwicklung nur ein paar positive (bei Linken freilich als „neoliberal“ verteufelte) Unterbrechungen wie die Agenda 2010 oder in Österreich die ersten Jahre der Regierung Schüssel.

Parteitaktisch war diese Haltung jedoch lange erfolgreich: Parteien hatten eher dann Wahlerfolge, wenn sie nicht sparen, reformieren und sanieren. Lange wählerwirksam war es auch, immer neue teure Wohltaten unters Volk zu streuen. Mit diesem Rezept hat sich etwa Bruno Kreisky lange seine Popularität erkauft (der absurderweise heute auch bei den Freiheitlichen adoriert wird).

Die Folgen des Wohlfahrts-Populismus

Um nur drei der katastrophalsten Konsequenzen dieses Populismus konkret anzuführen:

  • In Österreich erfolgt der durchschnittliche Pensionsantritt um vier Jahre vor dem europäischen Durchschnitt (der Vergleich mit anderen Industriestaaten wie USA oder Japan fällt noch viel drastischer aus), obwohl hier die Lebenserwartung hoch ist, obwohl hier betragsmäßig sehr hohe Pensionen ausbezahlt werden. Das Pensionsproblem ist längst zur Hauptursache der Staatsverschuldung geworden.
  • In den 70er Jahren wurden von der SPÖ die Aufnahmsprüfungen in die Gymnasien abgeschafft. Im letzten Jahrzehnt passierte dasselbe mit den unterschiedlichen Leistungszügen in der Hauptschule. Beides hat zu einem spürbaren Abbau des Bildungssystems geführt (und zu einem neuen Zweiklassensystem, in dem nun als Ergebnis linker Bildungspolitik die Privatschulen boomen).
  • Die europaweit horrende Staatsverschuldung führt seit 2010 zur fortschreitenden Enteignung der Sparer, denen trotz Inflation keine Zinsen bezahlt werden.

Es ließen sich noch Dutzende andere Folgen des leistungsaversen Wohlfahrtssozialismus aufzählen, der Ersetzung des Prinzips Eigenverantwortung durch das hohle Versprechen des ewigen Schlaraffenlandes. Dieser Virus hat freilich auch fast alle anderen Parteien befallen, die sich dann oft sogar mit den Sozialdemokraten eine Forderungslizitation geliefert haben.

Das Faymann-Dilemma

All das zeigt: Die Krise der Sozialdemokratie ist längst nicht mehr nur eine, die durch den Austausch des Herrn Faymann lösbar wäre.

  1. So sehr Österreich gerade jetzt einen Regierungschef bräuchte, der nicht nur wirtschafts- und sozialpolitisch, sondern auch außenpolitisch energisch und im Interesse Österreichs agieren würde. Statt einfach weiter alles aussitzen zu wollen.
  2. So wahnwitzig auch Faymanns Beleidigungen für Ungarn waren. Dabei wären gerade die östlichen Nachbarn heute die einzig denkbaren Verbündeten Österreichs. Versuchen doch Italien und Deutschland derzeit mit Österreich wie mit einem Kolonialland herumzufuhrwerken: Renzi & Co reißen täglich den Mund noch aggressiver auf, und Faymann hängt groggy in den Seilen.
  3. So schandhaft ein Bundeskanzler auch ist, der seinen eigenen Lebenslauf ob seltsamer Lücken geheim hält, von dem man nicht einmal weiß, ob, wann und wo er eine Matura abgelegt hat.
  4. So skandalös es auch ist, dass der scheidende und parteipolitisch bis zum letzten Tag eigentlich zur Neutralität verpflichtete Bundespräsident jetzt aus der Hofburg heraus wie der oberste SPÖ-Obmann agiert.
  5. So demütigend es auch ist, dass sich zusätzlich auch der Wiener Bürgermeister wie der Vormund und Pate des Bundeskanzlers aufführt.
  6. So sehr auch die jetzige salamiartige Demontage Faymanns an die einstige degoutante Vernichtung Alfred Gusenbauers erinnert – mit dem einzigen Unterschied, dass hinter Faymann heute kein Brutus so mit dem Dolch in der Hand steht, wie 2008 hinter Gusenbauer ein gewisser Faymann gestanden ist, der mit Hilfe des schon damals von ihm bestochenen Boulevards zugeschlagen hat.

Aber mit Sicherheit ist weder ein trotz seiner Agonie im Amt verlängerter Faymann noch ein Nachfolger imstande, die Probleme der Sozialdemokratie zu lösen.

Vollständiger Beitrag erschienen auf andreas-unterberger.at

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