Warum der Papst kein Liberaler ist (aber noch lange kein primitiver Antikapitalist)

Ich bin in Fragen der Wirtschaft nicht der Meinung des Papstes. Primitiv kann ich seine Einlassungen allerdings schon deshalb nicht finden, weil er einer der wenigen ist, die konsequent zumindest auf die Symptome aufmerksam machen, wenn sie schon nicht die Ursachen erkennen.

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Um es gleich vorneweg zu sagen: Alan Posener habe ich noch nie verstanden! Er ist erfolgreicher Journalist, schreibt über eine ganze Menge Themen, ab und an auch über die Kirche, schreibt für die „Welt“, hat Matthias Matussek zu seinem Rausschmiss bei dieser Zeitung seiner Freundschaft versichert, hatte immer wieder Papst Benedikt in einer Weise kritisiert, die mich fragen lässt, ob es sich bei ihm um einen Atheisten handelt oder „nur“ um einen Kritiker der Kirche. Wenn man gängigen Quellen glauben darf, dann war er mal in seiner Jugend Kommunist, heute scheint er dagegen eher ein Liberaler zu sein, wenn ich auch nicht feststellen kann, dass er sich in Richtung freier Wirtschaft bislang hervorgetan hätte. Wie gesagt: Ich verstehe Alan Posener nicht.

Papst Franziskus dagegen, mit dem ich abgesehen vom Glauben, hinsichtlich der Herkunft vergleichsweise wenig gemein habe, meine ich, besser zu verstehen. Mich amüsiert, wie konservative Katholiken seit seinem Amtsantritt nachzuweisen versuchen, er sei gar nicht katholisch – und diesen Beweis bis heute schuldig bleiben mussten. Mich amüsiert, wie die säkulare Welt ihn als den ihren zu vereinnahmen versucht, und sich dabei doch immer nur in Argumentationen verheddert, die nicht konsistent sind, zuletzt mal wieder in der im Westen allgegenwärtigen Kondomfrage. Was mich weniger amüsiert, das muss ich zugeben, ist die Einstellung des Papstes zur Wirtschaft: Er redet staatlichen Einflüssen das Wort, wirft mit Vokabeln wie einer „Neuen Weltordnung“ um sich, kritisiert die Wirtschaftskraft des Westens und Nordens ohne auf die wirklichen Gründe der Schwächen des Südens und Ostens zu schauen.

Er bewertet das Weltwirtschaftssystem von seinen Konsequenzen her und muss doch mit der Analyse steckenbleiben, weil er nicht durchschaut, wie die Wirtschaft funktioniert. Er sieht Armut in der Welt, Kriege, Kriegsopfer und Kriegsgewinnler, er sieht Menschen auf der Flucht vor Verfolgung und Terror, vor staatlichen Repressionen genau so wie vor wirtschaftlicher Not. Und er benennt die dafür verantwortliche Wirtschaftsordnung als „Kapitalismus“, vermutet in den freien Kräften des Marktes die Ursache für die von ihm beobachteten Ungerechtigkeiten. Und weil das so ist, kritisiert er die Systematiken der Weltwirtschaft und sitzt dabei einem Irrtum auf, wenn er in diesem Zusammenhang den Kapitalismus geißelt.

Die Mängel der Weltwirtschaft sind offensichtlich, an den Ursachen beißen sich auch wirtschaftswissenschaftliche Kaliber die Zähne aus. Da gibt es Nobelpreisträger, die den Kapitalismus verantwortlich machen; es gibt keine westliche Regierung, die den Markt nicht zumindest begrenzt an die Kandare nehmen und für eigene – vermeintlich soziale – Zwecke einhegen will. Wenn der Papst auf den Kapitalismus schimpft, dann schimpft er eigentlich auf die Folgen einer Interventionsspirale, die für alles mögliche sorgt, nur nicht für einen freien Markt. Kriege in der Welt sind nicht das Ergebnis des Marktes sondern der Einmischung von Regierungen und korporatistischen Unternehmen, eng verwoben mit der politischen Macht, auf die sie Einfluss nehmen. Freie Marktteilnehmer brechen keinen Krieg vom Zaun, nicht aus moralischen Erwägungen, sondern weil er einfach unvernünftig ist und – sagen wir es ruhig – der Gewinnmaximierung im Wege steht.

Zu diesen Hintergründen kann man sich den Mund in Deutschland fusselig reden, anerkannt wird es nicht. Linke Staatsideologen haben die Hand am Steuer und werden es so schnell nicht loslassen. Die meisten – so hoffe ich – durchaus mit guten Vorsätzen, den Menschen gegenüber wohlmeinend, aber hoffnungslos überfordert in der Frage, wo in den Wirtschaftskrisen Ursachen und Wirkungen liegen. Da schimpft man halt auf die böse Wirtschaft, die vom Markt profitiere und übersieht, dass es eben nicht die tatsächlich frei Wirtschaftenden sind, die profitieren, sondern die staatsabhängigen Unternehmen, die dazu beitragen, den Staat zu einer Räuberbande zu machen.

Nein, amüsieren kann mich das nicht, wenn der Papst auf die Wirtschaft schimpft, überraschen tut es mich aber auch nicht. Der Papst meint – gemeinsam mit vielen Millionen anderen in der westlichen Welt -, auf einen entfesselten Kapitalismus zu schauen, und sieht doch nur ein Potemkinsches Dorf, das den freien Markt imitiert; um es hinzuzufügen: Mehr schlecht als recht! Insofern ist er ein Antikapitalist, als er sich gegen die Folgen der Wirtschaftsordnung wendet und die Ursache im Markt sieht. Und weil er die Ursachen im Markt sieht – nochmal: gemeinsam mit der Mehrheit der Menschen zumindest im Westen – kämpft er gegen den Wirtschaftsliberalismus. Wer heute – wie der Papst – meint, die Wirtschaft sei entfesselt, der muss zu dem Schluss kommen, dass Fesseln helfen können. Der Papst ist kein Wirtschaftsliberaler, seine Herkunft macht das vielleich auch schwer, ich widerspreche ihm in diesem Thema in fast allen Punkten, außer einem: Als Christen sind wir aufgefordert, uns gegen Armut, Krieg und Verfolgung auch dann zu engagieren, wenn wir nicht persönlich verantwortlich sind.

Macht ihn das alles zu einem „primitiven Antikapitalisten“, wie Alan Posener in seinem Beitrag in der Welt behauptet? Papst Franziskus kritisiert den Primat des Kapitals – die Vergöttlichung des Kapitals, wie sie im Sozialismus genau so herrschen kann wie im Korporatismus des Westens. Auch der Kapitalismus steht vor diesem Risiko, ist ihm aber aufgrund der freien Entscheidung der Marktteilnehmer im Gegensatz zu den anderen beiden Systemen nicht so ausgeliefert: Der christlich geprägte Marktteilnehmer honoriert moralisch verantwortliches Handeln, das damit zu einem Wettbewerbsvorteil werden kann. Der Papst sieht in der Diagnose auf die Symptome, nicht auf die wahren Ursachen, und damit steht er im Einklang mit vielen im Westen, die genau diese Diagnose bestätigen und die richtige Kur daher ablehnen.

Ich bin in Fragen der Wirtschaft nicht der Meinung des Papstes; in vielen Punkte sehe ich die Dinge diametral entgegengesetzt. Primitiv kann ich seine Einlassungen allerdings schon deshalb nicht finden, weil er einer der wenigen ist, die konsequent zumindest auf die Symptome aufmerksam machen, wenn sie schon nicht die Ursachen erkennen. Was ich allerdings primitiv finde, ist den Vorwurf der Primitivität, noch dazu von einem Journalisten, dem ich eine konstruktive Sorge um die katholische Kirche kaum attestieren kann..

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Werner N.

Die Kapitalismus–Kritik des Jesuiten Franziskus ist nicht primitiv, aber bi-gottisch, unehrlich und veraltet. Zumindest befremdet es, wenn ein Papst eine „arme Kirche“ fordert, zugleich aber Vorstand der weltweit reichsten Institution ist, die sich brüstet, mehr Steuern zu bezahlen als alle Amerikaner zusammen. In der BRD hat die RKK den größten Grundbesitz, ihre Kardinäle leben in Saus und Braus. Das kann man – zurückhaltend formuliert – nur als Doppelzüngigkeit bezeichnen.

Von den Praktiken der Vatikanbank distanzieren sich sogar hartgesottene „kapitalistische“ Banker. EU–Politiker mussten den Vatikan unter Druck setzen, damit die Vatikanbank ihre Geldwäsche für Waffen– und Mafia–Unternehmen aufgibt. Den deutschen Bankvorstand schasste Franziskus, vermutlich weil die Bilanzen danach zu stark zurückgingen. Der Vorgänger Benedikt händigte ihm bei seinem ersten Besuch einen Geheimbericht über die Vatikanbank aus. Wie Anderes blieben Buchungen und Bilanzen darin geheim. So weiß man auch nicht, ob deren Beteiligungen an Weltkonzernen und „kapitalistischen“ Banken wenigstens reduziert wurden.

Als die Kirchensteuer–Einnahmen aufgrund der in Scharen entlaufenen „Schäfchen“ zurückgingen, fiel beiden Kirchen flugs ein, die Steuer auf Erträge von Anlagen und Sparkonten ab 2015 durch die Banken sofort einzuziehen, um nicht auf die Steuererklärungen warten zu müssen. Hier klappte die Ökumene verblüffend reibungslos.

Die Art von Franziskus` Kapitalismus–Kritik bestätigt eher Diejenigen, die bei ihm einen Hang zum (a–religiösen!) Marxismus und Kommunismus ausmachen. Zwar nahm er einige seiner merkwürdigen Aussagen jesuitisch ausweichend zurück, aber auch der Rest bleibt fraglich. Der „Unfehlbare“ merkte (wie seine sozialistischen weltlichen Gesinnungsbrüder) noch nicht, dass wir hier mittlerweile eine „soziale Marktwirtschaft“ haben – zugegeben, eine unvollkommene.

Dass der für viele Gläubige sympathische Papst ein Liebling der argentinischen Militärjunta gewesen sein soll, glaubt man wiederum, denn zu weltlichen Machthabern hatte der Vatikan schon immer ein ebenso dubioses wie enges Verhältnis. Im Gegensatz zu Jesu Reich, war das der RKK immer mehr von dieser Welt. Schade, anfangs schien es so, dass Franziskus deren verkrustete mittelalterliche Strukturen zumindest teilweise reformieren könnte.

Gravatar: Chakravartin Serapis

Der Papst kann doch als Chef eines der mächtigsten global agierenden Großkonzerns der Welt kein Antikapitalist sein.

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