Von Demokratie und der Angst etablierter Politiker

Nach dem Brexit- Votum der Briten, den Präsidentenwahlen in Österreich und der Abstimmung über das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine in den Niederlanden haben sich einige Deutsche Politiker zu Volksabstimmungen/Plebisziten geäußert.

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Nach dem Brexit- Votum der Briten, den Präsidentenwahlen in Österreich und der Abstimmung über das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine in den Niederlanden haben sich einige Deutsche Politiker zu Volksabstimmungen/Plebisziten geäußert.

Vorab eine Klarstellung: Der Begriff Demokratie kommt aus dem Griechischen, Demos, das Volk, kratein, herrschen, so kann man Demokratie mit Volksherrschaft übersetzen.

Richard Schröder, aus der DDR stammender ehemaliger SPD- Politiker hat offenbar das Konzept der Demokratie in besonderer Weise nicht verstanden. Er schreibt in der FAS: „Direkte Demokratie lockt damit, daß das Volk bestimmen darf… Das ist gefährlich“

Offenbar ist für den Autor solcher Zeilen Demokratie nur dann akzeptabel, wenn das für ihn richtige Ergebnis herauskommt. Aber das richtige Ergebnis ist genau das, das demokratisch erzielt wurde.

Ähnliches haben eine Reihe anderer Politiker der etablierten Parteien geäußert.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU- Parlament, Harms lehnt laut Spiegel online Volksabstimmungen zu EU- Fragen ab. Da die EU- Kommission bis heute, trotz ihrer Machtbefugnisse nicht gewählt wird und das EU- Parlament nur beschränkte Rechte hat, plädiert Harms gegen demokratische Teilhabe in EU- Fragen. Erstaunlich für die Repräsentantin einer Partei, die einstmals direkte Bürgerbeteiligung auf allen demokratischen Ebenen gefordert hat.

Ähnlich skeptisch zeigt sich Bundestagspräsident Lammert seit langem gegenüber Plebisziten. Er hat dies unter anderem damit begründet, daß die Volksabstimmung zur Fusion von Berlin und Brandenburg gescheitert sei.

Allen diesen Vertretern etablierter Parteien ist eins gemeinsam. Sie lehnen die direkte Demokratie mit implizitem oder explizitem Verweis auf die Ergebnisse ab. Das aber ist undemokratisch. Die etablierten Parteien entfernen sich so immer weiter von der Demokratie.

Die Vertreter etablierter Parteien votieren auch aus anderen Gründen gegen Plebiszite. Man stelle sich ein Plebiszit über die staatliche Finanzierung der parteipolitischen Stiftungen von CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke vor, die in einer Legislaturperiode aus dem Staatshaushalt fast 2 Milliarden € erhalten, oder ein Plebiszit über die Rundfunkbeiträge. Beide staatlichen Geldtöpfe sichern auch die Dominanz der etablierten Parteien.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: moontraveller

Herr Gerke, ich stimme Ihnen ja zu. Ich hab nur im Moment keine zufriedenstellende Loesung.

Die Art und Weise, wie diese Brexit-Kampagne gelaufen ist, spricht ebenso fuer eine Verachtung des Volkes wie die von Ihnen zu Recht angesprochene Haltung deutscher Politiker. Und genau da steckt die Crux.

Man hat die Waehler hier bewusst hinters Licht gefuehrt, sie mit falschen Versprechen, die nicht mal den Wahlabend ueberlebt haben, um ihre Stimme betrogen. Es hat sogar einen Mord an einer MP gegeben. Man hat bewusst richtig schlimme Hetzkampagnen gegen Auslaender gefahren, so dass heute - wenige Tage nach der Wahl - Menschen sich in vielen Gegenden nicht mehr sicher fuehlen, obwohl sie schon viele Jahre hier leben, arbeiten, Steuern und Abgaben zahlen. Die Ausmasse sind so krass, dass nun Amnesty International zu Gegenmassnahmen ruft:

https://www.amnesty.org.uk/groups/yorkshire-and-north-east-england/amnesty-international-brexit

Kurzum, der Geist ist aus der Flasche und man weiss nicht, wie man ihn wieder hineinbekommt.

Ist das nicht auch Volksverachtung, wenn man genau weiss, welchen Knopf man druecken muss, um die Meute loszulassen. Interessanterweise, wird das auf diesen Seiten in Freiheitsdenken, Liberalismus, in Demokratie und gesellschaftlichem Durchblick uebersetzt und Leute wie z.B. Nigel Farage, in den hoechsten Toenen gelobt.

Ist das Desinformation oder Ignoranz?

Nicht alle Leave-Voter sind Rassisten, aber die Kampagnenfuehrer wussten, dass Rassismus zieht. Wieviel Verachtung spricht denn daraus? Wieviel "Volkes-Wille" spricht aus so einem knappen Ergebnis? Nicht mal drei Viertel der Bevoelkerung hat ueberhaupt gewaehlt und davon hat knapp die Haelfte fuer Leave gestimmt, teilweise ohne Wissen ueber Hintergruende, teilweise aus Protest gegenueber Westminster nach dem Motto: Denen da oben zeigen wir es jetzt.

Und danach der kollektive Rueckzug aller Raedelsfuehrer. Verantwortungslosigkeit auf breiter Flur. Wie sehr muss man die Waehler verachten, um so zu handeln.

Dieses Referendum laesst mich persoenlich ratlos zurueck, denn - wie bereits erwaehnt - ich war bisher eine gluehende Verfechterin von Volksabstimmungen.

Gravatar: PD Dr. Jörg Gerke

Moontraveller!
Es geht nicht um Glorifizierung von Volksentscheiden. Aber aus der Ablehnung der großen Mehrheit der etablierten Politiker spricht auch eine Verachtung für demokratische Entscheidungsprozesse- s. Richard Schröder. Es spricht daraus auch eine Verachtung für den Staatsbürger. Diese durch nichts gerechtfertigte Überheblichkeit des Establishments ist vielleicht noch gefährlicher als fragwürdige Plebizit- Kampagnen. Die Verachtung der eigenen Nation und die Kritik daran sind auch nicht neu, der große Schriftstellen Dostojewski hat dies für Rußland schon im 19. Jahrhundert in Aufsätzen kritisiert (in Deutsch: Tagebuch eines Schriftstellers).

Gravatar: Sepp Kneip

Natürlich fürchten Politiker das Plebiszit wie der Teufel das Weihwasser. Warum? Man brauchte sie nicht mehr, höchstens noch als Vollstrecker des Plebiszit-Ergebnisses. Ich gebe zu, die Aussage ist etwas übertrieben. Hätte man aber in Deutschland auch über die Einführung des Euro abgestimmt, wäre er nicht gekommen. Wäre das ein Glück gewesen. Hunderte Milliarden verbrannten Geldes für seine "Rettung" wären uns erspart geblieben. Die kalte Enteignung von Sparern, Rentnern und Arbeitnehmern sowie die Zerstörung der Altersvorsorge durch die Niedrigzinspolitik der EZB hätte es nicht gegeben. Unser Polit-Establishment berührt das alles nicht. Die haben ihre Schäfchen im Trocknen. Das ist nur ein Beispiel, das aber für vieles andere steht, bei dem ein Plebiszit Schaden abgewendet hätte. Das Volk ist manchmal doch klüger als seine Politiker.

Gravatar: moontraveller

Jaein,

Im Prinzip stimme ich zu. Bis vor dem Referendum war ich eine hundertprozentige Verfechterin der Volksbefragungen. Ich musste allerdings feststellen, dass ich auch einen ziemlich hohen Anspruch daran habe, dass sich jeder informiert.

Und das ist genau leider nicht der Fall und das hat auch dieses Referendum gezeigt. Viele Leute wussten nicht, worueber sie abstimmen. Sie schimpfen auf die EU und wissen nichts ueber die Gremien, wer wo warum sitzt und wer wann gewaehlt wird.

Am Ende lief die Kampagne auf eine wirklich haessliche und rassistische Debatte ueber Immigration hinaus. Auch wenn man jetzt durch Foren blaettert, egal ob englische oder deutsche, uebrigens auch auf diesen Seiten, hoert man die Leithammel deutlich heraus. Es zaehlen keine Fakten, sondern nur noch Emotionen und die Leute plappern alles sinnlos nach, ohne sich ueber die Tatsachen zu informieren.

Auf youtube gibt es ein Review Video ueber Brexit-The Movie. Sehr nuechtern, sehr sachlich, gerade mal 8 1/2 minuten lang. Wenn sich das jeder angesehen haette, waere das Wahlergebnis deutlich anders verlaufen.

https://www.youtube.com/watch?v=80lO7mahTvw

Ich hab noch kein fertiges Denkergebnis, aber dieses Referendum hat meine Meinung ueber direkte Demokratie und Volksentscheide sehr erschuettert. Es geht nicht um ja oder nein, sondern darum ob Menschen ueberhaupt willens und in der Lage sind, sich gruendlich zu informieren. Allein die vielen sogenannten Wutbuerger, die es "denen in Westminster" einfach nur mal zeigen wollten, ohne sich ueber die Folgen im Klaren zu sein, wenn das Referendum durchkommt, stellen schon ein Risiko in sich dar. Vielleicht waere es besser, ihnen einen gut ausgestatteten Kampfraum mit Boxsaecken zur Verfuegung zu stellen, anstatt sie zur Wahlurne zuzulassen?

Diese Wahl hat mir jedenfalls gezeigt, dass man das Instrument Volksentscheid nicht glorifizieren sollte. Es hat sehr wohl schlimme Nachteile.

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