Van der Hofer

Van der Bellen ist der Sieger, Hofer nicht der Verlierer … das sind die sogenannten etablierten Parteien in Österreich.

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„Sieg“ rufen die einen, „Schiebung“ die anderen. Klar ist: Der kommende Bundespräsident Österreichs wird ein Grüner und kein Blauer, Van der Bellen und nicht Hofer heißen. Unrecht haben aber sowohl die Jubler wie die jetzt auftauchenden Verschwörungstheoretiker: Rund 31.000 Stimmen Unterschied – das ist einerseits zu viel um es auf Ungereimtheiten in der Stimmauszählung zu schieben. Das sind bei 4,6 Millionen abgegebenen Stimmen aber auch gerade mal 0,6 % – ein furioser Sieg sieht, gerade wenn man die Medienmaschinerie beachtet, die in den vergangenen Wochen gegen Hofer in Bewegung gesetzt wurde, auch anders aus.

Vor ein paar Wochen, als die Stichwahl zwischen Hofer und van der Bellen feststand,hatte ich bereits darüber geschrieben, was zu erwarten war: Der Zusammenschluss aller Kräfte der großen Koalition in Österreich, die in eiserner Verleugnung dessen, was sie vom grünen Kandidaten trennt, sich gegen Hofer aussprechen werden. Allerdings – so man Medienberichten trauen darf – nicht in einer so dramatischen Form, wie man das hätte vermuten können. Medial war dennoch nicht nur in Deutschland in dieser Sache eine Menge los – man liegt sicher nicht mit der martialischen Darstellung ganz falsch, dass gegen Hofer mobil gemacht wurde, was eben ging. So gesehen betrachten also diejenigen, die einen FPÖ-Mann an der Spitze Österreichs verhindern wollten, den Sieg wohl realistischer Weise mit gemischten Gefühlen. Aus deren Perspektive ist das gerade noch mal gut gegangen, aber eine breite gesellschaftliche Zustimmung für einen Präsidentschaftskandidaten oder gar seine Partei kann man da nicht heraus lesen.

Und was in diesen Tagen nicht vergessen werden darf: SPÖ- und ÖVP-Vertreter standen nicht zur Stichwahl! Das bisherige österreichische System der sich selbst neutralisierenden Großen Koalition ist mit deutlicher Mehrheit abgewählt worden – von den knapp 50 % Hofer-Wählern in jedem Fall, von einem guten Teil der gut 50 % Van-der-Bellen-Wähler ebenfalls. Gefordert wird von der Mehrheit der Wähler ganz offenbar ein Politikwechsel – und wenn sich der nicht einstellt, können die nächsten Wahlen für die sogenannten etablierten Parteien (wie kommt man dazu, eine Partei nicht dazu zu zählen, deren Kandidat knapp 50 % der Stimmen hinter sich vereinen kann?) zum Desaster werden.

Parallelen zu Deutschland? Eine große Koalition, die sich schon seit Monaten im Wahlkampfmodus befindet und sich gegenseitig beharkt; eine Kanzlerin, die abgehoben ihren Weg geht, wohl wissend, dass jede Stimme für die SPD oder die Grünen, selbst für die Linken, absehbar nicht verhindern wird, dass sie Kanzlerin bleibt; ein etabliertes Parteiensystem, das bis auf Nuancen kaum noch Wahlmöglichkeiten bietet – jedenfalls wenn man nicht auf eine DDR2.0 durch die Linke erpicht ist. Mag sein, dass der „deutsche Michel“ genügsamer ist als „die Ösis“, aber ob dieses nach links driftende politische Parteiensystem auf Dauer noch demokratisch legitimiert daher kommen kann? Zweifel sind angebracht.

Analog zur FPÖ stößt in diese Lücke die AfD, die bei genauerem Hinsehen leider gar keine allzu großen Alternativen bietet – jedenfalls nicht für denjenigen, der die Staatsmacht in die Schranken gewiesen sehen möchte und das oberste Menschenrecht gegenüber einer Regierung – frei nach Roland Baader – vor allem darin sieht, in Ruhe gelassen zu werden. Dennoch macht die AfD für viele mindestens ein Politikangebot, dass sich von der großen Mitte-Links-Einheitspartei unterscheidet. Auf diese Weise vermag sie wohl auch Wähler zu gewinnen, die sich vielleicht weder für die Migrations- und Islampolitik noch für die Sicherheits- und schon gar nicht für die Arbeitsmarktpolitik der Partei begeistern können. Das Motto scheint vielfach zu sein: Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird, wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden.

Eine solche Politik wurde jetzt in Österreich gewählt: (Vermeintliche) „Mitte“ raus, grün und „rechts“ rein. Und nur vereint mit den Mitte-Kräften konnte der „rechte“ Kandidat als Bundespräsident verhindert werden. Von einer Situation, in der Anton Hofreiter und Jörg Meuthen in einer Stichwahl als Bundespräsidenten kandidieren sind wir in Deutschland nicht nur aufgrund der fehlenden Direktwahl weit entfernt. Aber Parteien wie die CDU und die SPD – und in diesem Sinne vor allem die FDP! – sollten langsam aus den Erfahrungen Österreichs lernen: Zu viel Selbstverständlichkeit in der Machtausübung kann sich schneller rächen als man denkt.

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Diederich Heßling

"(wie kommt man dazu, eine Partei nicht dazu zu zählen, deren Kandidat knapp 50 % der Stimmen hinter sich vereinen kann?)"

Ja, wie kommt "man" dazu..."wie" kommt man dazu...wie "kommt" man dazu...wie kommt man "dazu"???

Vier Fragen in einer!

Wenn wir mal ehrlich wären, könnten wir uns die 4 Fragen in einer sehr einfach beantworten...

Es zeigt uns das Ende eines Systems!

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