»Tired with al these«

Veröffentlicht:
von

Gestern griff ich wieder zu einem meiner Lieblingsbücher: Der Privatgelehrte Ulrich Erckenbrecht, der jenseits von amazon und Buchhandel seit vielen Jahren seinen Selbstverlag (Muriverlag Göttingen) betreibt, ein Chopin- und Shakespeare-Liebhaber, hat dort das 66. Sonett des Engländers in weit über hundert deutschen Übersetzungen veröffentlicht und es selber allein 15mal ins Deutsche übertragen (seine Versionen sind alle zu finden unter: poetenladen.de; es bleibt dabei, dass von diesen meinen Seiten niemals ein Link irgendwohin und also nicht einmal auf den Helikon führt), woraus man unter anderem entnehmen darf, dass es unter uns immer wieder von den Grazien geleitete Zeitgenossen gibt, die ihre Tage mit schönen und sinnvollen Beschäftigungen verbringen. Besagtes Sonett – "Tired with al these, for restful death I cry" –, dieses Lieblingsopus der Nichteinverstandenen, vom alltäglichen Opportunismus Angewiderten, findet in jeder Zeit seine Adressaten und Anlässe, und wenn auch die wohl textnaheste und brillanteste Nachdichtung von George stammt, will ich hier die von Günter Zehm zitieren, weil sie meinem Augenblickgefühl am nahesten kommt:

Müd alles dessen, sehn ich mich nach Tod,

So wenn Verdienst geht unterm Bettlerhut

Und pures Nichts in herrscherlichem Rot

Und frömmster Glaube hohnvoll ausgebuht

Und wichtigste Ämter schändlich mißverwandt

Und Mädchenehre grell als Witz belacht

Und große Tat in Bosheit umbenannt

Und Macht per Impotenz auf Null gebracht

Und Kunst vom Zeitgeist elend eingeschnürt

Und Wissenschaft ein einziges Narrenschrein

Und schlichter Fakt als Dummheit denunziert

Und Sklave Gut in Hand von Käptn Schwein...

Des allen müd, wünsch ich, weit wegzugehn.

Doch wer wird dann nach meiner Liebe sehn?

 

Sehr weit davon entfernt, aber irgendwie sympathisch übrigens die Version auf "Kanakisch" von Kerim Köstbeck:

Tot will isch sein, weg von was stinkt hier so.

Sossialamt sitztu rum wie Bettla, Lan,

Und gibt kein Spas wo lachen, is blos Show,

Und wenn du ein vatraust, der scheist disch an,

Und was is Arsch, kriekt Orden angesteckt,

Und Kindaficka sitzen nischt in Haft,

Und alles, was is falsch, jetz heißt 'korrekt'.

Und is wie Bein in Gips und weggeht Kraft,

Und Werbung sagt dir vor, was schön sein soll,

Und Lehra gar nix weiss, gibt Untarischt,

Und wer wo sprischt blos gans normal, heißt 'Proll',

Und machen, was Idiot dir sagt, is Pflischt.

Weg will isch, aba geht nisch. Bin isch Schwein?

Lass isch hier doch mein Freundin nischt allein.

Beitrag erschien zuerst auf: michael-klonovsky.de

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: bastian conrad

Eindrucksvolles Sonett 66 – “Tired with al these, for restful death I cry” –,
Ist es wirklich das „Lieblingsopus der Nichteinverstandenen, der vom alltäglichen Opportunismus Angewiderten“ ?
Ich glaube , ein solches „fehlgeleitetes“ Augenblicksgefühl muss man zwangsläufig solange hineininterpretieren, solange man keine wirkliche Vorstellung vom autobiografischen Hintergrund dieses Textes und vom wahren Autor und Sonnett-schreiber entwickeln kann.
Wenn dies aber gelingt, wird auch in diesem Sonett (wie in vielen anderen) jene tragische autobiographische Situation sichtbar , aus der heraus es entstanden ist.

Falls von Interesse, schauen Sie mal auf meine deutsch/englische Webseite (inkl.Blog und Quiz)
www.der-wahre-shakespeare.com

Gravatar: Thomas Rießler

In der Offenbarung des Johannes wird einerseits die Bedrängnis der christlichen Gemeinde in einer bösen Welt beschrieben, andererseits wird aber auch die Hoffnung auf eine bessere Zeit vermittelt: „Da zeigte er mir einen klaren Fluss lebendigen Wassers, strahlend wie Kristall, der von dem Thron/ Richterstuhl Gottes und des Lammes ausging. In der Mitte ihres [städtischen] Platzes und auf beiden Seiten des Flusses [ist je ein] Baum des Lebens, der zwölf Früchte trägt, wobei jeden Monat ein jeder eine Frucht abgibt und die Blätter des Baumes der Behandlung/ Heilung der Völker dienen. Keinerlei Fluch wird mehr Geltung besitzen, vielmehr wird der Richterstuhl Gottes und des Lammes in ihr sein und seine Untertanen werden ihm dienen. Sie werden sein Angesicht sehen und sein Name/ Wort/ Ruhm wird auf ihren Stirnen sein. Es wird dort keine Nacht mehr geben. Lampen und Sonnenlicht werden sie nicht brauchen, denn der Herr, Gott, wird für sie leuchten und sie werden in der Ewigkeit herrschen.“
Die Alternative zur Klage über die schlimmen Zustände besteht für einen gläubigen Menschen darin, Jesus um seine baldige Wiederkunft zu bitten: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch dies in Bezug auf die Kirchen zu bekennen. Ich bin der Ursprung und der Nachkomme Davids, der helle Morgenstern. Sowohl der Geist als auch die Braut sagen [und werden sagen]: „Komm!“ und auch der Hörende/ Gehorchende soll sagen: „Komm!“ Wer Durst hat, soll kommen und wer will, soll das Wasser des Lebens umsonst empfangen.“

Gravatar: Leser

Verlag und Autor befinden sich in Kassel.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang