Steuerwettbewerb und Bürgerbeteiligung statt Einheitssteuersatz

In der Politik herrscht oft die Illusion der Größe vor. Es gibt die Vorstellung, Probleme ließen sich einfacher lösen, wenn die Entscheidungskompetenz möglichst hoch angesiedelt ist. Es ist beliebt zu fordern, Kompetenzen müssten an die EU abgegeben werden, obwohl die Erfahrung lehrt, dass Entscheidungen, die weit entfernt von den Betroffenen getroffen werden, nicht unbedingt sachgerecht und bürgernah sind.

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Es ist zum Beispiel fraglich, ob eine EU-Wasserrichtlinie, die für den Umgang mit Problemen in Spanien und Süditalien gedacht ist, auch für Deutschland und Skandinavien geeignet ist. So verhält es sich auch mit der Steuerpolitik. Immer wieder kommt die Forderung auf, die Steuerpolitik in der EU solle vereinheitlicht werden. Aber auch das wäre weder effektiv, noch bürgernah.

Große Räume und zentrale Entscheidungsfindungen haben das Problem, dass falsche Entscheidungen auch auf große Räume durchschlagen. Eine falsche Steuerpolitik in einem Land betrifft die Situation in diesem Land, während eine falsche Steuerpolitik auf EU-Ebene einen ganzen Kontinent betreffen würde. Hinzu kommt, dass der Wettbewerb der beste Indikator ist, um frühzeitig die Folgen falscher Politik zu identifizieren. Der Wettbewerb unterschiedlicher Systeme bringt ans Tageslicht, welches System erfolgreich ist und welches im Vergleich zu den anderen zurückbleibt. Das schafft Reformdruck und Innovation.

 

Vereinheitlichung schafft schwerfällige und unflexible Systeme. Wären große Einheiten effektiv, dann würde es die Sowjetunion noch geben.  Die Schweiz ist hingegen ein Paradebeispiel für den Erfolg des Wettbewerbs kleinerer Einheiten. Auch in Finanzfragen haben ihre Kantone ein erhebliches Maß an Autonomie und Bürgerbeteiligung.

Einheitliche Steuersätze in Europa nehmen den einzelnen Ländern jeden Anreiz zu sparen und die Bürger zu entlasten. Es wäre für ein Land, das solide wirtschaftet, nicht mehr möglich eigenständig eine Steuerreform auf den Weg zu bringen. Jeder Staat, der Finanzprobleme hat, würde statt zu sparen, versuchen eine Steuererhöhung auf EU-Ebene durchzusetzen. In Deutschland müssten die Steuern erhöht werden, weil etwa Frankreich und Griechenland nicht die Kraft aufbringen, in ihren Sozialsystemen die Reformen durchzusetzen, die Deutschland unter großer Anstrengung auf den Weg gebracht hat.  Ein einheitlicher Steuersatz würde zu gleich die Finanzprobleme der betreffenden Staaten nicht lösen. In Deutschland haben wir einheitliche Steuersätze und dennoch sind viele Bundesländer auf den Länderfinanzausgleich angewiesen.

Das liegt daran, dass Steuersysteme auch immer der Ausdruck regional und national unterschiedlicher Präferenzen sind. Einige Bürgerschaften bevorzugen in der Tendenz eher hohe Steuern und größere Staatseingriffe, andere weisen das von sich und setzen stärker auf Eigenverantwortung. Bei einem einheitlichen Steuersatz, der ein Kompromiss zwischen Staaten und Regionen mit hohen und Staaten und Regionen mit niedrigen Ausgaben ist, ist der Steuersatz für die einen zu hoch und für die anderen zu tief. Während die einen ihre Bürger noch lieber entlasten würden, haben die anderen zu geringe Steuereinnahmen, um die Ausgabenwünsche der öffentlichen Hand zu befriedigen.

Deshalb erfordert ein Einheitssteuersatz fast zwangsläufig auch einen Finanzausgleich. Bayern könnte seine Steuern eigentlich senken, wohingegen Berlin sie eigentlich erhöhen müsste. Stattdessen finanziert Bayern heute Berlin und nimmt damit den Druck zu sparen, der sich aus der steigenden Steuerlast in Berlin ergeben würde, aus dem Kessel.  Das ist schlecht für Bayern, das zahlen muss. Und das ist noch schlechter für Berlin, das zu einer Ökonomie am Tropf wird, statt seine Potentiale zu nutzen und mit dem politischen Filz aufzuräumen. Besser wäre es daher, wenn die, die viel Geld ausgeben, ihre Steuern erhöhen müssen, und die, die wenig Geld ausgeben, ihre Steuern senken können.

Statt die Steuern in Europa zu vereinheitlichen, sollten wir in Deutschland darüber nachdenken, den Bundesländern und Gemeinden eine größere Steuersouveränität einzuräumen.  Am besten in Verbindungen mit direktdemokratischer Mitbestimmung in Finanzfragen. Die Empirie liefert uns die Erkenntnis, dass eine stärkere Beteiligung in Finanzfragen in der Regel nicht zu höheren Ausgaben und Verschuldung führt, sondern im Gegenteil zu stärkerer Ausgabendisziplin, wie zum Beispiel die Forschungen von Prof. Gebhard Kirchgässner zeigen. So manches gescheiterte Großprojekt wie die Elbphilharmonie in Hamburg wären uns wahrscheinlich erspart geblieben, wenn die Bürger auf dem Weg des Ausgabenreferendums die Möglichkeit hätten, eine Abstimmung darüber durchzusetzen.

Warum sollte Bayern nicht andere Prioritäten setzen als Berlin und Hamburg? Warum sollten die Bürgerschaften die mehr Geld für öffentliche Aufgaben ausgeben sollen, dafür nicht auch die zusätzliche Steuerlast tragen. Warum sollten die Bürger nicht selbst entscheiden dürfen, welche Ausgaben, die die Politik beschließt, sie überhaupt wollen? Warum sollten die Hamburger nicht per Referendum darüber entscheiden, ob sie für die Elbphilharmonie zahlen wollen, und warum sollten die Berliner nicht per Referendum entscheiden, ob sie die hohen Ausgaben für den öffentlichen Dienst tragen wollen? Der Steuerwettbewerb eröffnet zu gleich die Möglichkeit der Abstimmung mit den Füßen. Die Bürger können zwischen verschiedenen Modellen wählen.  Zwischen Systemen mit höheren Steuern und öffentlichen Leistungen und Systemen mit geringer Steuerbelastung und mehr Eigenverantwortung.

Steuerunehrlichkeit ist in der Regel das Ergebnis komplizierter und intransparenter Steuersysteme, in denen niemand mehr weiß, wofür sein Steuergeld überhaupt verwendet wird und wer, was bezahlt. Wer ein System als ungerecht empfindet, wird weniger Skrupel haben, sich diesem System auch gesetzeswidrig zu entziehen. Wenn Uli Hoeneß seine Steuern gezahlt hätte, wäre das Geld dann wirklich dort angekommen, wo es dem Gemeinwesen nützlich ist, oder wäre es nicht längst in den schwarzen Löchern der Nebenhaushalte und Finanzhilfen verschwunden?

Staaten in denen direktdemokratisch über Steuern und Ausgaben abgestimmt werden kann, weisen in der Regel ein hohes Maß an Steuerehrlichkeit auf. Die Bürger wollen wissen, wo ihr Geld bleibt und nicht dass es auf nimmer wiedersehen in einem schwarzen Loch verschwindet, während die Straßen und Schulen vor Ort, wo man lebt,  so marode bleiben wie zu vor. Wenn die Bürger den direkten Zusammenhang zwischen ihrer Steuerzahlung und der renovierten Schule, dem Polizisten auf der Straße, der in Stand gesetzten Straße in ihrer Stadt und Gemeinde sehen, und selbst darüber mitentscheiden konnten, dann ist auch die Bereitschaft da, dafür seinen Beitrag zu leisten. Darum sollten Finanzentscheidungen so weit wie möglich auf den untersten Ebenen getroffen werden und nicht in der EU.

Die Antwort auf die Finanzprobleme ist nicht ein europäischer Einheitssteuersatz, sondern die Eigenverantwortung der Bürger für ihre Gebietskörperschaft, für ihre Gemeinde, für ihr Bundesland und für ihren Nationalstaat. Finanzausgleich und Transferzahlungen sollten abgebaut werden, im Gegenzug aber die Gebietskörperschaften mit eigener Steuerhoheit versehen werden. Zwischen den Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik und in Europa sollte Wettbewerb um die besten Lösungen bestehen. Und schlussendlich sollten es die Bürger selbst sein, die durch Parlamentswahlen und direktdemokratische Referenden darüber entscheiden, welches Verhältnis von Steuern und Ausgaben sie wollen.

Informationen

Robert Nef: Direkte Demokratie und Liberalismus

Robert Nef: Gemeindeautonomie, direkte Demokratie und Steuerwettbewerb in der Schweiz.

Gebhard Kirchgässner: Finanzpolitische Konsequenzen direkter Demokratie

Theo Schiller: Direkte Demokratie in Deutschland

Jürg de Spindler: Interner Steuerwettbewerb. Das Beispiel Schweiz

 

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Dieser Beitrag erschien zu erst auf dem Blog des Liberalen Instituts.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Klaus Kolbe

Das, was Sie geschrieben haben, Herr Bökenkamp, kann man nur voll und ganz unterstreichen.
Leider aber werden das unsere Blockparteien ganz sicher zu verhindern wissen.
Wer sich den Staat einmal zur Beute gemacht hat, wie Hans Herbert von Arnim eines seiner Bücher so treffend tituliert hat, der wird diese Beute auch nicht freiwillig wieder fahren lassen.

Gravatar: Freigeist

Die Steuersenkungsrunden in den USA haben dazu geführt, dass die Infrastruktur verfällt. Ein Mindeststeuersatz innerhalb der EU ist angesagt. Die Bürger sollten jedoch entscheiden, WAS mit dem Geld passiert. Wohin es fließen soll. In eine Straße und wie viel maximal in die Elbphilharmonie. Damit wäre auch der Krieg am Hindukusch schnell erledigt. Entwicklungshilfe käme auf den Prüfstand der Effizienz. Hat denn der Kirchensteuerzahler schon das demokratische Recht der Entscheidung der Verwendung der Kirchensteuer?

Gravatar: yota-berlin

Hervorragender Beitrag. Man kann Steuerpolitik nicht ohne Ausgabenpolitik diskutieren. Über beide muss bürgernah und möglichst direktdemokratisch entschieden werden. Dann kann sich der Bürger mit dem Staat identifizieren. Beispiel Schweiz.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Das ist alles richtig, Herr Dr. Bökenkamp, und es ist jedem Liberalen klar. Weshalb nur fordert jetzt die AfD einheitliche Steuersätze in ganz Europa? Will sie damit zeigen, daß sie nicht liberal ist? Daß sie ein zentralistisches Einheitseuropa will? Weshalb will sie denn dann den Euro abschaffen?

Gravatar: Klimax

Sehr wahr. Schreiben Sie das bitte mal Herrn Lucke und der AfD hinter die Ohren.

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