Sicherheit kostet Geld

Auf die Nato-Staaten Europas kommen Mehrausgaben zu

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Zehntausende Soldaten, kreisende Hubschrauber, hunderttausende Zivilisten – die Feier des 70. Jahrestags der Landung der Alliierten gleicht einer allgemeinen Mobilmachung. Aber es gibt auch eine Mobilmachung in den Köpfen, ein Hauch von Kaltem Krieg liegt über den Stränden der Normandie. Das liegt nicht nur an dem stürmisch-verregneten Wetter dieser Tage, das übrigens an den Juni vor siebzig Jahren erinnert, sondern an der geopolitischen Großwetterlage in Europa und vor allem zwischen Rußland und den USA. So hatten sich die Nachfahren der Oberbefehlshaber von damals diesen Tag nicht vorgestellt. Paradoxerweise schwingt sich der amerikanische Präsident zum Wortführer gegen das imperialistische Ausgreifen Moskaus auf, obwohl gerade er mit Putin kaum noch ein Wort wechselt, im Gegensatz zu den Regierungschefs aus Europa, insbesondere aus Deutschland und Frankreich, die die Krise in der Ukraine militärisch nicht weiter eskalieren lassen wollen.

Für die Nato, deren Kern sich aus den Landungstruppen von einst entwickelte, ist die heutige Lage klar: Russland sei eine Bedrohung für den gesamten euro-atlantischen Raum, sagte Nato-Generalsekretär Rasmussen diese Woche in Brüssel. Der militärisch führende Partner des Bündnisses, die USA, reagiert darauf mit einer Aufstockung der Mittel. Eine Milliarde Dollar will Washington bereitstellen, um zusätzliche Streitkräfte in Europa zu finanzieren. Das ist ein deutlicher Wink an die Europäer, mehr Mittel in die Verteidigung zu stecken als bisher, oder wenigstens die Reduzierung der Wehrbudgets zu stoppen. Frankreich, das von den größeren Militärmächten in Europa derzeit die größten finanziellen Schwierigkeiten hat, handelt in diesem Sinn. Paris hat entschieden, die geplante Reduzierung nicht vorzunehmen. Es bleibt bei einem Finanzrahmen von 190 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2019, die geplante Reduzierung um zwei Milliarden pro Jahr ist gestrichen. Das liegt aber nicht nur an der russischen Bedrohung. In der vergangenen Woche hatte die Spitze des gesamten Generalstabs mit Rücktritt gedroht, sollten die Kürzungen vorgenommen werden. Premier Manuel Valls hatte daraufhin schon angekündigt, daß das Wehrbudget unberührt bleibe und Staatspräsident Hollande hat dies jetzt offiziell bestätigt.

Dieses Budget ist ein Minimum. Es macht 1,9 Prozent des Bruttosozialprodukts aus. Deutschland bringt 1,4 Prozent auf die Waage und liegt damit im hinteren Mittelfeld der Nato-Staaten in Europa. Vorne liegt Großbritannien mit 2,6 Prozent des BSP, Schlusslicht ist Irland (0,6 Prozent), Spitzenreiter Griechenland mit 2,8 Prozent. Die USA und Russland geben mit 4,1 und 3,9 Prozent etwa gleich viele Anteile am BSP aus, in absoluten Zahlen sieht es freilich anders aus. Moskau bringt 85 Milliarden Dollar pro Jahr für die Streitkräfte mit 1,207 Millionen Mann auf, Washington 636 Milliarden Dollar für seine 1,429 Millionen. Aber entscheidend sind nicht die Menge an Soldaten und Geld, sondern die Technologie. Hier liegen die USA unbestritten vorn, weil sie seit Jahren in die Rüstungstechnologie investiert haben. Ähnlich ist es mit Israel, das über eine der schlagkräftigsten Armeen der Welt verfügt und übrigens 7,3 Prozent seines BSP für die Verteidigung ausgibt. Überhaupt sind 2013 weltweit die Militärausgaben in den Ländern Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und natürlich dem Nahen Osten gestiegen, zum Teil sogar zweistellig, in Saudi Arabien etwa um 14 Prozent auf 67 Milliarden, das ist anderthalb mal so viel wie Deutschland (49 Milliarden Dollar). China hat seine Ausgaben seit 2004 sogar mehr als verdoppelt und steckte 2013 insgesamt 188 Milliarden Dollar in Aufrüstung und Verteidigung.

Natürlich stellt auch der Besitz von Atomwaffen eine Kategorie für sich dar. Aber trotz der spezifischen Anforderungen (London und Paris haben eine koloniale Vergangenheit mit Verpflichtungen bis heute) zeigen die Zahlen, die man leicht im Netz auf den Seiten der Nato oder des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri findet, daß Europa die sogenannte Friedensdividende nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion „verfrühstückt“ hat und nun angesichts der neuen Bedrohungslage vor der Frage steht, wie man die Sicherheit in den nächsten Jahren finanzieren will. Darüber wird im September entschieden. Sicher ist, daß der Trend zur Reduzierung gebrochen ist und die Budgets demnächst auch in Europa steigen werden. Denn für die Sicherheit gilt das gleiche wie für die Demographie. Franz Josef Strauß hatte das einmal so formuliert: Es ist unsinnig, einem sterbenden Volk gesunde Haushalte zu hinterlassen. Ebenso unsinnig ist es, die Sicherheit auf dem Altar der Sparhaushalte zu opfern – darüber freuen sich nur die Regime, die wegen ihrer militärischen Stärke künftig davon profitieren könnten.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Carolus

Obama will auf dem Rücken Europas gegen Russland Krieg führen, und dagegen müssen wir uns wehren! Er hat die Maidan-Rebellion initiiert und sogar die Sniper-Morde dürften auf sein Konto gehen (ähnlich in Venezuela und in Syrien).
Die Krimbewohner haben mehrheitlich entschieden, zu Russland zurückzukehren, und das muss man respektieren.
Imperialismus sehe ich nur auf US-Seite (Einkreisung Russlands gemäß Brzezinski)

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