Selbstexperiment: Man kann auch ohne Alkohol unseriös sein

Seit Anfang Januar verzichte ich zu 100% auf dem Stoff. Jetzt ist Fasnet (Karneval) und alle Besoffenen um mich herum kommen mir dämlich vor. Ich kann jedem nur raten, es mal auszuprobieren! Ist eine Veranstaltung nüchtern und langweilig, dann liegt das nicht am fehlenden Alkohol.

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Hier zu Lande ist es einfacher Alkohol zu kaufen, als eine Schmerztablette. Seit Anfang Januar verzichte ich zu 100% auf dem Stoff. Jetzt ist Fasnet (Karneval) und alle Besoffenen um mich herum kommen mir dämlich vor. Mit Tradition oder Kultur hat das nichts mehr zu tun: Es geht nur noch ums Besäufnis!

Die Droge Alkohol ist gesellschaftlich akzeptiert und schwer in Mode. Wer nichts trinkt gilt sofort als komisch. Bei abstinenten Frauen wird hinter vorgehaltener Hand oft auch eine Schwangerschaft vermutet. Doch man kann auch nüchtern unseriös und lustig sein. Wer seinen Spaßfaktor auf das berauschende Gesöff reduziert, der macht meiner Meinung nach einen großen Fehler. Gerade jetzt an Karneval fällt mir eines besonders auf: Mütter und Väter besaufen sich vor ihren Kindern; es wird gelallt, geschlägert und gegrölt. Nicht die Jugendlichen “Komatrinker” fallen mir auf.

Laut Säuferdefinition gibt es mehrere Begriffe: Genusstrinker, Quartalstrinker, Alltagstrinker, Alkoholiker und Alkoholkranke. Als Alkoholiker sieht sich komischerweise niemand. Wenn jemand einmal pro Woche eine Joint raucht, dann würde man den ja auch als Kiffer bezeichnen, wer sich aber einmal pro Woche betrinkt ist laut gängigem Sprachgebrauch kein Alkoholiker. Alkoholiker sind in der Umgangssprache die Alkoholkranken, die bereits zum Frühstück ihren Stoff benötigen. Für mich ist jeder, der regelmäßig Alkohol trinkt, ein Alkoholiker. Ich finde das nicht schlimm oder skandalös. Es ist einfach nur eine Feststellung.

Laut Gesundheitsministerium trinkt 96,4 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren Alkohol. Knapp 2 Millionen Menschen werden als “Abhängige” in der Statistik geführt. Es handelt sich also um eine Droge, die alle Gesellschaftsschichten und Altersklassen erreicht. Die staatlichen Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Alkohol betragen zirka 3,5 Mrd. Euro jährlich. Über 74.000 Menschen sterben jedes Jahr an Alkohol; das sind 16 mal so viele Tote, wie die Gesamttodesopfer im Straßenverkehr.

Auf Alkohol zu verzichten ist extrem schwierig. Mein Selbstexperiment wäre bereits nach einigen Tagen fast gescheitert. Die größte Herausforderung ist nicht das intrinsische Verlangen, sondern der gesellschaftliche Druck. Früher war mir das nicht so sehr bewusst, aber inzwischen sehe ich die Fallen: Dauernd bekommt man ein Getränk angeboten und muss nein sagen. Aber vielen reicht ein nein nicht. Man muss sich ständig rechtfertigen und erklären, warum man denn nun nichts trinken möchte. Man ist laufend damit beschäftigt sich zu verteidigen. Hinzu kommen Verharmlosungsspüche wie “ein Gläschen geht immer”. Aber wenn man stark ist, dann schafft man es.

Fast 100% der Erwachsenen trinken regelmäßig Alkohol. Dabei ist Alkohol auch ein Dickmacher. 4 Viertele Rotwein haben immerhin knapp die Energie von 700kcal. Ein einziges Bier (0,33l) entspricht der Energie einer ganzen Banane! Und das berühmte “Radler” mit weniger Alkohol hat den selben Brennwert wie ein Wiener Würstchen. Alkohol hemmt zudem den Fettabbau, so das sich bei chronischem Alkoholgenuss in der Leber Fett ablagert. Auch der Blutglukosespiegel nimmt ab und verursacht dabei unter anderem Kopfweh. Alkohol ist ungesund – auch kleine Mengen.

Ich kann jedem nur raten, es mal auszuprobieren! Einfach mal testen, ob man es schaffen würde. Und ist eine Veranstaltung nüchtern langweilig, dann liegt das nicht am fehlenden Alkohol, sondern eher an der mangelnden Qualität der Veranstaltung. Tradition, Kultur, Spass, Tanz und Musik sollte so gut sein, dass man sie auch ohne Drogen ertragen kann. Gerade jetzt an Fasnacht!

Zuerst erschienen auf pinksliberal.wordpress.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: D.Eppendorfer

Tja, so ist das wohl in einer Gesellschaft, die das gehorsame Angepasstsein, das devote Mitläufertum zur höchsten Verhaltensmaxime erhoben hat, um sich als jämmerlicher Solo-Waschlappen in einer möglichst großen Grölhorde dann stark zu fühlen. Um dieses Phänomen zu beobachten, muss man nicht erst auf saisonale Highlights wie Karneval warten, denn diese zwanghaft alkoholisierten Verblödungszeremonien finden auf jedem Dorffest und Provinzfußballplatz statt. Und wehe dem, der da nicht mitmacht; der kann von Glück sagen, wenn er nur giftig angepöbelt wird und nicht mehr auf einem Scheiterhaufen landet. Der einzelne Mensch mag ja auch ganz nette freundliche Aspekte beinhalten - sobald er aber in der Masse unterwegs ist, wird er zum blutrüstigen Mob, der nicht weiß, warum er tollwütig Amok läuft.

Schlichte bzw. primitive Gemüter werden niemals begreifen,welchen köstlichen Rausch ein nüchterner kluger Geist einem schenken kann, ohne sich komplett zum Affen zu machen. Aber vermutlich ist letzteres für den Durchschnitt gerade der lockende archaische Reiz in einer überstrukturierten faden Sonderpreis-Zivilisation, die Männer zu brav kuschenden mülltrennenden Sitzpinklern umerzog. Der Deutschmichel fühlt sich inzwischen jedoch ganz wohl in seiner lethargischen Paraderolle als Pantoffelheld vor der Glotze. Nur am Wochenende muss er dann raus und für seinen Bolz-Verein Randale machen, um sich daran zu erinnern, dass er eigentlich Konan sein will. Und am nächsten Morgen verlangt dieser Berserker dann wehleidig jammernd nach einer Dreifachportion Aspirin. Wäre er nicht so mitleidheischend erbärmlich, könnte man glatt laut über ihn lachen, diesen Standardtrottel.

Wie sagte Jesus am Kreuz doch so trefflich: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Daran erkennt man, dass an etwas glauben und dem dann auch nachzueifern doch zweierlei Paar Schuhe sind. Die meisten belassen es beim gedankenlosen nachplappern und fühlen sich damit normal. weil es so viele gibt, die dasselbe tun. Quantität als Beweis für Qualität - so simpel ist das.

Gravatar: Coyote38

Nun ja ... man könnte es beispielsweise einmal mit den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" von Theodor Fontane, dem "Zauberberg" von Thomas Mann oder vielleicht dem "Glasperlenspiel" von Hermann Hesse probieren.

Das dürfte nicht nur gehaltvoller als "Strüssche un Kamelle" und die "taz" (sowieso) sein, sondern vielleicht bekäme dieses Land dann in Zeiten von III.-R.-Dauerberieselung, "Dschungelcamp", Multikulti-Lobpreisungen und "DSDS" mal wieder ein Gefühl für - oh, schlimmes Wort ... Achtung !!! - die eigene Kultur.

Gravatar: Crono

Tja, was sollte man sonst in der BDR mit der freiheitlichen Zeit machen? Sich bis zum Verblöden multikulturalisieren, sich mit der moralischen Erbschaft des III R. tagtäglich kasteien, sich mit dem Inhalt der T.A.Z. kognitiv bereichern und nach deren Lektüre (!?!) das eigene Deutschselbsthaß inbrünstig in der Öffentlichkeit pflegen?
Fragen über Fragen ...

Ich vermute, daß der Gendefekt bei Ihnen zu suchen wäre .. :-)

Gravatar: Susanne Baumstark

Kleiner Tipp: Zur nächsten Veranstaltung ein paar Bananen mitnehmen und diese dauernd den Leuten anbieten. Wenn die Leute ablehnen, sie fortlaufend zur Rechtfertigung drängen; zwischendurch immer wieder sagen: „Eine Banane geht immer.“ Oder: „Ein Banänchen in Ehren kann niemand verwehren.“ Zu dem ganzen Theater noch etwas irritiert gucken und somit der Person deutlich machen, dass sie sich mit ihrem Bananenverzicht äußerst verdächtig macht.

Gravatar: Coyote38

Ob nun mit oder ohne Alkohol: Karnevalszeit ist IMMER bescheuert.

Es geht mir schon seit 43 Jahren nicht ein, was an diesem Brechstangen-"Humor" mit Gardekostümen, Funkenmariechen, Sitzung und Prinzenpaar "komisch" sein soll.

Ich persönlich halte das für einen rheinländischen Gendefekt.

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