Sechs Kandidaten, eine Bilanz und viele Plus- wie Minuspunkte

Etlicher Schwachsinn hat in diesem Wahlkampf zeitweise das Amt des Bundespräsidenten auf das Seitenblicke-Dancing-Stars-Dschungelcamp-Niveau herunterzudrücken gedroht.

Veröffentlicht:
von

Die Kandidaten mussten zur allgemeinen Belustigung kochen, Melodien erraten, Süßigkeiten verteilen, Kinokarten abreißen usw. Mussten sie wirklich? All diese Dinge wären jedenfalls bei früheren Präsidenten völlig undenkbar gewesen. Dennoch hat der Präsidentenwahlkampf letztlich doch für jeden Kandidaten eine Reihe von eindeutig zuordenbaren Plus- und Minuspunkten gezeigt. Deren Auflistung und Bewertung könnte hilfreich für die nun fällige Entscheidung sein. Heute für die ersten drei Kandidaten.

Zuvor freilich noch eine enttäuschte generelle Bemerkung: Alle Sechs waren bemüht, nicht allzu viele Kanten zu zeigen. Was ja an sich verständlich ist – solange es sich in akzeptablen Grenzen der Glaubwürdigkeit hält.

Wirklich widerlich ist aber, dass sich die gesamte Kandidatenschar von der Kronenzeitung de facto erpressen und unter Druck setzen hat lassen. Dieses Blatt vertritt ganz offensichtlich die Interessen der großen und großflächig inserierenden Handelsketten, die ihre Profite im Falle TTIP durch mehr Wettbewerb bedroht fühlen, weil sie bei allen internationalen Vergleichen teurer sind als beispielsweise ihre deutschen Kollegen. Für die Krone hingegen ist völlig uninteressant, dass mehr Wettbewerb immer primär den Konsumenten nützt. Sie ist dagegen, sobald er den Inserenten schadet.

Alle sechs sprachen sich jedenfalls gegen das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA aus. Vermutlich alle – oder zumindest die meisten von ihnen – taten das wider besseres Wissen. Denn TTIP würde ja nicht nur den Konsumenten, sondern auch den Arbeitsplätzen nutzen. Es kann kein seriöser Zweifel bestehen, dass die seit Jahren darniederliegende Wirtschaft Österreichs und damit der von wachsender Arbeitslosigkeit geplagte Arbeitsmarkt eigentlich TTIP (und ähnliche Abkommen mit anderen Weltregionen) dringend benötigen. Das wäre nach einem Jahrzehnt der Krise ein ganz wichtiges erstes Signal einer Wiederbelebung.

Die Kandidaten hatten aber alle panische Angst vor einer Schmutzkampagne der Krone gegen ihre Person (trotz der rapide schwindenden Marktanteile der einstigen Zeitung Hans Dichands). Alle sechs knickten daher ein.

Das wäre jedoch nicht zwingend gewesen, wie das Exempel des letzten Politikers zeigt, der es gewagt hat, sich den Drohungen der Krone frontal entgegenzustellen. Das war Wolfgang Schüssel im Jahr 2000, als er sich trotz kämpferischer Krone-Aufmacher (zugunsten von Rot-Schwarz) für Schwarz-Blau entschied. Schüssels Entscheidung hatte so großen Erfolg und so starke Sogwirkung, dass das damals noch sehr auflagenmächtige Dichand-Blatt nach einer Woche komplett die Richtung seiner Kampagne ändern musste und zum großen Verteidiger der Regierung mutierte.

Zurück zum jetzigen Wahlkampf: Ohne dass es die Krone bemerkt hätte, haben sich mehr oder weniger alle Kandidaten durchaus ein TTIP-Hintertürchen offen gelassen. Sie haben relativ gleichlautend formuliert: Sie würden TTIP in der vorliegenden Fassung nicht akzeptieren. Das ist freilich leicht einhaltbar: Denn derzeit liegt ja noch gar keine Fassung vor, der man zustimmen könnte…

Ansonsten aber gibt es durchaus viele interessante und zwischen den einzelnen Kandidaten unterschiedliche Akzente. Die mir teils positiv, teils negativ erscheinen. Heute befasse ich mich mit den ersten drei, morgen oder übermorgen folgen die anderen drei.

Alexander van der Bellen

Das Positive:

  • + Er ist unter allen – durchwegs sympathischen – Kandidaten wohl der netteste. Man würde ihn gerne zu sich nach Hause einladen, weil er zuhört und nachdenkt, und weil er am wenigsten von allen immer gleich mit den üblichen fertiggestanzten Politikerantworten kommt. Er kommt auch  bei Frauen besonders gut an.
  • + Er hatte unter allen Kandidaten die weitaus beste Plakatkampagne, die Sympathie transportierte. (Allerdings gehen mir Bilder mit Hunden auf politischen Plakaten eindeutig zu weit. Sie erinnern auch lebhaft an Adolf Hitler, dessen Propaganda ja ebenfalls mit Hundebildern Sympathiewerte für den Diktator zu entwickeln versucht hat. Daher hätten solche Bilder bei jedem anderen Kandidaten ein wüstes Losheulen der Grünen samt Anzeigen wegen Wiederbetätigung ausgelöst).

Das Negative:

  • -         Eine Wahl Van der Bellens wäre ein massiver Rückschlag für alle Bemühungen, Österreichs Grenzen besser zu kontrollieren und den Migrationsstrom kleiner als im Vorjahr zu halten (wobei die von der Regierung anvisierten 37.500 Neu-Asylanten jährlich ohnedies alles andere als wenig sind). Selbst wenn der Bundespräsident diesbezüglich keine direkten Kompetenzen hat, würden dann in der SPÖ all+ jene linken Kräfte wie Wehsely&Co wieder Oberhand bekommen, die zur extensiven Willkommenskultur des vergangenen Herbstes zurück wollen. Dass Kandidat VdB zu dem Thema gerne nur wolkig-unpräzise-allgemein herumredet, ändert nichts an dieser klar drohenden Konsequenz seiner Wahl.
  • -         Eine Wahl des grünen Kandidaten wäre auch eine ganz klare Weichenstellung, welche Koalition wir nach der nächsten Wahl bekommen werden: Rot-Schwarz (das sich ja wohl nicht mehr ausgehen wird) wird dann durch eine Kenia-Koalition Rot-Schwarz-Grün ziemlich nahtlos fortgesetzt. Bei einer VdB-Wahl brauchen wir eigentlich gar nicht mehr einen Nationalrat wählen zu gehen…
  • -         Van der Bellen hat bei vielen seiner Auftritte alt, müde und desinteressiert gewirkt – viel stärker als alle seine Konkurrenten, selbst als Richard Lugner, obwohl dieser weit mehr als zehn Jahre älter ist als er.
  • -         Ein kritisches – wenn auch keineswegs gewichtiges – Faktum am Rande ist Van der Bellens massives Rauchen: Damit ist er jedenfalls kein gutes Vorbild, zeigt doch die Statistik, dass Raucher im Schnitt um mehr als zehn Jahre früher sterben (das Rauchen ist auch ein Grund, ihn doch nicht zu sich nach Hause einzuladen…).
  • -         Er hat mit dem Plakatieren von wertkonservativen und traditionell nur Schwarz und Blau zuzuordnenden Vokabeln wie „Heimat“ oder „Österreich“ zwar an sich sehr positive und sympathische Signale gesetzt. Nur sind diese absolut unglaubwürdig geblieben. Denn der langjährige Vorsitzende der Grünen hat sich von keiner einzigen linksradikalen Position seiner Partei distanziert. Auch nicht von denen, die diesen Worten diametral negativ gegenüberstehen. Zum grünen Selbstverständnis hat immer tiefste Verachtung für Sätze à la „An Österreich glauben“ gehört. Das ist in grünen Ohren verhasste Heimat-Tümelei. Der Satz „Wir alle gemeinsam“ auf VdB-Plakaten würde von den üblichen grünen Stereotypen überhaupt sofort als faschistisch denunziert. Aber die Grünen halten alle bis zum Wahltag den Mund, weil sie spüren, dass einer von ihnen nur in konservativer Tarnung Erfolgschancen hat.
  • -         Van der Bellen distanziert sich nicht einmal von üblen Ausritten seiner Nachfolgerin Glawischnig, die weniger als eine Woche vor der Wahl Österreich als „Schurkenstaat“ bezeichnet.
  • -         In einen ständigen Wirbel hat sich Van der Bellen mit seinen immer wieder variierten Aussagen hineingeredet, ob, wie und warum er einen freiheitlichen Bundeskanzler trotz parlamentarischer Mehrheit nicht angeloben würde. Er sprach öffentlich sogar davon, den Nationalrat aufzulösen, um eine Regierung unter einem Freiheitlichen zu verhindern.
  • -         Dabei zeigte er nicht nur schwache Verfassungskenntnis, sondern auch eine undemokratische Haltung. Überdies würde Van der Bellen eine veritable Staatskrise auslösen, wenn er das wirklich täte.
  • -         Eine Realisierung dieser Ankündigungen ist freilich wegen eines anderen Minuspunktes in seiner Persönlichkeit keinesfalls zu erwarten: Van der Bellen zieht nämlich nie irgendein Vorhaben konsequent durch. Nicht einmal die nach der Wahl 2002 schon fertig ausgehandelte schwarz-grüne Koalition kam letztlich zustande. Er wäre durch seinen Charakter eines nie wirklich handelnden Cunctators für jede Regierung letztlich ein sehr bequemes Gegenüber.
  • -         Van der Bellen galt nach Aussagen vieler, die damals mit ihm näher zu tun hatten, – auch schon in seiner Uni-Professoren-Zeit als nicht gerade fleißig. Wissenschaftliche Hinterlassenschaften von ihm sind nicht auffindbar.
  • -         Auch als Universitätsbeauftrager des rotgrünen Wiens hat er keinerlei relevante Spuren hinterlassen.
  • -         Er wurde 2010 mit einer hohen Anzahl von Vorzugsstimmen aus an sich unwählbarer Position in den Wiener Gemeinderat gewählt, hat dann aber zwei Jahre lange dieses Mandat nicht angenommen (oder so lange über das Wahlergebnis nachdenken müssen?). Er ist lieber im Nationalrat sitzen geblieben. Was eine ziemliche Verhöhnung der eigenen Wähler war.
  • -         Wirklich nur noch als verlogen kann man es bezeichnen, dass Van der Bellen als „unabhängiger“ Kandidat auftritt. Denn seine Kampagne ist praktisch zur Gänze von den Grünen finanziert und organisiert worden: zwei Millionen grünes Parteigeld stehen 146.000 Euro an privaten Spenden gegenüber – und auch die kommen primär von grünen Abgeordneten.
  • -         Van der Bellen schwärmt öffentlich nicht nur für Bruno Kreisky (dessen gravierende außen- und wirtschaftspolitischen Schattenseiten ihm offenbar nicht bewusst sind), sondern auch für Christian Broda, also einen Mann, der nicht nur eine kommunistische Vergangenheit hat, sondern als Justizminister auch viele Nazi-Täter auffällig verschont hat.
  • -         Der grüne Kandidat hat nie auch nur das leiseste Wort der Kritik an den aggressiven und zum Teil gewalttätigen Aktionen von zum guten Teil aus seiner Partei kommenden Aktivisten gegen FPÖ-Bälle geübt.
  • -         Für seine Ablehnung von TTIP (das er früher noch voll begrüßt hatte!), fand Van der Bellen ein besonders intelligenzarmes Argument: Europa würde dadurch „gentechnisch verseucht“.
  • -         Van der Bellen hat auf Fotos, die ihm bei der – ansonsten zweifellos dümmlichen – ORF-Wahlfahrt gezeigt worden sind, nicht einmal dem Regierungschef des zweitgrößten Nachbarlandes erkannt (Renzi). Was ein weiteres kleines Indiz ist, dass er sich kaum für internationale Vorgänge interessiert.

Vollständiger Beitrag erschienen auf andreas-unterberger.at

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Diederich Heßling

Wenn Bellen Präsident würde wäre Österreich verloren! Für immer und ewig. Verlogener geht nicht mehr! Ansonsten sehe ich nur noch die, obwohl sonst sympathische Frau Griss als Fehlbesetzung. Ihr dummes Gehabe mit dem Binnen-I und ihre Merkelnähe sind nicht zu ertragen. Mögen diese beiden dem österreichischen Volk erspart bleiben!

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang