Schwerer in Gemeinden als in Schulen

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Wer meine gestrige Sendung „Die Stunde des Herrn“ auf dem Internetsender KingFM gehört hat, dem sind vielleicht auch die Erläuterungen von Claudia Wellbrock vom Verein „Rahel“ nahegegangen. Es war für mich jedenfalls ein eindrucksvolles Telefonat mit einer Frau – stellvertretend für andere bei Rahel engagierte Mitstreiter – die auf scheinbar verlorenem Posten kämpft: 100.000 Abtreibungen (offiziell) in Deutschland, eine finanzkräftige und vor allem in allen gängigen Parteien vertretene Abtreibungslobby, ein Gesellschaft, die meint, ein „Recht auf Abtreibung“ propagieren zu können – und sie ist konfrontiert mit den Frauen, die das ausbaden müssen, die unter einer Abtreibung leiden und unter deren Folgeschäden, seien sie psychisch oder physisch, die von den Lobbyisten wie pro familia (was für ein zynischer Name) schlicht abgestritten werden.

Dabei nimmt Rahel eine besondere Stellung in der Lebensrechtsbewegung ein, da der Verein sich um Frauen und ihre Probleme kümmert, die bereits eine Abtreibung vorgenommen haben. Claudia Wellbrock setzt ihre Zeit und Energie zusätzlich noch in Vorträgen und Aufklärungsarbeit in Gemeinden und Schulen ein. Kindern und Jugendlichen den Wert der Sexualität zu vermitteln, dessen Missbrauch sich eben nicht einfach durch eine Operation nivellieren lassen, das ist in heutiger Zeit eine Sisyphos-Arbeit, die auch kaum Unterstützung, und sei es nur durch Lippenbekenntnisse, erfährt.

Umso mehr erstaunte mich ein Satz, der leider erst am Ende meines Interviews fiel, auf den ich dann nicht mehr eingehen konnte. Auf die Frage, wie man Rahel denn unterstützen könne, war eine Antwort, man könne helfen „Türen zu öffnen“ – und dann „Es ist leichter für uns, in Schulen reinzukommen als in Gemeinden!“

Das erinnert fatal an die Geschehnisse in den Bistümern Augsburg und Speyer um das Lebensrechtsprojekt 1000plus, in denen den Gemeinden mehr oder weniger untersagt wurde, Werbung für 1000plus zuzulassen. Die Argumentation könnte an dieser Stelle vermutlich genau so laufen: „Wir bieten allen Menschen Hilfe an, darum brauchen wir keine privaten Initiativen, auf deren inhaltliche Arbeit wir keinen Einfluss nehmen können.“ Nein, das ist kein Zitat, dass irgendeine katholische Stelle im Hinblick auf Rahel getan hat, es ist nur die Übersetzung der Argumentation aus der 1000plus-Aktion im Hinblick auf die Schwierigkeiten von Rahel, Zugang zu Gemeinden zu finden.

Es gibt von meiner Seite auch keine tieferen Untersuchungen zu dem Thema, was man aber sagen kann: Es passt ins Bild! Die meisten Bistümer mussten sich erst vom damaligen Papst Johannes Paul II. zwingen lassen, aus der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung auszusteigen, die für katholische Einrichtungen aufgrund der Ausstellung des zur Abtreibung berechtigenden Beratungsscheins keine Alternative darstellt. Und da man es darüber hinaus in den letzten Jahrzehnten nicht verstanden hat, den Wert des Lebens auch jenseits kirchenrechtlicher Konsequenzen aufzuzeigen, steht man nun vor dem Scherbenhaufen, dass die Anklage der Kirchen gegen die hunderttausend Abtreibungen pro Jahr, außerhalb der Kirche nicht mal mehr zur Kenntnis genommen werden.

Da stehen dann eben Laienlebensschützer an der Front und müssen sich in diversen TV-Formaten vorführen lassen, während sich die versammelte deutsche katholische Bischofsgemeinschaft nicht mal schafft, sich einmal im Jahr zum„Marsch für das Leben“ in Berlin aufzuraffen und die paar Kilometer vom Kanzleramt zum Dom zu laufen. Und Initiativen wie die von 1000plus oder Rahel stehen bei den Gemeinden vor verschlossenen Türen, weil sie dem Proporz und dem Selbstverständnis der kirchlichen Institutionen widersprechen, alleine für die Menschen zuständig zu sein und alleine ein Angebot machen zu können, selbst dann, wenn es seit Jahrzehnten erfolglos verläuft.

Könnte man einen Effekt von nicht nur aus demographischen Gründen sinkenden Abtreibungszahlen beobachten, könnte man beobachten, dass kirchliche Lebensschutz- und Familienunterstützungsaktionen omnipräsent wären, statt auf Webseiten ein verstecktes Dasein zu fristen, dann könnte man in der Tat annehmen, dass es besser sei, die Bemühungen nicht zu stark zu zersplittern. So wie die Dinge aber liegen, stellen die kirchlichen Einrichtungen die Splitter da, die sich am großen Teil der Lebensschützer orientieren sollten.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Richard

Ich finde es absolut richtig, dass die Mehrheit der deutschen Bischöfe nicht mit dubiosen Vereinen, die frauenfeindliche und antidemokratische Politik vertreten, und deren Mittelverwendung nicht zu kontrollieren ist, zusammenarbeiten. Schon gar nicht mit "1000plus" rund um diesen seltsamen Herrn Aufiero.

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