Schöne Bescherung

Der Weihnachtsmann kommt 2012 in Form von gierigen Politikern und reichen Südeuropäern daher. Zum Feiertag sehnt sich unser Kolumnist nach echter Idylle.

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Leise rieselt der Schnee. Blütenweiß bedecken seine Flocken Stadt und Land. Ein jeder ist noch schnell unterwegs, sich mit dem Nötigsten einzudecken. Alle Spuren verwischen im Flockentanz. Am liebsten würden Mensch und Tier jetzt unter einer warmen Decke überwintern und lautlos Gras über alles wachsen lassen.

Doch heute kommt der Weihnachtsmann. Wie jedes und alle Jahre wieder. Wenn er doch bliebe. Wenigstens für eine längere Zeit. Oder sogar für immer. Er schenkt Gelegenheit und verheißt eine gute Zeit, schöne Geschenke machen zu können und sich auch selbst reich beschenken zu lassen. Mit großen Kinderaugen zu träumen. Auch von der alten Zeit, in der alles noch geordnet und rundum gut war.

Verregnete Wirklichkeit

Doch noch vor allem Neuanfang zieht ungebeten Regen auf. Der Wind treibt seine Schauer über durchnässtes Land und weht verwirbelnde Gichtwolken durch die Straßen. Tropfenstrudel trommeln an die Fenster und die Eisblumen verschmelzen zu Tau. Überall verwandelt sich der weiße Traum in graubraunen Matsch. Zu Pfützen verschmolzen rinnt er in die Gullis der Kanalisation.

Zurück in nasskalter Zeit offenbart sich hinter Regennebeln eine Wirklichkeit, die für alle Zeit „Friede auf Erden“ suchen lässt, den wir uns selbst aber nicht schenken können. Nordkorea und Iran, Taliban und Pakistan, Afghanistan und Nahost, Rohstoffhunger und Klimawandel. Das ist der „ganz normale Wahnsinn“ (Udo Jürgens). Obendrauf die hausgemachten Krisen unsrer Zeit. Dazu Europa im Zeichen einer sich selbst dezimierenden Bevölkerung.

Auch die Währung in Euroland steht nach wie vor Kopf auf Zahl. In den weichen Nebelschwaden wird weiter auf Sicht gefahr’n. Mit der Hoffnung, dass am Ende sich keine Wand in den Weg stellt und auch kein Abgrund sich auftut. Die Griechen dürfen bleiben im gemeinsamen Währungshaus und sich an der europäischen Solidarität weiter erwärmen. Dafür sollen sie brutal sparen, was das Zeug hält. Zugleich laufen wohlhabende Hellenen und auch betuchte Spanier wie Weihnachtsmänner durch Berlin und andere deutsche Städte, um mit Barem aufzukaufen, was im Grundbuch nicht niet- und nagelfest vergeben ist. So fließt auch deutsches Steuergeld wieder heim nach Deutschland und zurück nach Europa. Hoffentlich sind die nordeuropäischen und deutschen Steuerzahler nun auch kluge Weihnachtsmänner und kaufen sich bei fallenden Immobilienpreisen in Hellas ein!

Unersättliche Finanzminister

Auch für den Fiskus gab’s in diesem Jahr reichlich Bescherung. Als überaus spendabler Weihnachtsmann erwies sich der deutsche Steuerzahler und übergab den Finanzministern volle Säckel wie nie zuvor. Doch deren Hunger ist unersättlich und sie gieren nach mehr. Dem Schuldenalkoholismus verfallen, weiß der Staat recht gut, wo noch Most zu holen ist und hat Witterung aufgenommen: bei den Besserverdienenden. Dazu gehört auch schon der gutsituierte und fleißige Facharbeiter, dessen Leistungs- und Leidensfähigkeit von Rot-Grün bei einem Wahlsieg im September 2013 verstärkt getestet werden soll.

Zugleich wird die Kohle noch mehr rausgehauen als je zuvor. Politiker in den Demokratien der westlichen Hemisphäre scheinen von Hause aus geneigt, ihr Publikum mit dem Versprechen immer neuer Wohltaten einzukaufen. Wer sich aber bei schon reichlich überzogenen Konten weiter in die Fänge des Finanzkapitalismus begibt, der kommt dort auch in den Schwitzkasten. Denn das Geld will Geld verdienen – und nicht zu knapp. Schließlich kommt es ja nicht vom Weihnachtsmann.

Bei „der Jagd nach Rendite“, bei der Banker ganz schutzlos dem herrschenden Zeitgeist ausgesetzt sind, sitzt Deutschlands Bankhaus Nummer eins nun von der Polizei umstellt auf jeder Menge heißer Kohlen. Bilanzfälschung, Zinsmanipulation und Umsatzsteuerbetrug wiegen schon schwer, dazu der Kirch-Prozess und etliche Immobilien-Verfahren in den USA. Wenn aber die südeuropäischen Staaten und dann auch die gesamte Euro-Währungsgemeinschaft schon unfähig sind, bei den ersten Anzeichen einer Krise alle Fakten vollständig auf den Tisch zu legen, warum sollten Spitzenbanker dann willens sein, unverzüglich hinreichend Transparenz zu schaffen und etwaiges Fehlverhalten schonungslos zu offenbaren? Ein reflexartiger Rückzug in die Opferrolle, ein kleiner telefonischer Erpressungsversuch gegenüber der Politik und dann ein jammerndes Pauschal-Lamento über die Gier „in uns allen“ scheint doch viel geeigneter, eigenes Versagen zumindest moralisch zu vergesellschaften und damit zu relativieren. Dass man so kein gutes Bild und erst recht nicht das Vorbild eines ehrbaren Kaufmanns abgibt und die Reputation nicht nur des eigenen Hauses, sondern gleich auch der gesamten Branche mit aufs Spiel setzt, wiegt offenbar nicht schwer genug, um die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Da müssten die Topmanager dann schon wahre Weihnachtsmänner sein.

Diese rückten den Bankern heuer in Uniformen gewandelt auf die Bude; auf Geheiß der Staatsanwälte mit großem öffentlichem Tamtam. Wie schon bei der Hausdurchsuchung und Festnahme des ehemaligen Chefs der Deutschen Post Klaus Zumwinkel im Februar 2008, kamen diese Weihnachtsmänner in einer Mannschaftsstärke angerückt, als ginge es gegen das Hauptquartier der organisierten Kriminalität in Deutschland. „Tief betroffen“ musste der Chef der Deutschen Bank feststellen: „Die Bilder sind um die ganze Welt gegangen.“ („FAS“, 23.12.2012)

Der Weihnachtsmann kam noch nie

Marius Müller-Westernhagen steht nun mit seinem Lied vom „Pfefferminz“ wie ein Weihnachtsmann ohne was im Sack und auf recht verlor’nem Posten. „Ich glaube an die Deutsche Bank“, intoniert er seit 1979 voll Inbrunst. Damals glaubte wohl auch er noch an den Weihnachtsmann.

Der Weihnachtsmann aber kommt nicht mehr. Er kam noch nie. Zu bestaunen gibt es nur ein Kind in einer Krippe. In eine Krisenzeit geboren, wird es die härtesten Krisen bestehen. Für die, die diesem Kind vertrauen, ist allein dieses Christkind der wahre Weihnachtsmann.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf TheEuropean.de.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: schon wieder der Behinderte

@ H. K.
Das würde hier zu weit führen.
Nur soviel, ich habe innerhalb kürzester Zeit fast alles verloren (ein Dach über dem Kopf habe ich noch).

Glauben sie mir, sie wollen gar nicht wissen was ich z.B. innerhalb der letzten 4 Jahren erlebt habe.

Ich leide am Asperger Syndrom.

Wäre ich nur in der Lage mein Leben geordnet, schriftlich zu Papier zu bringen.

Gravatar: H. K.

@der Behinderte
Mich würde interessieren, was SIE getan haben, um den Kontakt zu den über 20 Verwandten zu pflegen.
Es fällt mir schwer zu glauben, dass alle Welt nur schlecht ist und ohne Grund nichts von Ihnen wissen will.

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