Schlacht um Europa in der Ukraine

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Der Ukraine-Konflikt ist zu einem Ukraine-Krieg geworden. Das muss man sich endlich eingestehen. Was dort abgeht, ist kein “Konflikt” mehr, sondern ein echter Krieg. Ein Krieg um Europa.

Sicher, der Krieg ist längst nach Europa zurückgekehrt, mit den Balkan-Kriegen in den 1990er Jahren. Damals ging es aber um irreguläre Trupps, zerfallende Staaten und alle Großmächte hatten eigentlich den Willen den Konflikt einzudämmen. Warum? Essentielle Sicherheitsinteressen der Großmächte waren nicht berührt, es war eben nicht mehr so wie 1914. Damals war der Balkan die Front zwischen den Einfluss-Sphären, heute ist es die Ukraine.

Wie immer bei Kriegen stellt sich die Frage nach der “Schuld”. Manchmal kann man sie klar beantworten, oft nicht. Der Krieg in der Ukraine ist so ein Fall. Es gibt nicht den Alleinschuldigen. Der Westen ist schuld, weil er Russland jahrelang in die Enge getrieben hat, weil er großkotzig alles auf eine Karte setzte und sich über Jahre als Herr der Welt fühlte. Wobei Westen hier vor allem die USA und ihr Instrument die NATO meint. Russland ist schuld, weil es natürlich die Kraft ist, die den Krieg im Osten der Ukraine anheizt, mit Waffen und Personal. Putin setzt auf Gewalt.

Allerdings setzte auch der Westen in den Jahren zuvor immer ungenierter auf Gewalt, zum Teil in völkerrechtswidrigen Kriegen. Die internationale Ordnung ist erodiert, zusammengebrochen und Russland war nicht das Land, das damit angefangen hat. Egal, was Putin jetzt macht, es bleibt festzuhalten, dass die USA es waren, die den Krieg im 21. Jahrhundert wieder salonfähig gemacht haben. Mit wohlfeilen Begründungen und auch mit Lügen, die Medienberichte darüber sind zahllos die letzten 15 Jahre. Es ist ein riesiges moralischen Kuddelmuddel entstanden, die Werte haben sich verschoben, die Gewaltbereitschaft steigt, Krieg ist eine Option geworden.

Jeder Krieg neigt zur Radikalisierung, zu unsinnigen Gewalttaten, zu Menschenrechtsverletzungen. Wir sehen das schon jetzt in der Ukraine und das wird noch schlimmer werden, wenn der Krieg weitergeht. Gerade darum wäre es notwendig den Krieg dort jetzt zu stoppen. Der Schrei nach Frieden verhallt jedoch, weil wir die Realitäten nicht sehen wollen. Es ist niemals so, dass zuerst die Waffen schweigen und dann verhandelt wird, sondern zuerst müssen die Interessengegensätze ausgefochten werden. Ursache eines Krieges sind genau diese Gegensätze. Während die Waffen sprechen muss man sich an die Lösung dieser Kernfragen heranwagen, erst dann wird Friede sein.

Insofern ist der Krieg in der Ukraine eine dreifache Schlacht um Europa: Erstens, weil dort über Einfluss-Sphären entschieden wird und zweitens, weil dort entschieden wird, inwiefern wir noch in der Lage sind, uns den knallharten Realitäten zu stellen. Darüber hinaus entscheidet sich in der Ukraine, welche Zukunft Europa haben wird: eine eigenständige, starke Macht in der Welt mit dem notwendigen Potenzial an Energie und Rohstoffen oder nur ein von den USA abhängiger Markt mit Industrie, aber ohne die dazugehörigen Rohstoffe und jederzeit in einen Mehrfrontenkrieg verwickelbar. Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, wenn wir uns jetzt verstecken.

Der Artikel ist zuerst erschienen auf dem Blog "Citizenseurope":

citizenseurope.wordpress.com

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