Schatten über Frankreich

Frankeichs Bauern fühlen sich vernachlässigt und gehen auf die Straße, die Taxifahrer sind empört über die Billigkonkurrenz von Uber - in vielen Bereichen gärt Unruhe. Und über allem liegt die Drohung neuer terroristischer Anschläge. Wann entlädt sich die Spannung?

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In Frankreich wächst der Unmut über die politische Klasse und die soziale Unruhe droht zu entgleiten. Gleich mehrere Berufsstände demonstrieren und blockieren Straßen und zudem berichten die Sicherheitsdienste von angeblich kurz bevorstehenden Terroranschlägen größeren Ausmasses. Die gesamte Szenerie des öffentlichen Lebens verdüstert sich.

Schon seit Monaten beschweren sich die Landwirte über die niedrigen Preise für Milch und Fleisch, die die Bauern in etlichen Regionen des Agrarstaats an den Rand der Existenz bringen. Sechs von zehn Bauernhöfen stehen vor der Pleite. Im Dezember waren aus mehreren Regionen lange Traktorschlangen auf der Autobahn nach Paris getuckert und hatten dort den Verkehr völlig lahmgelegt. Die Regierung hatte daraufhin mehrere hundert Millionen Euro an zusätzlichen Subventionen versprochen. Aber das hat für die meisten Bauern kaum Erleichterung gebracht. Jetzt gehen sie seit Tagen wieder auf die Straße und blockieren mit Misthaufen Ämter und Verkehrsachsen. Auch die Mitte der Woche von Agrarminister Stephane le Foll zusätzlich locker gemachten 125 Millionen Euro haben nicht zur Beruhigung beigetragen. Vor allem in der Bretagne und in der Normandie droht der Protest in Gewaltaktionen zu kippen. Vor dem Gebäudekomplex des regionalen Finanzamts in Rouen luden hunderte von Bauern Mist und alte Reifen an den Ausgängen ab. Die Regierung scheint ratlos.

Auch bei den Taxifahrern rumort es. Tausende blockierten am Mittwoch und Donnerstag die großen Straßen von Paris. Sie protestieren gegen „wilde“ Taxifahrer, die mit Billigpreisen und ohne Lizenz das ganze Gewerbe durcheinanderbringen. Auch hier zeigt sich die Regierung ratlos. Unruhe herrscht auch in den Schulen wegen angekündigter Reformen, die aber im Diskurs stecken bleiben. Unruhe auch im öffentlichen Dienst, bei der Richterschaft, in den Unternehmen. Und vor allem bei den Familien. Vier von fünf Franzosen sind nach einer neuen Umfrage über die Streichungen bei den Transferleistungen für Familien verärgert. Kein Wunder. Die Linksregierung Hollande/Valls hat die Steuererleichterungen für Familien gesenkt, ebenso die Geburtsprämie und den Zuschuss für die Betreuung von Kindern. Sie hat den Mutterschutz gekürzt und das Kindergeld vom Einkommen abhängig gemacht und mit solchen Maßnahmen gezeigt, daß sie Transferleistungen als Almosen betrachtet und nicht als Anerkennung für die Erziehungsleistung der Eltern. Diese Maßnahmen wurden nach der Salami-Taktik im Lauf von drei Jahren getroffen, damit es nicht zu großen Demonstrationen kommt wie bei linken Vorgängerregierungen in den achtziger und neunziger Jahren, als Mitterrand die Privatschulen abschaffen und Jospin das Kindergeld und Familiensplitting massiv kürzen wollten. Zwei von drei Franzosen halten diese Politik für verfehlt und führen den leichten Rückgang der Geburtenquote von 2,1 auf  1,96 Kinder pro Frau auf diese Politik zurück. Unbestreitbar ist, daß solche Maßnahmen nicht geeignet sind, die Planungssicherheit zu erhöhen, die gerade junge Familien mit Kinderwunsch brauchen.

Über allem aber liegt der Schatten des Terrors und der öffentlichen Unsicherheit. In diesem Sinn herrscht Jubel bei der Polizei über den Rücktritt der Justizministerin Christiane Taubira. Die Regierung kann jetzt  geschlossener auftreten, auch wenn die sozialen Unruhen anhalten. Denn neue Terrordrohungen stehen im Raum und wenn man den Sicherheitsdiensten Glauben schenkt, sind massive Anschläge auf volle Kirchen am Sonntag, auf Supermärkte, Schulen oder Tourismusstätten zu erwarten. Die Informationen darüber sind ziemlich konkret. Eine Kolonne von drei Wagen soll ein Massaker anrichten, indem der erste ferngelenkt und vollgestopft mit Sprengmaterial in die Menge fahren und dort in die Luft gejagt werden soll. Ein zweiter Wagen soll dann eine Gruppe Islamisten heranführen, die aus dem Wagen springen und so viel Menschen wir möglich, vorzugsweise Helfer und Sanitäter, erschießen sollen bis der dritte Wagen angerast kommt, in dem die Dschihadisten aufspringen und verschwinden, während der zweite Wagen explodiert. Mehrere Szenarien dieser Art werden bereits studiert und auf präventive Abwehrmöglichkeiten geprüft. Hier und da werden tageweise Schulen geschlossen wegen Terrorwarnungen und anonymer Anrufe. Unmerklich schleicht sich über die gespannte Athmosphäre auch eine leichte Hysterie ein. Zusammen mit der sozialen Unruhe ergibt das ein explosives Gemisch, von dem niemand weiß, wann, wie und wo es sich entlädt.

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