Rechnen, Schreiben und Lesen wären hilfreich

Mehr als 30 000 Ausbildungsplätze in Deutschland sind derzeit nicht vergeben. In manchen Branchen suchen Unternehmen fast verzweifelt nach geeigneten Bewerbern. Doch vielen jungen Leuten fehlen die einfachsten Voraussetzungen.

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Eine renommierte Düsseldorfer Versicherungsmaklerfirma hatte eine Lehrstelle zu vergeben. Ausgeschrieben wurde die Ausbildung zum Kaufmann für Versicherung und Finanzen, 750 Euro im ersten Lehrjahr, zusätzliche attraktive Qualifizierungsmöglichkeiten auf Kosten der Firma. Mehr als 50 Bewerbungen gingen ein, eine schlimmer als die andere. Unvorstellbare Rechtschreibfehler in Hülle und Fülle. Anrede falsch, Firmenbezeichnung falsch, und einer bekundete großes Interesse am Beruf des Speditionskaufmanns, der allerdings gar nicht angeboten wurde. In manchen "Bewerbungen" waren einfach Absätze aus Blanko-Vorlagen zusammenkopiert worden, nicht einmal die Formatierung angepasst. Schließlich lud die Geschäftsführung aus sozialer Verantwortung vier Bewerber zum Gespräch ein, die halbwegs ausbildungsfähig zu sein schienen. Zwei kamen erst gar nicht, ohne vorherige Abmeldung. Die beiden anderen scheiterten im Gespräch. Wir reden übrigens von Abiturienten, Fachabiturienten und Höheren Handelsschülern.

 

Auch aus anderen Branchen sind solche Erfahrungen häufiger zu hören. Unternehmen suchen händeringend Lehrlinge, finden aber keine geeigneten. Einfacher Dreisatz? Flächen berechnen? Allgemeinbildung – wie viele Bundesländer gibt es in Deutschland? Erbärmliche Antworten. Nicht bei allen natürlich, aber bei vielen. Sind die Kids selbst schuld, die sich mehr für Smartphones und Computerspiele interessieren? Sicher auch, doch es stellt sich zwingend die Frage nach den Lerninhalten an den Schulen.

 

 

Unsere Kinder lernen dort viele andere wichtige Dinge, wie ein Blick in Lehrbücher und Unterrichtspläne zeigt. "Ist der Klimawandel noch zu stoppen?" lese ich da als Unterrichtsthema, ergänzt um Informationen über die Gefahren des Temperaturanstiegs in NRW. Im Politikunterricht erfahren die Schüler unter der Überschrift "Käuferfalle Supermarkt", weshalb dort an der Kasse so viele unnütze Waren aufgeschichtet werden. Und selbst der Grundschüler von heute erfährt, wie man Kondome über Bananen streift.

Ich denke, erster Sinn und Zweck von Schule sollte sein, Kinder zu befähigen, ihr späteres Leben selbst organisieren zu können. "Das beste Sozialprogramm ist ein Job", sagte Ex-US-Präsident Ronald Reagan einmal zu Recht. Dazu sind Lesen, Rechnen und Schreiben unverzichtbar. Dann wäre es vielleicht noch wichtig, etwas über Geschichte und Naturwissenschaften zu wissen. Erst danach sollten die Rettung der Welt und die Erziehung zum modernen Mainstream-Menschen folgen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.rp-online.de

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gudrun

@Freigeist
Wo Sie Recht haben, da haben Sie Recht. Das viel zu viele Fernsehen ist ein riesiges Grundübel, das in seiner schädlichen Auswirkung auf die Kinder immer wieder verharmlost wird.
Eltern machen sich auch gern etwas vor mit "kindgerechten" Sendungen. Sie sind auch Fernsehen!

Gravatar: Freigeist

Schon einmal habe ich von der mir bekannten Familie geschrieben, die keinen Fernseher haben solang nicht alle Kinder ihr Abitur haben. Es wird noch gelesen in der Familie. Dass nicht mehr gelesen wird, ist nicht Schuld der LehrerInnen. Viel zu viele Eltern geben zu früh nach um ihre Ruhe zu haben und sind so blöd, gar einen Fernseher ins Kinderzimmer zu stellen.

Gravatar: Anne

@Ursula Prahsun, mit Illusionen meinte ich bildungspolitische Illusionen mancher Lehrer, die wenigsten bringen den Willen zur Zerstörung mit, kann es mir jedenfalls nicht vorstellen.
Es ist wie Sie sagen, die Zerstörung ist gewollt. Ausgehend von Universitäten, Pädagogischen Hochschulen
"Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken"

Gravatar: Gerald

@Ursula Prasuhn
Interessanter Gedanke: Schule als Jobmaschine.
Dabei kommt mir auch noch die florierende Nachhilfebranche in den Sinn.
Für diese Seite scheint sich die Verblödung der Schüler ebenfalls auszuzahlen.
Schon länger ist mir klar, dass im Schulwesen etwas nicht stimmt und dort Leute am Werk sein müssen, die alles andere im Sinn haben als die Schüler bestmöglich auf ihr eigenständiges Leben vorzubereiten.

Gravatar: Ursula Prasuhn

@Anne
Ich teile Ihre klare Meinung.
Was in der Bildung in den letzten Jahrzehnten geschehen ist, würde ich jedoch nicht als "Marsch durch die Illusionen" bezeichnen, sondern als bewusste Zerstörung bewährter Strukturen und Methoden zum Zwecke der Umkrempelung unserer Gesellschaft. Mit Illusionen wird allerdings nach wie vor das Wahlvolk gefüttert, das zum großen Teil noch immer an gute und sinnvolle Absichten glaubt, deren Verwirklichung allerdings am Geldmangel scheitert.
Wie sonst ist die gebetsmühlenartige Forderung aller Parteien nach mehr Geld für die Bildung zu erklären? SPD und Grüne begründen mit ihr jetzt schon ziemlich erfolgreich ihre exzessiven Steuererhöhungspläne bei einem Wahlsieg.
Einstmals brauchte es nur Lehrer für eine erstklassige Bildung, heute braucht es noch Sozialarbeiter, Psychologen und weitere Therapeuten für seltsame „Krankheiten“ wie Legasthenie, Dyskalkulie oder ADS. Es drängt sich zunehmend der Eindruck auf, als sei die heutige Schule weniger ein gesunder Lernplatz für solides Wissen und Können als ein riesiges Lazarett mit immer mehr Beschäftigten durch sprudelnde Steuereinnahmen.
Manchmal frage ich mich, ob der Bildungsbereich überhaupt noch dem Nachwuchs dient und sich nicht zu einer eigenwilligen Helferindustrie entwickelt hat, die ständig neue Arbeitsplätze aus dem Boden stampft.

Gravatar: Freigeist

@H.F.
Gehen denn Ihre Kinder schon nach 16:00 Uhr ins Bett. Sie sollten bitte Ihre in der Schule erlernten Rechenkenntnisse hier nicht unter den Scheffel stellen um konservative Politik zu verkünden.

Gravatar: Anne

Der lange Marsch durch die Illusionen machte es möglich, unser Bildungssystem, einmal eines der besten weltweit, kaputt zu reformieren.

Gravatar: U. P.

In Frankreich wurde schon etwas früher als bei uns mit der verhängnisvollen Bildungspolitik begonnen, von der hier die Rede ist.
Kürzlich las ich Folgendes darüber:
„In der Grande Nation verblöden die Schüler
Das öffentliche Bildungssystem in Frankreich steht nach vierzig Jahren linker Reformpolitik vor dem Kollaps…
Schuld am Niedergang sei (laut Bruno Racine) eine …Kernvorstellung, dass die Schule allen möglichen Zwecken dienen solle, nur nicht den traditionellen: dem Vermitteln von Kenntnissen und Fertigkeiten.
Der Philosoph Alain Finkielkraut schlussfolgerte, dass wir einen …Vorgang erlebten, der den Hass und die Verachtung nicht nur gegenüber dem Lehrer, sondern auch gegenüber dem Wissen durchsetze.“

Gravatar: H. F.

@Freigeist
1) Internate sind Privatschulen mit Eltern als Kunden, die noch Interesse daran haben, dass ihre Kinder das lernen, was sie brauchen, um "ihr späteres Leben selbst organisieren zu können".
2) Die gemeinsame Wachzeit ist für Kinder und Eltern wichtig und nicht die Schlafenszeit. Oder korrespondieren Sie im Schlaf mit Angehörigen? Ich nicht.

Gravatar: Inkognitus

Es ist die seit drei bis vier Jahrzehnten an den Geisteswissenschaften der Unis und an den Schaltstellen der Pädagogik-Ausbildung grassierende Mischung aus Critical/Cultural Studies, Postmodernismus und Konstruktivismus, die in entscheidender Weise diese Situation hervorgerufen hat und zur Verachtung von Faktenwissen und grundlegenden Kulturtechniken geführt hat, Pädagogen einbleut, daß sie Schüler ja keine Methoden vorgeben dürfen, und "Wahrheit" nur noch als Deutungshoheit der Sieger von Machtkämpfen kennt. Mit dem Siegeszug des Konstruktivismus Mitte/Ende der 80er-Jahre begann der Niedergang der schulischen Bildung.
Gleichzeitig wird den Lernenden jede Verantwortung für ihr Schicksal abgenommen und den Lehrenden aufgebürdet. Beispiel: "Haben Sie wirklich alles dafür getan, daß der Schüler nicht ohne Abschluß die Schule verläßt?" oder "Betriebe müssen mit ihrer Ausbildung der Lebenswirklichkeit der Schüler entsprechen".

Gravatar: Petra

Und auch die CDU hat zu diesem erbärmlichen Bildungsniveau beigetragen.

Gravatar: Freigeist

@Karin Weber
Warum kommen denn aus Internaten so viele Leistungsträger? Ganztagsschule und schlafen bei den Eltern - und schon ist das Einsamkeitsproblem des Internates gelöst. Und kostet viel viel weniger.

Gravatar: Klaus Kolbe

@ Anne, 28.05.2013 12:21
@ Ursula Prasuhn, 28.05.2013 11:42
@ Karin Weber, 28.05.2013 08:42

Ohne das in Einzelheiten bestätigen zu müssen – meine volle Zustimmung!

Gravatar: Anne

Tja, wen wundern diese Ergebnisse, wenn in der Schule Rechnen, Schreiben und Lesen im Unterricht nicht mehr beigebracht werden. Unsere Tochter wurde in einer sog. Freiarbeitsklasse als Legasthenikerin eingestuft, was ich allerdings nicht glauben konnte. Das Maß war sowieso voll, ich nahm sie aus der Klasse, sie kam zu vernünftigen Lehrern, die ihre Schüler noch forderten. Diese Lehrer waren respektiert und sogar beliebt, bei Teilen der Elternschaft aber umstritten, da angeblich zu streng(!)
Unsere Tochter übrigens wurde eine Einser-Schülerin, bestand die Prüfung in Deutsch sogar mit Auszeichnung. Meine Enkel nun schreiben im 1. Grundschuljahr nach Gehör, die Eltern dürfen nicht einschreiten, um dem Lehrer nicht in den Rücken zu fallen wie es heißt.
Ich kann Eltern nur raten, ab und an einen Blick in Schulbücher zu werfen, und einen sehr kritischen in Kinderbücher allgemein, die Inhalte betreffend.
Haarsträubend, was auf unsere Kinder losgelassen wird!

Gravatar: Ursula Prasuhn

@Freigeist
Wünschen Sie Ganztagsschulen, weil Sie glauben, mehr Schulzeit bringe mehr Können im Lesen, Schreiben und Rechnen?
Falls Sie zu diesem Schluss durch meinen Kommentar gekommen sind, dann habe ich gründlich an Ihnen vorbeigeredet.
Ich bin eher für weniger Schule als für mehr, weil diese ihre Kernaufgaben nicht mehr erfüllt und auch nicht erfüllen soll. Noch mehr Zeit, um die Kinder von der Familie fernzuhalten und ihren Kopf mit Schrott zu füllen, ist die schlechteste aller Lösungen.

Gravatar: Karin Weber

@Freigeist:

Was bringen Ganztagsschulen? Es gibt sogenannte "Leistungskurven" und irgendwann hört die Aufnahmefähigkeit eines Kindes eben auch mal auf. Was macht dann eine "Ganztagsschule"? Sie verwahrt Kinder, damit die Eltern alle am Wertschöpfungsprozess teilnehmen können. Begreifen Sie so etwas nicht?

Ganztagsschule ist kein Vorteil für die Kinder, sondern eine kasernierte Unterbringung unter der Fuchtel des Staates. Es ist nicht mal mehr strafbar, den Kindern die Münder mit Klebeband zu verkleben. Letztens ging diese Meldung durch die Medien. Also können wir gespannt sein, was der Staat bald für Maßnahmen ergreift, wenn ein Kind der Ganztagsschule fernbleibt. Wir kennen das alle noch aus DDR-Zeiten, da war es die FDJ und die Jungen Pioniere.

@U. Prassuhn:

Ja, das Volk soll dummgehalten werden. Es reicht, wenn die die Kurzbuchstaben der Parteien kennen und wissen, das Merkel die Größte ist. Ach ja, das Kreuzlein für den Wahlschein müssen sie noch kennen. Aber vielleicht gibt es bald eine App für das Handy. Da wird dann automatisch gewählt wie bei einem Abzock-Abo.

Gravatar: Freigeist

@Ursula Prasuhn
Warum haben wir denn die Ganztagsschule noch nicht flächendeckend eingeführt?

Gravatar: Thomas Rießler

In diesem Gejammere von Teilen der Wirtschaft bezüglich angeblich nicht zu besetzender Ausbildungsplätze steckt meines Erachtens viel Scheinheiligkeit. Es gibt auch die andere Seite der Medaille: Gefakete Stellenangebote, die nur dem Zweck dienen, der Kundschaft ein positives Bild von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens vorzugaukeln. Wenn sich dann ein qualifizierter Mensch auf ein solches Stellenangebot bewirbt, wird in der Regel von Unternehmerseite nicht reagiert oder es werden Scheinprobleme kreiert, die eine Absage aus lächerlichen Gründen bezwecken sollen.

Gravatar: Ursula Prasuhn

Der Weg zu einem eigenständigen späteren Leben führt – wie Sie ganz richtig sagen, Herr Kelle – über die Beherrschung der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen.
Ich bin sicher, das wissen auch die Entscheidungsträger im Bildungswesen. Sie sind weder naiv noch dumm – auch wenn es immer häufiger so aussieht, als brauchten sie Nachhilfe.
„Die, die sich dumm stellen, sind gefährlicher als die, die dumm sind“, lautet das geflügelte Wort des ehemaligen Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel, der als ehemaliger CDU-Politiker genau weiß, wovon er spricht.
Bleibt die Frage: Warum legen die verantwortlichen Bildung – vornehmlich die aus rot-grün regierten Bundesländern – es schon seit Jahrzehnten darauf an, den Nachwuchs in den Kulturtechniken immer unfähiger aus den Schulen zu entlassen?
Die Antwort liegt als Binsenweisheit auf der Hand: Ein dummes Volk lässt sich leicht führen – auch hinters Licht. Ohne ausreichende Lese- und Schreibkompetenz sind genauere Information und gründlicher Gedankenaustausch schwierig. Alleinige Quellen für die Meinungsbildung werden immer mehr Radio und Fernsehen, die heute schon tendenziös, lückenhaft und auch falsch berichten und somit Volkesmeinung bestimmen. Dank vernachlässigter Kulturtechniken findet somit an Stelle von Information immer reibungsloser Manipulation statt.

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