Putins Pokerspiel

Russlands Zar hat nicht nur einen Schlachtplan: Er verfolgt gleich fünf davon auf einmal.

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Selbst das „Handelsblatt“, das den Amerikanern gegenüber Moskau „Pitbull-Politics“ mit „animalischer Härte“ und „gefletschten Zähnen“, aber „ohne Hirn“ vorwarf, wird kleinlaut. Er macht also weiter. Denn offenbar hat er einen Plan. Den zieht er auch durch; stur und unbeeindruckt. Die Hände am Geld- und Gashahn, den Bleifuß auf dem militärischen Drohpotenzial und den kühlen Trotzkopf stolz erhoben bietet Wladimir Putin dem Westen die Stirn. Wie sich offenbart, war die Krim wohl nur das Präludium; nun geht es und macht er weiter. Mit strategischem Blick verfolgt Russlands Zar fünf aufeinander aufbauende und gestaffelt angeordnete Schlachtpläne.

Bedrohung, Destabilisierung, Okkupation und Annexion

Von Moldawien bis zur Ostukraine gibt es Regionen, die völkerrechtlich zwar Teile ehemaliger sowjetischer Satellitenstaaten, aber auch weiter zu erklecklichen Teilen russisch bevölkert sind. Diese Staaten sind formal souverän und unabhängig, grenzen aber direkt an Russland und sind nicht Mitglieder von Bündnissystemen westlicher Provenienz wie Nato oder EU.

Hier greift das Prinzip „teile und herrsche“. Mit gezielter Infiltration und Einflussnahme werden Unruhen geschürt und eine nachhaltige Destabilisierung betrieben. Einzelne Landesteile rufen dann Moskau zu Hilfe und erklären in der Muttersprache den Beitritt zum russischen Vaterland. Das Muster ist dem seinerzeit in Deutschland stationierten ehemaligen KGB-Offizier Putin gut bekannt; auch Bundeskanzler Helmut Kohl und sein außen- und sicherheitspolitischer Berater Horst Teltschik befürchteten nach dem Fall der Mauer im Jahr 1990, dass bei einem sich länger hinziehenden Vereinigungsprozess einzelne ostdeutsche Bezirke eigenständig ihren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23 a.F. GG erklären würden. Die DDR-Volkspolizei war in Auflösung begriffen, die Nationale Volksarmee weitgehend abgetreten und nicht wenige hatten Waffen aus den prall gefüllten Arsenalen gleich mitgehen lassen.

Infiltration, Verunsicherung und ökonomische Usurpation

Für die der EU und der Nato beigetretenen baltischen Republiken oder auch Rumänien und Bulgarien greift Plan 2: Die alten militärischen und geheimdienstlichen Machteliten aus sowjetischer Zeit wurden reaktiviert und in den ökonomischen Blutkreislauf der postsowjetischen Oligarchenklüngel einbezogen.

An der Nabelschnur russischer Oligarchen kaufen sich adoptierte Altkader und deren Nachfahren als Neuoligarchen mit russischen Rubeln gezielt in Schlüsselindustrien und zentrale Wirtschaftssektoren ein. Die Oligarchen stehen dabei unter Zeitdruck; das aus den Gasexporten erwirtschaftete Kapital sprudelt nur noch eine überschaubare Zeitlang in gewohnt größerem Umfang. Denn der Westen sinnt bereits über Alternativen zu den russischen Rohstofflieferungen nach. Brüssel und die EU aber durchschauen weder dieses Spiel noch die Methode. Einige, wie anscheinend auch der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei den im Mai anstehenden Europawahlen Martin Schulz, schauen auch nicht genug hin oder sogar gezielt weg.

Angesichts der Putin‘schen Herausforderung hat sich der europäische Hühnerhaufen nur mühsam zusammengerottet. Denn Russland ist und bleibt auch ein wesentlicher Teil Europas; die EU, allen voran Deutschland, hat hier viel Geld und auch unternehmerisches Herzblut investiert.

Über die Köpfe der Europäer hinweg

6.200 Tochterfirmen deutscher Unternehmen sind in Russland aktiv und 22 Milliarden Euro wurden in Putins Reich investiert. So wundert es nicht, dass in diesen Tagen und Wochen eine Konferenz die andere jagt und nicht nur das „Deutsch-Russische Forum“, der „Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft“ oder auch mancher Großkonzern sich den Vorwurf zuzogen, „Putin- und Russen-Versteher“ zu sein.

Auch Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier stehen im Verdacht, zu sehr die geostrategischen Interessen Washingtons und Moskaus auszubalancieren und eine appeasementlastige Außenpolitik zu betreiben. Um seine machtpolitischen Interessen und geopolitischen Ambitionen zu befriedigen, liegt es für Putin nahe, den amerikanischen Unmut über Europa weiter zu nähren und am Köcheln zu halten. Mal telefoniert er über die Köpfe der Europäer hinweg mit Präsident Barack Obama, mal verärgert er mit dem demonstrativen Empfang und dem Hofieren vor allem deutscher Unternehmensvertreter die Amerikaner.

Umso mehr die Europäer zu Mäßigung aufrufen und einer vorwiegend symbolischen Sanktionspolitik raten, desto mehr wird das Misstrauen der USA in die Loyalität ihrer Alliierten vertieft. Schon soll es US-Szenarios geben, in denen Deutschland als ein unsicherer Kantonist erscheint.

In Arabien, Afrika und Lateinamerika neuen Einfluss gewinnen

Während sich der Westen auf die Ukraine konzentriert und sich mit der Stabilisierung seiner „Neuzugänge“ aus dem Baltikum und Südosteuropa sowie den traumatischen historischen Erfahrungen und Ängsten Polens intensiv wird befassen müssen, weiß Putin, dass ohne seine und die Mitwirkung Moskaus Stabilität weder im Nahen Osten, noch im nach atomarer Bewaffnung greifenden Iran oder auch in dem vom Bürgerkrieg erschütterten Syrien zu erreichen ist.

Russland verstärkt zugleich aber auch seine Beziehungen in die gesamte arabische Region und zu den Golfstaaten. Wieder erscheint das Schreckgespenst eines bedrohlichen Zangengriffs Moskaus über Arabien und quer durch Afrika bis hin zu antinordamerikanisch agierenden lateinamerikanischen Staaten wie Kuba und Venezuela am westlichen Horizont.

Mit China anbandeln und Asien erobern

Gleichzeitig zieht Putin die chinesische Karte. Russische Rohstoffe lassen sich auch auf dem asiatischen Kontinent verkaufen. Das Riesenreich ist die Landbrücke zwischen Europa und Asien; es gehört beiden Kontinenten an. Das russische Regierungssystem ist geprägt von einer Mischung aus christlich-abendländischem Denken und einem auch in China dominierenden und auf oligarchisch-ökonomischen Strukturen aufbauenden Staatsmodell, das zwischen den Formen einer gelenkten Demokratie und einer im Zweifel brutal agierenden Einparteien-Diktatur changiert.

Aufkeimender gesellschaftlicher Pluralismus und demokratische Partizipation werden ebenso rabiat unterdrückt wie Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit nur sehr dosiert geduldet beziehungsweise allenfalls rudimentär etabliert sind.

Doch wenn man mit einbezieht, dass hinter den verhärteten Positionen zwar vordergründig betrachtet kollidierende Interessen stehen, diese selbst sich aber auf tiefer liegende Motive und Werte beziehen, dann muss für das westliche Abendland noch lange nicht aller Tage Abend heraufziehen. Russland fühlt sich seit den 90er Jahren schlecht behandelt, ausgegrenzt, gedemütigt und auch beleidigt.

Träumen

Aber das von Moskau und Petersburg dominierte Riesenreich ist im Kern europäisch. Der polnische Papst Johannes Paul II. hat wohl in den 80er Jahren mit einem Geheimbrief den Brückenschlag in den Kreml geschafft; der an Michail Gorbatschow gerichtete Brief soll mit den Worten „an meinen slawischen Bruder“ begonnen und den damaligen Kreml-Herrscher zutiefst berührt haben.

Vielleicht führt der Weg zu mehr Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Liberalität eines nicht zu fernen Tages über einen intensivierten Dialog mit den Ostkirchen. Vielleicht ergibt sich daraus eine Perspektive in neuen Bündnissen, in die auch Russland einbezogen werden und darin Verantwortung übernehmen kann. Auch EU und Nato haben sich nicht über Nacht zusammengerauft und als Bündnisse konstituiert.

Man wird auch noch träumen dürfen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Golix

Welch hasserfüllter Bericht! Oh la la Putin macht mir Angst …
Die Zeit ist gekommen, Putin laut und deutlich zu verurteilen. Zunächst auf dem Gebiet der Wirtschaft. Was konkret hat er in den letzten 15 Jahren getan? Die Kaufkraft der Russen hat sich verdoppelt. Inflation ging von 100% auf nahezu 0% zurück. Handelsbilanz: im großen Maßstab verbessert und daher im Überschuss. Beschäftigungsrate: Stark im Aufstieg. Öffentliche Verschuldung: ging von 90% des Bruttoinlandsproduktes auf 0% zurück. Armut: halbiert. Um es kurz zu machen, die Daten sprechen für sich: ein beklagenswertes Versagen.
Auf der politischen Ebene: reguläre Wahlen mit großen Wahlerfolgen – ziemlich unterschiedlich zu den Wahlen unserer Verbündeten in China und Saudi Arabien. Natürlich, Putins Beliebtheitswerte fielen nie unter 65% Zustimmung und haben heute 80% erreicht – was ja voraussehbar war, wenn man sich die obig beschriebenen katastrophalen Wirtschaftszahlen anschaut. Sicherlich müssen wir andererseits ja davon ausgehen, dass die Zahlen manipuliert wurden, denn Obama steht bei wackeligen 40%, Hollande ist abgestürzt auf 15% und der U.S. Kongress befindet sich auf einer rekordverdächtigen Ebene von 9% positiver Zustimmung
Jedoch ist im Bereich der Geopolitik das schlimmste zu befürchten. Denn, was schlägt Putin vor? Referenden! Leute darüber befragen, was sie denken! Also bitte, ernsthaft, wie lange werden wir das in Europa noch tolerieren? Und seien wir uns der Konsequenzen bewusst, die unsere Schüchternheit mit sich brächte: Wenn wir akzeptieren, dass sich diese Referenden in Europa ausbreiten, bedeutet es das Aus für ….“

Gravatar: Franz Hoffmann

Großer Blahblah in den Kommentaren.
Vorab, die BRD ist mit den so gerne geschmähten Amerikanern besser gefahren als die "DDR" mit der UDSSR. Aber zuviel Wohlstand scheint geistige Blähungen zu erzeugen.

Putin wird als eine Art "lenkender Demokrat" gesehen. Ich empfehle wenigstens ein Buch von Anna Politkowskaja zu lesen oder "Mafiastaat: Ein Reporter in Putins Russland" von Luke Harding (Journalist des linken Guardian, über seine Erlebnisse in Putins Russland). Putin ist ein Diktator, der sehr clevere Propaganda betreibt.

Dazu gehört, dass er innenpolitische Probleme (die er hat, wie zuletzt u.a. in der Wirtschaftswoche zu lesen war) nach außen geschickt ausblendet, im Inneren jetzt durch Außenpolitik zu überspielen versucht.

Die Politik der USA, über die man gerne gesondert reden kann, entschuldigt Putin nicht.
Hier wird über den Aggressor Putin geredet.

Von wegen Atomwaffen. Putin hat gerade in Kaliningrad (Königsberg) jede Menge atomare Kurzstreckenraketen stationiert. Die reichen nicht bis in die USA, wohl aber bis ins Baltikum, nach Polen und nach Deutschland. Obwohl ein gewisser Obama keinen Raketenschirm installiert hat.

Zur "Einkreisung". Ich wüßte nicht, daß die NATO je Russland bedroht hätte. Und daß die ehemaligen unterdrückten Mündel Russlands sich in die NATO drängten, findet jetzt seine beste Rechtfertigung.

"Russland ist europäischer als die USA oder Großbritannien" glaubt man nicht mal im Kinderkanal oder bei den Teletubbies.

"Russland signalisiert schon seit Jahren, dass es zu mehr Kooperation mit Westeuropa bereit ist." Dann doch bitte mal "Partnerschafts und Kooperations Abkommen" googeln.
Da betreibt Putins Russland heftig Obstruktion. Warum "Putins Russland"? Ich finde schon, daß man zwischen dem Staat Russland und der derzeitigen gelenkten Demokratur Russland unterscheiden sollte. Übrigens wie auch bei den "Pfui-Bäh-Amis".

Gravatar: Albert

Oh,oh Herr Schütze,
seit wann sind Sie ein Russland "Experte" geworden? Seit gestern oder vorgestern? Um so etwas zu behaupten muss manPERSÖNLICH vor ort sein, alles anderes sind SPEKULATIONEN!!!
Das Wetter ist schlecht geworden,bestimmt Putin steckt dahinten.
Es ist schon ermüdigend,dass all die ahnungslosen"experten",versuchen uns mit ihren subjektivitäten, zu zumüllen.

Gravatar: MAX

Russland wurde in den letzten zehn Jahren systematisch
von der NATO eingekreist und bedroht.
Das große Spiel wird von den USA gespielt .
Es geht um die Rohstoffe des Riesenreiches.
Die EU-Staaten sind die willfährigen Handlanger und Vasallen
der US-Imperialisten.
Putin hat dieses Spiel durchschaut und handelt jetzt.
In der UKRAINE ist das US-IMPERIUM zu weit gegangen , nun kommt
die richtige Antwort aus MOSKAU.

Gravatar: Crono

Herr Richard Schütze,
ich ersetzte Wladimir Putin mit Bush jr. und Rußland mit U.§.A.- und wie ein Wunder, Ihr Artikel ist dann gut lesbar und funktioniert hervorragend. Gratuliere!

Gravatar: Karin Weber

In diesem Beitrag ist etwas sehr Entscheidendes vollkommen unter den Tisch gekehrt worden. Putin unterstellt man eiskaltes Kalkül und mehrere Schlachtpläne. Wenn es so wäre und er verteidigt damit die Interessen seines Landes, was gäbe es daran zu motzen?

Suchen Sie doch bitte mal nicht den Dreck bei Putin, sondern schauen Sie zu unseren amerikanischen "Freunden", die uns ungebremst weiterbespitzeln. Die haben nämlich eine Taktik und mehr als einen Schlachtplan, den negieren Sie mit Ihrer Russophobie auch in diesem Beitrag wieder einmal. Dazu füge ich ganz einfach mal einen entlarvenden Kommentar zu einem Beitrag bei T-Onleid hier herein:

Zitat:
>> Der eigentliche Hintergrund bei den Handlungen gegen Russland ist die Tatsache, dass Russland sein Öl und Gas in Zukunft in Rubel über die Petersburger Börse verkaufen will. Wenn das geschieht ist der Dollar massiv in Gefahr. Dann hat der "Petri-Dollar" als Stütze für die FED ausgespielt. Die Länder die in der Vergangenheit auch ihr Öl für eigene Währung verkaufen wollten wurden nieder gemacht. Siehe Irak, Libyen Tunesien, Ägypten. Nun muss man Russland klein bekommen. Aber das geht nicht wie z.B. im Irak.

Dieses Geschäft ist für denkende Menschen durchschaubar. Die breite Masse wird aber stark manipuliert und soll die Märchen glauben.

Was hat die USA bei den Verhandlungen nächste Woche in Genf zu suchen. Wir haben ein Europäisches Problem. (Außer wenn, wie eingangs erwähnt die Ölpolitik der eigentliche Hintergrund ist).<<

Wenn ich Putin wäre, und ich hätte die Sicherheit und Interessen meines Landes & Bürger zu wahren, dann würde ich mich aber sehr warm anziehen. Wir wissen, dass Amerika unter erfundenen Vorwänden in fremde Länder einfällt. Wir wissen, dass Amerika das einzige Land ist, was Atomwaffen in einem Krieg eingesetzt hat. Wir wissen auch, dass Amerika kein Problem hat, in bewaffneten Konflikten Chemiewaffen einzusetzen. Und wir wissen auch, dass der Friedensnobelpreisträger von Menschen- und Völkerrecht kündet, aber zeitgleich ein Lager in Guantanamo unterhält, wo man einen Gefangenen sogar 183x der Folter "Waterboarding" unterzogen hat.
Quelle: http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_68982974/waterboarding-fuer-9-11-chefplaner-schwere-und-anhaltende-schaeden-.html

Das alles ist mit dem Völker- und Menschenrecht vereinbar. Wenn ich wüsste, dass mein Gegenüber bereit wäre, Grenzen derartig zu überschreiten, dann würde ich mich mehr als nur dagegen schützen.

Im Übrigen scheint es die Taktik der VSA und ihrer westlichen Lakaien zu sein, zu Steigerung der Verwirrung sich gegenseitig der Lüge zu bezichtigen. Eines weiß ich und deswegen glaube ich auch nichts: Die Amerikaner haben den Grund für den Irak-Krieg frei erfunden.

Wenn Deutschland ein souveränes Land wäre, dann hätte es Leute an der Spitze, die wie Putin die Interessen seines Landes schützen.

Gravatar: delfi

Nur der letzte Abschnitt ist akzeptabel,
denn Russland ist tatsächlich "europäischer" als die USA, vermutlich auch Großbritanien.
Die USA sollten alle Ihre Atomraketen aus Europa, besonders Deutschland abziehen,
dann wird vermutlich Ruhe eintreten.
Die Amerikaner können ihre merkwürdige Kriegslust ja in Hollywood ausleben.
Wäre auch billiger.

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