Protzkapitalismus

Man gönnt sich ja sonst nichts!

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Banker und Finanzjongleure, die nach arbeitsreichem Tag zu Frau und Kind ins traute Heim zurückkommen, haben jetzt die Möglichkeit, zum Feierabend ihren Umgang mit virtuellem Scheingeld gegen den mit realen Geldscheinen einzutauschen. Ein Düsseldorfer Spieleverlag bietet Monopoly seit kurzem in einer Echtgeld-Version gegen Vorkasse an, auf Wunsch auch mit vergoldeten oder edelsteinbesetzten Häusern und Hotels. Was für ein Freizeitspaß, auch wenn man hier wohl auf die traditionellen 400-€-Scheine verzichten muss - man kann ja nicht alles haben. 20.590 Euro in bar liegen dem Spiel bei, und für das Wort „Dekadenz“ brauchen wir jetzt eine Steigerungsform. Fern von allem Sozialneid muss man sich fragen, wie der psychologische und moralische Status einer Gesellschaft ist, die Leute hervorbringt, die sich so etwas ausdenken. Und vor allem sorgen wir uns um die armen Schweine, die ihre Lebensfreude aus so einem „Man gönnt sich ja sonst nichts" ziehen müssen.

Bei Monopoly kann man die Mitspieler immer wieder aufs Neue über den Tisch ziehen, während in der wirklichen Welt die Grenzen des Wachstums längst erreicht sind. Auch die armen Superreichen leiden unter den schwindenden Wachstumsmöglichkeiten. Zwar gibt es laut Hurun-Liste mit 2089 Milliardären in 68 Ländern so viele wie nie zuvor, doch ist zumindest der Trend rückläufig, dass diese auch immer reicher werden. Die meisten Superreichen leben übrigens nicht ganz überraschend in den USA, gefolgt vom durchaus erwartbaren, wenngleich angesichts dessen Bekenntnis zum Sozialismus unverschämten China.

Auf alle Fälle überraschend dürfte der dritte Rang der Milliardärsliste sein, den Indien einnimmt. Wo es viele Arme gibt, lassen sich anscheinend besonders viele Reiche in Superreiche verwandeln. Die alten Volksweisheiten „Die Masse macht’s“ oder „Kleinvieh macht auch Mist“ gelten eben auch für die Geldeliten. Der Logik folgen natürlich auch unsere inländischen Magnaten, die in der Liste auf einem aussichtsreichen sechsten Platz in Lauerstellung liegen. Zusammengerechnet (bei einer Dunkelziffer von geschätzt 70%!) kann sich die Internationale des Kapitals noch mit einem Vermögen von 6,7 Billionen Dollar trösten, also dem Bruttoinlandsprodukt von Japan und Südkorea zusammen.

Microsoft-Chef Satya Nadella quittierte nach seinem ersten Jahr an der Spitze des Konzerns eine Vergütung von 84 Millionen Dollar. Zu dem Grundgehalt und einer Prämie kamen Aktien im damals aktuellen Wert von 80 Millionen Dollar hinzu. Bei einer Vertragsauflösung, also im Falle des Versagens, kann sich Nadella auf eine gesonderte Abfindung von 17,4 Millionen Dollar freuen. Aber von Versagen kann ja bei ihm keine Rede sein, denn beispielsweise bei der Übernahme von Nokia griff er mit dem Abbau von rund 18.000 Stellen so durch, wie es von einem Mann in seiner Position erwartet wird.

Gegen Apple-Chef Tim Cook ist der Inder aber nur ein kleines Licht. Der bekam beim Vorrücken auf den Chefposten im August 2011 eine Million Apple-Aktien im damaligen Wert von knapp 384 Millionen Dollar. Nicht, dass er den Job nicht auch für die Hälfte gemacht hätte: Nein, irgendwie scheint es hier bei den Beteiligten um eine besondere Form des „Yes, we can“ zu gehen, um Muskelspiele zum Erschrecken der Konkurrenz - so es denn noch eine gibt.

Der Leser möge den heutigen kleinen Abstecher in die absurden Endstadien unseres chaotischen Weltsystems entschuldigen, der zwar plakativ anschaulich sein mag, aber im Grunde verkennt, dass die eigentlichen Probleme nicht aus den Sumpfblüten der Oberfläche, sondern den anonymen Strukturen der weltumspannenden Konzerne selbst erwachsen. Im Prinzip geht es heute mehr darum, ein Schlaglicht auf Ungleichgewichte und Deformationen zu werfen. Es gilt zu zeigen, dass mit den Auswüchsen des Postkapitalismus auch die psychologische Spielform eines Protzkapitalismus wuchert.

Wie kurz der Weg vom Postkapitalismus zum Protzkapitalismus ist, führen uns nicht nur Monopoly-Spiele und Privatyachten vor Augen, sondern immer wieder auch die sogenannten „Gipfeltreffen“, wo sich die treuen Gefolgsleute des großen Geldes treffen, um der Weltöffentlichkeit vorzugaukeln, die parlamentarischen Demokratien oder sonstigen Herrschaftssysteme hätten noch die Kontrolle über das, was sich in ihren Ländern abspielt. Im dreistelligen Millionenbereich bewegten sich die Kosten (der Bund der Steuerzahler sprach von 360 Millionen Euro) für den G7-Gipfel vor wenigen Monaten.

Wenige Tage und wenige Ergebnisse später sprach kein Mensch mehr von dem potemkinschen Treffen, höchstens taten dies die 25.000 (!!!) Polizisten, die dort beim Versuch, die Politprominenz vor wenigen Hundert Protestierern zu schützen, um ihre Freizeit gebracht wurden. Immerhin wurden sie gut oder eher teuer verköstigt: Für Leberkäse mit Kartoffelsalat wurde dem Steuerzahler durch die örtlichen Gewinnler 11,50 Euro pro Person in Rechnung gestellt.

Ein Gutes hatte die Veranstaltung dann aber doch, denn die zeitweilige Wiedereinführung von Grenzkontrollen brachte eine erschütternde Wahrheit ans Licht, die die Verhandlungsführer sicher gerne verheimlicht hätten: 10.555 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz, also illegale Einreisen, wurden an den wenigen Tagen ermittelt. Dumm gelaufen, denn wir Betroffene konnten aus dieser kurzfristigen Aussetzung der sonstigen Willkommenskultur schon eine Ahnung gewinnen, welche Menschenmassen fern offiziell geschönter Statistiken auf dem Weg zu uns waren. Und das nur, weil Leute, wie die, die in Elmau zum Verhandeln erschienen waren, in ihrer Hybris meinen, die ganze Welt aus den Angeln heben zu können.

Und für sie sieht es ja derzeit auch noch gut aus. Der Gesamtumsatz der im Dax notierten Unternehmen stieg gerade trotz zwischenzeitlicher Korrekturen am Aktienmarkt auf einen Rekordwert von 308 Milliarden Euro pro Quartal, wenn auch die Gewinne wegen einer schwächer werdenden Kaufkraft (warum wohl) leicht zurückgingen.

Zwar sind 56% der Dax-Unternehmen längst im Besitz ausländischer Investoren, doch können sich die Deutschen immer noch über ein Gesamtvermögen von 9,3 Billionen Euro freuen. Die Deutschen? Einem Tausendstel der Haushalte gehören rund 15% des Gesamtvermögens. Einem Hundertstel gehören mehr als 30%, also ein Drittel von allem. Nebenbei dürfte es interessant sein, das offiziell bisher von einer viel moderateren Verteilung ausgegangen wurde, und erst eine vertiefende Studie der Gewerkschaften zu diesen Zahlen kam.

Im Gegensatz zu vielen kritischen Denkern im Internet, in den Medien und anderswo gönnt Konrad Kustos den Millionären ihre Millionen und den Milliardären ihre Milliarden, die sie sich im Rahmen des herrschenden Systems, möglicherweise sogar weitgehend legal, erworben haben. Es ist aber untolerabel, dass wir in einem Wirtschaftssystem leben, das eine solche Einkommensverteilung möglich macht und damit dessen Scheitern provoziert. Offensichtlich kann kein Mensch alleine eine Leistung bringen, mit der er solche Summen (im doppelten Sinne) verdienen würde. Dies ermöglicht nur ein System der Maßlosigkeit, das sich wie wuchernder Krebs gegen den Wirt und am Ende gegen sich selbst richtet.

Mehr von Konrad Kustos gibt es hier: http://chaosmitsystem.blogspot.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Diederich Heßling

Kurz und prägnant beschrieben. Eigentlich nichts hinzuzufügen. Aber die Frage bleibt:

WARUM LASSEN MILLIARDEN VON MENSCHLICHEN INDIVIDUEN DIES ZU!?

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