Political Correctness: Die Geister die man rief …

Political Correctness und Demokratie sind nicht (mehr) kompatibel.

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Die Soziologin Barbara Eggert mahnt in ihrer Kolumne des Westfalen-Blatts, einer regionalen Tageszeitung, zur Vorsicht, wenn Kinder, die bislang noch nicht intensiv mit dem Thema Homosexualität vertraut sind, zu einer Verpartnerung des Onkels eingeladen werden. Nach einer Entschuldigung und Klarstellung führt der daraus folgende Ansturm in den sozialen Medien zum Ende der freien Tätigkeit der Verfasserin bei der Zeitung und zu heftigsten Beleidigungen bishin zu Drohungen.

Der leitende Redakteur der Kölner Kirchenzeitung, Siegbert Klein, benutzt in seiner Kritik der Forderung des “Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)”, auch homosexuelle Paare und neue Partnerschaften Geschiedener zu segnen, einen Vergleich, von dem sich offenbar einige auf den Schlips getreten fühlen. In der Folge sieht sich der Kölner Erzbischof aufgefordert, das richtigzustellen und um Entschuldigung zu bitten. Der Beitrag verschwindet von der Internetseite der Zeitung.

Ronja von Rönne, Redakteurin im Feuilleton der Welt, macht in ihrer Kolumne deutlich, dass sie von hergebrachten Vorstellungen der Emanzipation nichts hält, wird damit zum Feindbild der Angesprochenen, kriegt dazu auch noch Applaus aus der rechten Ecke, vom Ring Nationaler Frauen, einer Unterorganisation der NPD. Sie wird fortan niedergebrüllt mit an den Haaren herbeigezogenen Gleichstellungen mit Nazis. Nach Gewalt- und Morddrohungen, sieht sie sich gezwungen, ihren eigenen Blog einzustellen. Immerhin hat sie ihren Job noch.

Im letzten Fall regt sich langsam Widerstand, nicht nur unter Medienschaffenden, denen die Entwicklung, die viele von ihnen mit der Empörungskultur mit zu verantworten haben, nicht mehr geheuer zu sein scheint. Offenbar wird, dass linker Protest und “antifaschistischer” Widerstand in Deutschland sich umgekehrt haben: Politische und vermeintliche Gesinnungsgegner werden beschimpft, bedroht, ihre mediale und auch persönliche Existenz soll vernichtet werden. Die Faschisten, das wird in den vergangenen Wochen deutlich, stehen heute politisch links!

Nun gibt es politische Unterschiede schon immer; Differenzen wurden auch schon vor dem Internetzeitalter nicht immer über der Gürtellinie ausgetragen – die etwas älteren unter uns erinnern sich sicher noch an Bundestagsreden oder Interviews solcher Größen wie Franz-Josef Strauss oder Herbert Wehner. Auch da wurde am politischen Gegner kein gutes Haar gelassen, seine moralische Integrität auch mal gerne in Frage gestellt. An deutlichen Worten hat es damals auch nicht gemangelt, sehr zur Freude der politischen Zuschauer und zum Bluthochdruck der jeweils anderen Seite.

Und trotzdem hat sich niemand gezwungen gesehen, sich ständig wegen jeder Kleinigkeit zu entschuldigen, musste auch nicht wegen eines vermeintlich unpassenden Vergleichs (mal abgesehen von “Relativierungen des Nationalsozialismus”) um seine berufliche Zukunft bangen. Zwischenzeitlich bin ich ja froh, dass ich vom Schreiben nicht leben muss, wer weiß, ob das in Zeiten wie diesen noch gelingen könnte. Ein Blog wie dieser liegt unter der Wahrnehmungsgrenze. Und trotzdem stelle ich mir die Frage, wo eigentlich die Ursachen für die Entwicklung liegen.

Angela Merkel tat vor nicht allzu langer Zeit den Satz “Das Internet ist für uns alle Neuland” und wurde ob dieses naiv klingenden Satzes vielfach – auch von mir – belächelt. Das Internet hat unseren Alltag so intensiv durchdrungen wie kaum ein anderes Medium vor ihm, und diese Entwicklung findet nun schon seit Jahrzehnten statt. Aber nur weil auch die meisten Senioren mittlerweile eine Mailadresse haben, Bücher bei Amazon bestellen und Zeitungen online lesen, nur weil es auch einem technisch minderbegabten Schreiber wie mir gelingt, einen Blog ins Netz zu stellen, nur weil es Millionen von Facebook-, Twitter-, Instagram-, etc.pp-Nutzern gibt, heißt das – ganz offensichtlich – noch lange nicht, dass wir gelernt haben, damit auch umzugehen.

Da hängt vieles mit vielem zusammen, und ich möchte versuchen, ein wenig zu analysieren, was mir dabei auffällt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Da sind zunächst mal die Sender, also diejenigen, die Nachrichten, Kommentare etc. ins Netz stellen. Dazu zähle ich mich ebenfalls und muss selbstkritisch eingestehen, dass die Leichtigkeit des Mediums nicht eben für Qualität bürgt. Gerade habe ich einen exklusiv für die deutsche katholische Tageszeitung “Die Tagespost” verfassten Beitrag veröffentlicht. Und alleine die Tatsache, dass es sich um eine Zeitung und nicht um einen Blog handelt, hat dazu geführt, dass ich diesen Beitrag deutlich intensiver vorbereitet habe. Anders gesagt: Ein Blogbeitrag ist schnell geschrieben, bei aktuellen Themen auch schon mal ohne weitere Prüfung rausgehauen. Ich musste in den vergangenen Monaten mehr als einmal zurück rudern und bin dankbar, dass ich die Möglichkeit dazu hatte, meine Leser mir Fehltritte dieser Art offenbar verzeihen. Wenn aber schon die sachliche Richtigkeit in Medien wie diesem Blog ab und an unter die Räder kommt, wie sehr dann erst Recht die Frage, ob die Inhalte auch korrekt formuliert sind? Dass Laien wie ich im Internet publizieren können, hat nicht nur Vorteile!

Da sind aber auch die Empfänger, die Leser der Online-Medien. Hier wird vielfach nicht zwischen Qualitätsmedien und selbst gestrickten Seiten unterschieden. Wenn es irgendwo schwarz auf weiß steht, und sei es nur auf einer Blogseite, dann muss es richtig sein, so die eine Seite der Leserschaft. Die kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten fehlt vielfach und man muss sich wundern, welche selbst gebastelten Nachrichtenseiten im Internet Verbreitung finden und bei deren Lesern offenbar die gleiche Glaubwürdigkeit genießen wie die von hart arbeitenden Journalisten, bzw. sogar diese in der Glaubwürdigkeit abgelöst zu haben scheinen. Interessant ist dabei auch, dass vielfach “etablierte” Medien fast überkritisch beäugt werden, man glaubt den Journalisten von ARD, Spiegel, Welt etc. kein Wort, während man alternativen Medien fast jeden Unsinn abnimmt, wenn er nur ins eigene Weltbild passt. Natürlich ist das sehr pauschal beschrieben, aber die Tendenz kann jeder beobachten, der sich in einschlägigen Foren oder Facebookgruppen bewegt.

Und diese Entwicklung ist andererseits auch wieder für die Verfasser solcher Seiten eine Herausforderung, jedenfalls dann, wenn man nicht indoktrinieren sondern lediglich einen Beitrag zur Meinungsvielfalt liefern will. Meine Leser wissen nicht, dass meine Beiträge teils inteniv erarbeitet, teils aber auch schnell runtergeschrieben sind. Ein Blog ist kein Nachrichtenportal, viele wollen es auch gar nicht sein, aber es wäre sträflich, nicht zu berücksichtigen, dass die Leser das teils ganz anders wahrnehmen. Blogger und Betreiber alternativer Nachrichtenseiten, die eine wirkliche Alternative zu Mainstreammedien sein wollen, tun also gut daran, sich intensiv mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass ihre Leser das, was sie schreiben, tatsächlich auch glauben!

Mit der oben beschriebenen Laxheit der Autoren und Leser geht aber ein weiterer Aspekt einher: Alles, was geschrieben wird und nicht ins eigene Meinungsschema passt, wird auf die Goldwaage gelegt! Da kann ein nicht genau genug beleuchteter Aspekt genau so zur Kritik führen wie eine etwas wackelige Argumentation. Handelt es sich dabei noch um konstruktive Kritik, sehen sich aber offenbar auch viele Leser herausgefordert, Dinge zu interpretieren, die ihnen dann Anlass für Kritik bieten. Der Vergleich in der Kölner Kirchenzeitung, dass Einbruch und Diebstahl genau so zur Lebensrealität der Menschen gehören wie homosexuelle Partnerschaften, ersteres für viele sogar noch mehr, wird dann schnell von – nennen wir es mal so – interessierten Kreisen umformuliert in Sätze wie die von Volker Beck, Innen- und Religionspolitiker der Grünen-Bundestagsfraktion, “Kirchenzeitung vergleicht Homosexuelle mit Dieben”. Von da aus ist es im Hinterkopf nur noch ein Schritt zum “Homosexuelle werden mit Einbrechern gleichgesetzt”. Beides ist natürlich Unsinn, führt aber dazu, dass Autoren neben einem gesunden  Anspruch an Qualität auch eine “Zensurschere” im Hinterkopf mit sich führen: “Wie könnte ich missverstanden werden?”

Das Problem daran ist nicht mal das faktisch falsche auf eine Stufe Stellen von Vergleichen mit Gleichsetzungen; gegen die kann man sich ja noch wehren und den entsprechenden Kreisen mit dem Nachweis der Unredlichkeit der Argumentationsführung kontern. Schwerwiegend weil diffus wird das erst dadurch, dass die Betroffenen behaupten, sie fühlten sich durch den Vergleich beleidigt: Wer will schon gerne mit Dieben in einen Topf geworfen werden? Hier wird nicht mehr sachlich sondern mit Gefühlen argumentiert denen man kaum widersprechen kann. Niemand kann nachweisen, dass sich jemand anderes nicht beleidigt fühlt. Also wird die Beleidigung als Fakt angenommen, und Minderheiten, seien es nun Homosexuelle, Frauen, Migranten oder andere zu beleidigen: Das – so allgemeines Einvernehmen – “geht gar nicht”!

Spätestens beim letzten Aspekt haben wir die Ebene der sachlichen Auseinandersetzung verlassen. Es geht nicht mehr darum, ob etwas richtig oder falsch, gut oder verbesserungsfähig formuliert, stringent hergeleitet oder als Meinungsäußerung nur herunter geschrieben wurde. Es geht darum, wie manche Leser den Text “empfinden”. In einem Umfeld, in dem bestimmte Positionen sowohl medial als auch politisch nicht opportun betrachtet werden, tappt man recht schnell in eine solche “Gefühlsfalle”, gegen die man sich kaum wehren kann. Schlimmer noch: Im Fall von Welt-Redakteurin Ronja von Rönne hat die auch noch den Applaus aus der politisch rechten Ecke erhalten, sodass man sie flugs mit denen in einen Topf wirft. Gefährlich kann es also nicht nur werden, wenn man selbst nicht ausreichend “sensibel” mit dem eigenen Text umgeht sondern auch, wenn man Dinge schreibt, die auch einem politischen Lager, mit dem man selbst gar nichts zu tun hat, gefällt.

Dass dieses auf eine Stufe Setzen von Positionen die von “Rechten” gelobt werden mit solchen, die “rechts” sind, ziemlich gut mit der oben beschriebenen Methode der Umdeutung von Gleichsetzungen und Vergleichen korreliert – hilft alles nichts, denn man ist über die Phase der rationalen Diskussion schon lange hinaus und befindet sich unversehens in einem Zusammenhang genannt mit rechtsextremen Organisationen, von denen man bisher noch nicht mal gehört hat.

Vermengt man das ganze jetzt noch mit einer festzustellenden, zumindest verbalen Gewaltbereitschaft in einigen politischen Lagern, wird es nicht nur unangenehm, sondern man muss um seine eigene Gesundheit und die der Familie fürchten. Dass da der eine oder andere einen Rückzieher macht, sich von der Öffentlichkeit fernhält oder seine publizistische Tätigkeit einstellt – das ist nicht nur Folge sondern auch Ziel der Gegner der freien Meinungsäußerung, in der jede Meinung kritisiert werden darf, sie aber zumindest hörbar bleiben sollte.

Oben beschriebene Vorgänge, wie gesagt ohne Anspruch auf Vollständigkeit, werden oft unter dem Begriff “Political Correctness” beschrieben. Dabei geht es in erster Linie um die Verantwortung der schreibenden Zunft, wirklich Qualität zu liefern und sie auch so zu verkaufen, darüber hinaus aber auch um die Medienkompetenz der Leserschaft, Nachricht von Meinung, Werbung von Demagogie, rationale von irrantionalen Diskussionsbeiträgen zu unterscheiden. Der Begriff “Political Correctness” wird aber der Gefahr nicht gerecht, die von ihm ausgeht. Was nämlich klingt wie das verständliche Bestreben, in politischen Auseinandersetzungen sachlich zu bleiben, niemanden wegen seiner Herkunft oder seines Glaubens oder sonstiger Eigenarten zu diskriminieren, wird zu einem Instrument der politischen Meinungsbildung, der Indoktrination: Was der Mainstream nicht goutiert wird als “politisch inkorrekt” gebrandtmarkt und aus dem Diskurs entfernt.

Frau von Rönne wird sich in Zukunft mehrfach überlegen, ob sie noch mal was gegen den Feminismus schreibt (und hoffentlich trotzdem standhaft bleiben), der Redakteur der Kirchenzeitung seine Vergleiche zig mal gegenlesen lassen, die Soziologin des Westfalen-Blatts wird dort sowieso nichts mehr veröffentlichen. Das alles – nur Bausteine, aber sie ergeben ein Bild – ist eine Gefahr für die Demokratie, die die Protagonisten der Kritik scheinbar zu verteidigen suchen. In Wahrheit geht es um die knallharte Durchsetzung eigener politischer Interessen jenseits der demokratischen Meinungsfindung.

Vermutlich habe ich das Themenfeld nur grob umrissen, und neben den oben genannten Beispielen wird es noch eine ganze Menge mehr geben, die die Entwicklung verdeutlichen. Wichtig für diejenigen, die an politischer Kultur, ungehindertem Austausch freier Meinungsäußerungen und letztlich an der Legitimität der Demokratie Interesse haben, ist aber, wachsam zu sein. Die Freiheit ist immer wieder neu zu verteidigen, und ihre Feinde sind mitunter die, die sie zu verteidigen behaupten.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Mathias B.

Sie haben es auf den Punkt gebracht. Ja, wir haben Faschismus, linken Faschismus. Und es widert mich an, diesem Faschismus jeden Tag ausgeliefert zu sein, in Presse und TV. Rundfunk lasse ich weg, weil kaum noch relevant für eine Meinungsbildung. So nehme wenigstens ich das wahr.
Das Unglaubliche daran ist die Durchdringung aller wichtigen Schaltstellen der Gesellschaften, nicht nur in D, aber da besonders perfide, mit diesem Ungeist der Political Correctness. Wir kennen Faschismus aus der Historie vor allem als gewalttätige, körperlich vernichtende Ideologie. Was dieser rote Faschismus von heute in den entwickelten Gesellschaften des Westens anrichtet, ist mittel-bis langfristig betrachtet letztlich mindestens so schlimm und tödlich, wie Stalinismus, Maoismus und - natürlich muss ich das erwähnen, der deutsche Nazismus. Das der erst an dritter Stelle bei mir kommt, ist so gewollt und für mich historisch richtiger, als das, was uns sog. Historiker ständig weismachen wollen.

Gravatar: Coyote38

Sehr geehrter Herr Honekamp,
sie brauchen gar nicht so weit "auszuholen". Ihre bereits relativ eingangs getroffene Aussage "Die Faschisten, das wird in den vergangenen Wochen deutlich, stehen heute politisch links!" ist bereits vollkommen hinreichend ... weil absolut zutreffend.

Im Jahr 1922 definierte der italienische Faschistenführer Benito Mussolini den neuen "stato totalitario" wie folgt: "Alles für den Staat, nichts gegen den Staat, nichts außerhalb des Staates."

Und genau DAS erleben wir in der aktuellen politischen Debatte ... und dabei ist es eigentlich ganz egal, um welches Thema es geht ... Feminismus, Homo-Ehe, Russland, Islam, Europa ... egal. Der vermeintlich mündige Bürger bekommt eine "rundgefeilte, politisch-korrekte Einheitsbrei-Meinung" vorgesetzt und hat diese Meinung "verdammt noch mal" mitzutragen und "nachzubeten" ... alternativlos ... versteht sich.
Tut der "mündige" Bürger dies nicht, wird sich nicht etwa mit der freien Meinung des "mündigen" Bürgers sachlich auseinandergesetzt ... ja, es wird nicht einmal das grundgesetzlich garantierte Recht des "mündigen" Bürgers zur freien Meinungsäußerung anerkannt ... nein, der "mündige" Bürger wird dann wahlweise (auch gerne von allerhöchster politischer Stelle) wechselweise als "frauenfeindlich", "homophob", "Russland- oder Putin-Versteher", "anti-europäisch", "islamfeindlich", "ewig-gestrig" oder - wie sich Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag bisweilen ultimativ einlassen - als "Nazi in Nadelstreifen" diffamiert, abqualifiziert und mundtot gemacht.

Wenn etwas so aussieht, sich so anfasst, so schmeckt und sich so benimmt wie eine bestimmte Sache, dann sollte man diese Sache auch als das BENENNEN, was sie ist. Was wir erleben ist FASCHISMUS. Vielleicht noch nicht mit der letzten politischen Konsequenz ... aber die Zeichen an der Wand sind unübersehbar.

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