Pegida stellt sich der Presse

Pegida ist ein scheues Wild. So etwas gab es schon lange nicht mehr.

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Zwar gibt es immer wieder Promis, die einen riesigen Sicherheitskordon um sich legen und mächtig wichtig und genervt tun, letztlich wollen sie doch, dass die Presse ihnen nachstellt. Und die weiß das. Umso verunsicherter war die Szene im Umgang mit Pegida. Die Organisatoren verweigerten strikt die Auskunft. Einen Reporter, der sich als Vertreter von Spiegel-Online zu erkennen gab, habe sie sogar ausgelacht und stehen gelassen. Der erste der Pegida zu fassen bekam, war Günther Jauch. Wie die Hintergründe dazu waren, kann nur gerätselt werden. Auch, ob es Absprachen gab, was die Auswahl der anderen Studiogäste angeht. Misstrauen ist hier angebracht. Denn gerade die geprügelten AfD-ler wissen, dass diese verbalen Wrestlingrunden meistens nach dem Strickmuster Vier gegen Einen plus links-grüne Standpunkte beklatschendes Studiopublikum ablaufen.

So war es am Sonntag nicht. Und vielleicht werden die Pegida-Organisatoren auch insgesamt etwas lockerer im Umgang mit der Presse. Einen aktuellen Anlass bot die Pressekonferenz wegen des Verbots der Montagsdemonstration nach einer ominösen Morddrohung gegen Lutz Bachmann. Nach einem Verwirrspiel, wo diese nun stattfindet, war es letztlich die Landeszentrale für politische Bildung in der Dresdner Schützenhofstraße. Die liegt strategisch auf einer steilen Anhöhe und ist im Zweifel gegen Angreifer gut zu verteidigen. Und hier waren sie nun endlich, die Köpfe der Pegida, die inzwischen europaweit Nachahmer findet. Lutz Bachmann, dem die Morddrohung galt, und das schöne Gesicht der Pegida, Kathrin Oertel. Tritt man als Beobachter gedanklich einen Schritt zur Seite, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Das sind Geschichten, die nur das Leben schreibt. Da sitzt ein gelernter Koch und freiberuflicher Werbegestalter vor einer Hundertschaft an Pressevertretern und verkündet ein Sechs-Punkte-Programm wie weiland Schröder die Agenda 2010. Alle drei deutschen Nachrichtensender schalten live nach Dresden. Sogar das japanische Fernsehen war da. Dort werde das Geschehen um Pegida mit großem Interesse verfolgt, sagte der Redakteur auf Nachfrage.

Für den schon wegen Drogenbesitz und Einbrüchen Inhaftierten Bachmann, wartet derweil ein PS-starker BMW-Geländewagen mit einem LKA-Beamten als Chauffeur am Hintereingang. Bewacht von weiteren Polizisten. Nach dem Ende der Pressekonferenz wurde der Wagen rückwärts noch möglichst nahe an das Gebäude bugsiert, als lägen überall im gemütlichen Dresdner Norden Taliban-Scharfschützen auf der Lauer. Dabei kämpften sich dort nur die Fotografen und Kameraleute durch die sorgsam gestutzten Bodendecker rund um die Landeszentrale. Nicht ohne zu schubsen und sich gegenseitig anzupflaumen, um die vermeintlich beste Sicht auf Bachmanns Abgang zu erhaschen.

Reichte man eine derartige Geschichte als Drehbuch für einen Tatort ein, man bekäme wahrscheinlich nicht mal eine Absage.

Ein Glück, dass Dresden über eine derartig gute diskursive Infrastruktur mit Landeszentrale für politische Bildung und zwei über die Grenzen ihres Faches bekannte Kommunikationswissenschaftler der örtlichen TU verfügt. Wolfgang Donsbach (Kommunikation) und Werner Patzelt (Politik) scheinen es still zu genießen, ihren Forschungen hier quasi in einem Freiluftzoo zu fröhnen. Pegida schreit geradezu nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Noch werden Patzelt und Donsbach aber ganz praktisch als Klempner bei der größten bisher dagewesenen Medienhavarie gebraucht. So sprach Donsbach abseits der Veranstaltung auch davon, dass das Zerrbild, das beide Seiten, also Pegida und Medien, voneinander gehabt haben, langsam abgebaut werde. Durch solche Veranstaltungen. Moderiert von Frank Richter, dem Leiter der Landeszentrale. Er trat auch schon als Linienrichter und bei Jauch auf. Werner Patzelt diktierte mit stoischer Miene zum wiederholten Mal einem Fernsehteam in die Kamera, dass bei Pegida Menschen an die oberste Spitze der Aufmerksamkeit gespült wurden, die das nie geahnt haben und auch sichtbar damit überfordert seien. Man solle aufhören, in diese Menschen und die Demonstranten irgendwelche vorgefertigten Stereotype hineinzuinterpretieren, nur weil sie Dinge äußern, die nicht in den Mainstream passen. Patzelt gebraucht dafür das Wort „Deutungsversagen“. Je länger das anhalte, umso vergifteter bleibe das Klima. So fasste Lutz Bachmann auch folgerichtig zusammen, dass schon jetzt viel erreicht sei, weil endlich über Dinge diskutiert werde, die teilweise 40 Jahre mit einem Tabu belegt waren.

Die Sächsische Staatsregierung steht in diesem Feuersturm, der durch das Verbot der Demonstration am Montag nur noch angefacht wurde, bis jetzt optisch ziemlich hilflos daneben. Noch mehr Sternmärsche und Weltoffenheitsaktionen kann man nicht mehr ausrichten. Aus Berlin scheint wie weiland 89 keine Hilfe zu kommen. Angela Merkel hat mit ihrer nicht hilfreichen Neujahrsrede eher reichlich Benzin nachgegossen. Inzwischen gibt’s sogar einen zweiten sächsischen Brandherd in Leipzig, der aufgrund der starken linksradikalen Szene in der Messestadt deutlich gefährlicher werden könnte, als die harmlosen Spaziergänge in der Beamtenstadt Dresden. Die darf sich nach dem Verlust des Weltkulturerbetitels durch den Bau der Waldschlößchenbrücke nun den zweifelhaften Titel anheften, die erste Stadt in Deutschland zu sein, in der eine politische Versammlung aufgrund der Drohung von Islamisten verboten wurde. Für Gauland bei Jauch ein klarer Beleg, dass die Islamisierung keine angebliche mehr ist, sondern stattfindet.

Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Gesprächsangebote der Staatsregierung zu Ergebnissen führen. Bisher wirken sie eher wie der hilflose Versuch, die Menschen von der Straße zu bekommen. Immerhin geistern durchs Netz bereits die Verschwörungstheorien, dass die Drohung gegen Bachmann fingiert sein könnte, um eine Handhabe zu bekommen, endlich die Demonstrationen zu verbieten. Doch danach sieht es nicht aus. Immerhin stellen sich plötzlich auch namhafte SPD-Bundespolitiker hin und verweisen auf die Höhe des Rechtsgutes Versammlungsfreiheit. Für nächste Woche ist nun eine weitere Demonstration geplant. Dazu werde von Pegida und Polizei ein Sicherheitskonzept erarbeitet. Höhepunkt bis dahin wird die Veranstaltung in Leipzig am Mittwoch sein. Die Lage in Sachsen bleibt heiß, auch wenn es Frost geben soll. Laut Wetterbericht. Im Übrigen, das Einzige, was man der „Lügenpresse“ noch glauben könne, war neulich auf einem Transparent zu lesen. Es könnte auch ein Anfang sein.

 

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