Nationalmasochismus untergräbt die Demokratie

Mit der „Bankenunion“ untergraben Euro-Retter die Demokratie in Europa, schreibt unser Kolumnist Hans-Olaf Henkel. Vor allem Deutsche übten sich in „Nationalmasochismus“ und übersprängen mit Freude rote Linien.

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Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bekommt die „Euro-Krise“ immer gern vergleichsweise harmlosere Titel verliehen, wie zum Beispiel „Staatsschuldenkrise“ oder „Finanzkrise“. Damit haben sich deren Redaktionen der Sprachregelung der Regierung angepasst und verhindern, dass jemand „Haltet den Dieb!“ rufen und den Euro ins Visier nehmen kann. Klar, wie andere Nicht-Euroländer auch, leidet die Eurozone unter den jahrzehntelang aufgetürmten Staatsschulden und den Langzeitfolgen der vor fünf Jahren ausgelösten Finanzkrise.

 

Nicht nur in der Eurozone müssen Banken stabilisiert, saniert oder gar stillgelegt werden. Überall, ob in Schweden, der Schweiz, den USA oder in Japan bleibt es vor allem eine Aufgabe der demokratisch gewählten Institutionen zu entscheiden, ob und wie der Steuerzahler die eigenen Banken rettet.

Mit der „Bankenunion“ sozialisieren die Euroretter jetzt nicht nur die Bankschulden, sie untergraben die Demokratie gleich mit.

Der erste Teil der Bankenunion kommt den kontrollfreudigen Deutschen allein schon durch seinen Titel entgegen. Allerdings verschleiert die „Europäische Bankenaufsicht“ den Blick auf das, worauf es den Vertretern der Südländer, denen Frankreichs vorneweg, wirklich ankommt: Auf die Vergemeinschaftung der Bankschulden in der Eurozone. Das ist auch kein Wunder, sind die Banken im Süden doch in der Regel viel höher verschuldet als jene im Norden. Professor Roland Vaubel von der Universität Mannheim hat kürzlich aufgedeckt, wie sich die Euroretter das vorstellen: über den ESM, „ganz gleich, was die Finanzminister entscheiden“.

„Rote Linien“ mit Freude überspringen

Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Ausgerechnet der vom Bundestag abgesegnete „Europäische Stabilitätsmechanismus“ (ESM), der – so wurde uns hoch und heilig versprochen – nur Staaten unterstützen darf und an dessen Finanzierung Deutschland zu 27 Prozent beteiligt ist, soll nun spanische und französische Banken direkt und ohne Beteiligung der Bundesregierung oder des Bundestages rekapitalisieren dürfen. Auch deutsche Politiker und der deutsche Vertreter in der Europäischen Zentralbank (EZB) Asmussen haben sich dafür ausgesprochen.

Ein französischer Freund des Verfassers dieser Zeilen führt das auf einen neuen „deutschen Nationalmasochismus“ zurück, den der Euro bei Vertretern deutscher Politik, Medien und Wirtschaft ausgelöst habe. Dieser wird dann auch dafür sorgen, dass neue, vor der Bundestagswahl in den Sand gezogene „rote Linien“, zum Beispiel gegen eine europäische Einlagensicherung, nicht nur überschritten, sondern mit Freude übersprungen werden. Dann haften nicht nur die deutschen Steuerzahler, sondern auch die deutschen Sparer für marode Banken im Süden.

Da ihnen fast alle ökonomischen und politischen Argumente für das Festhalten am Einheitseuro abhanden gekommen sind, bemühen deutsche - und nur deutsche - Politiker zunehmend das Argument der Friedenssicherung in Europa. Sie sollten nicht vergessen, nicht dem Euro, den Demokratien verdanken wir den Frieden. Noch nie hat eine Demokratie eine andere auf diesem Kontinent angegriffen. Ausgerechnet deutsche nationalmasochistische Euroretter sind kräftig dabei, unsere Demokratie zu beschädigen. Obwohl der Euro laufend weiteren Schaden an der Demokratie anrichtet, lassen sie ihn lieber frei herumlaufen und rufen nicht „Haltet den Dieb!“. Sie rufen lieber, so stellte es Carlos Gebauer von der Zeitschrift „Eigentümlich Frei“ vor kurzem fest, „Behaltet den Dieb!“.

 

Beitrag zuerst erschienen auf www.Handelsblatt.com

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Melanie G.

Herr Henkel hat recht.
Warum bloß hört man nicht auf diese Leute?
Kein einigermaßen normal denkende Mensch kann doch noch verstehen, was da in der
Politik gemacht wird.
Ich kann nur hoffen, dass all diese Leute, wie henkel und auch noch einige andere, die erkannt haben, wo wir alle hinsteuern, endlich mehr gehört werden, dass sie mehr Einfluss bekommen.
Von Berlin und Brüssel ist nicht mehr viel zu erwarten.

Gravatar: Nonkonformer

Wenn im Sept. 2012 bei Maybritt Illner der Uraltkanzler Helmut Schmidt auf die Frage der Journalistin:" Was müssen wir uns noch zahlen, um die EU oder den Euro zu stabilisieren?"
antwortet: Die Deutschen dürfen nicht vergessen, daß sie 6 Mio. Menschen fabrikmäßig umgebracht haben, und ihre Nachbarn vergessen das auch nicht -
dann braucht kein Mensch mehr sich über Nationalmasochismus zu wundern, wenn die Kollektivschuld durch solch ein furchtbares Gewäsch wieder eingeführt wird!
Empört bin ich auch darüber, daß Schmidt "die Deutschen" sagte und nicht etwa"wir Deutsche"- für ihn persönlich gilt also die Kollektivschuld nicht?

Gravatar: WolfgangR

>Mit der „Bankenunion“ sozialisieren die Euroretter jetzt nicht nur die Bankschulden, sie untergraben die Demokratie gleich mit.<

Viele glaubten bisher, daß die westliche „Demokratie“ die Lebensinteressen der Menschen vertritt. Dieser Glaube wurde durch Suggestionen verschiedener Art mit viel Aufwand in Jahrzehnten eingebrannt - in unser Bewußtsein und Unterbewußtsein. Die fast perfekt aufgebaute Illusionen-Kulisse fällt nun in sich zusammen – und der wahre Kern dieses Systems tritt langsam hervor:
Die Abschöpfung von Steuermitteln in vierstelliger Milliardenhöhe zur Fütterung von Spekulanten, der Angriff auf die Spareinlagen (Testlauf Zypern), Kriege seit Jahrzehnten und die Orwell-schen-Polizeistaat-Methoden der totalen Überwachung bewegen die Bürger. Die Menschen reiben sich die Augen – und beginnen aufzuwachen.

Eine Analyse findet sich in der brandaktuellen Zusammenfassung:
„Die erfolgreichsten Gehirnwäsche-Techniken. Der Globalisierungs-Fanatiker.
http://www.gsm-grunwald.com/neu-buch-publikationen/

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