Nach dem Referendum: Die Angst der Mächtigen vor dem Volk

Es war schon ein kleines Erdbeben, dass sich da bei unseren Nachbarn ereignete. Fast zwei Drittel der holländischen Wähler sprachen sich Mitte der Woche in einer Volksabstimmung gegen das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine aus.

Veröffentlicht:
von

Dass die Niederlande aktuell den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehaben, gibt dem Votum besonderes Gewicht. Zwar nahmen nur rund ein Drittel der Wahlberechtigten an der Abstimmung teil, doch liegen auch bei uns die Zahlen für manche Wahl auf kommunaler Ebene kaum höher. Das „heute-journal“ hielt dies auch am Tag danach nicht davon ab, darauf zu verweisen, dass de facto ja lediglich 20% der Holländer mit Nein gestimmt hätten. Derlei öffentlich-rechtliche Rechenexempel wünscht man sich auch einmal zu Bundestagswahlen, wenn bei einer Beteiligung von um die 70% nur etwas mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf die spätere Bundesregierung entfallen. Natürlich interessierten sich die meisten Holländer nicht für das Abkommen mit der Ukraine. Schon der sperrige Begriff wirkt abschreckend, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sich der Inhalt nur Eingeweihten erschließt. Es dürfte wohl kaum einen Wähler geben, der sich wirklich mit dem mehr als 300 Seiten starken Dokument beschäftigt hat.

Dies aber – wie die eilig um Schadensbegrenzung bemühten Kommentatoren – als Hauptargument für die Fragwürdigkeit von Volksabstimmungen ins Feld zu führen, ist billige Propaganda-Rhetorik. Die Mächtigen hat pure Panik ergriffen. Und so schickte Kommissionspräsident Juncker sogleich seinen langjährigen Weggefährten Asselborn an die Front, um vor dem unberechenbaren, uninformierten Wähler zu warnen. Referenden dürfe es zu EU-Fragen nicht mehr geben, so die Forderung. Mit ihrer Entscheidung über ein Vertragswerk, das sie nicht kennen, befinden sich Hollands Wähler allerdings in bester Gesellschaft mit dem größten Teil der Parlamentarier in Europa. Diese hatten in den zurückliegenden Jahren immer wieder Rettungspaketen zugestimmt, ohne die dazugehörigen Vertragspamphlete auch nur im Ansatz durchdrungen zu haben. Wer käme auf die Idee, deshalb den Sinn von Bundestagsabstimmungen in Frage zu stellen? Nun ist Holland in Not. Vor allem aber der Chef der Brüsseler Riesenkrake. Traurig sei er, ließ Junckers Büro über dessen Gemütszustand verlauten. Einmal mehr soll mit der Emotionalisierung einer Sachentscheidung auf diese Weise offenbar Druck entfaltet werden. Politik als scheinbar gefühlsechtes Erlebnis, bei dem nicht mehr die Konsequenzen zählen, sondern der Grad des Wohlbefindens auf dem Weg dorthin. Ganz nach der Masche der deutschen Kanzlerin.

Doch Europas Bürger haben die Nase voll. In Holland durften sie es offiziell mitteilen. Zu verantworten hat die zunehmende Ablehnung eine politische „Elite“, die aus Großmannssucht und egoistischen Motiven ein Monster geschaffen hat, das ihr zwar Posten und Machtfülle sichert, aber die europäische Idee mit Füßen tritt. Die Kaste der Realitätsleugner in Brüssel, Paris und Berlin, die nur noch um sich selbst kreist, hat in den zweieinhalb Jahrzehnten seit den Schengener Verträgen fast alles falsch gemacht. Schon die Einführung der Gemeinschaftswährung war ein historischer Fehler. Die aggressive EU-Erweiterung und die massive Entwertung nationalstaatlicher Souveränität haben darüber hinaus nicht nur europäische Partner zu Gegnern werden lassen, sondern manche Krise der letzten Jahre erst herbeigeführt. Gebannt schauen nun alle auf Großbritannien und das dortige Votum zum EU-Austritt. Aber vielleicht wissen es die Marietta Slomkas dieser Welt anschließend auch wieder besser und rechnen uns vor, wie bedeutungslos die Entscheidung eines so verschwindend kleinen Teils der Wähler sei. Dafür müssten sie allerdings dann schon die übrigen 52 zwar nicht wahlberechtigten, aber mit dem Königreich verbundenen Staaten des Commonwealth hinzurechnen. Zuzutrauen ist es den politischen Hofberichterstattern einer entfremdeten Politik allemal.

In eigener Sache: Liebe Leser, mein aktuelles Buch „Spukschloss Deutschland“ ist im Juwelen Verlag erhältlich. Noch eindringlicher und zugespitzter zeichnet es den gespenstischen Zeitgeist auf, der uns heimsucht. „Spukschloss Deutschland“ erhalten sie ab sofort auch als Ebook.

Beitrag zuerst erschienen auf peymani.de

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: KritischeStimme

Wie eine Ironie! Als unverantwortlicher NatoMinister/Aussenminister,von 2005/2009+2013 bis jetzt, hat Steinmeier fleissig diese KatastrophenSituation mitgeplant.Jede NatoSitzung in dieser Periode war er dabei und hat nicht protestiert gegen die Nato-Intrigenplaene die in USA entworfen wurden fuer die Ukraine.Er hat alles abgenickt ohne sich dabei zu realisieren das die gefaehrlichste AtomKriegSituation nach dem 2. Weltkrieg i/d Wege geleitet wurde im Herzen des europaeischen Kontinents.Jetzt muss Steinmeier den eigenen Nato-IntrigenPlan fuer die Ukraine wieder beschwoeren.Ein Atomkrieg mit Russland koennte grosse Teile Europas fuer tausende Jahre atomverstrahlen.Von 2009 bis 2013 war Westerwelle der NatoMinister und der hat sicherlich sein Nachfolger Steinmeier ausfuehrlich informiert und vorbereitet.Atomkrieg im Herzen Europas das alles kommt wenn man die Nato machen laesst i/d Laendern rundherum EU

Gravatar: KritischeStimme

Es ist ein Skandal was die EU sich mit der Ukraine erlaubt.
Die EU hat schon genug Schaden angerichtet in der Ukraine.
Ukrainer ist es egal in welchem Sytem sie leben,sie wollen einfach das Beste was es fuer sie gibt.Das war der Grund weshalb Janukovytch nein zu Europa gesagt hat weil klar war das Ukrainisches Volk Opfer sein wuerde.Daraufhin haben EU+USA einen Putsch durchgefuehrt,Regierungswechsel ohne Wahlen.Seit dem Staatsstreich i/d Ukraine ist das Einkommen der Ukrainer etwa halbiert,ueber 9.000 Ukrainer sind gestorben,es gibt fast 2 Milionen von Fluechtlingen.Der Handelsverlust von EU mit Ukraine+Russland hat schon ueber 100 Milliarden von Euro betragen.EU hat schon fuer 30 Milliarden Euro Buergschaften abgeben muessen fuer die Ukraine und die Zahl waechst noch dauernd.
Schnell EU-Einverleibungsversuche stoppen und Situation normalisieren.
Die EU Erweiterungsabteilung soll geaendert werden in eine Zusammenarbeitsabteilung mit Nachbarlaendern,ohne schmutzige Hintergedanken

Gravatar: Andi

Wegen dieser ganzen Diskussionen der Politiker über Volksabstimmungen nach dem Referendum ist mir eine Szene aus einem Film eingefallen, den ich mal gesehen habe. Dort gibt es einen Drogenboss, der gleichzeitig auch Präsident ist, mir fällt gerade der Staat nicht mehr ein. Er sagte sinngemäß: Wir haben hier seit 20 Jahren eine funktionierende Demokratie. Das Volk wählt seit 20 Jahren mich. Sollte sich das mal ändern, müssen wir die Demokratie abschaffen. Das trifft wohl des Pudels Kern gut. So lange die Wahlentscheidungen des Volkes der Politischen Kaste passen, ist die Demokratie eine tolle Sache. Wählt die Bevölkerung dagegen plötzlich etwas Neues, siehe auch AfD, muss die Demokratie plötzlich ganz schnell eingeschränkt werden, da das Volk angeblich nicht genug Ahnung hat.

Gravatar: Diederich Heßling

Wenn morgen in der EU Volksabstimmungen stattfinden würden, wäre übermorgen die EU Geschichte.
Und einen Tag später alle Laternenpfähle belegt...

Wie war das nochmal mit Nicolae Ceaușescu...

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang