Mehr Flexibilität bei der Rente – Die Debatte über den Ruhestand mit 63 führt uns auf den demographischen Holzweg

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Die Rentenpolitik der Großen Koalition bleibt ein Streitthema. Einige schimpfen über vermeintliche soziale Wohltaten für die jetzige Rentnergeneration, die spätere Generationen noch teuer zu stehen kämen. Andere wiederum befürchten eine Frühverrentungswelle. Doch nach Ansicht des Personalexperten Michael Zondler sind dies nur Scheingefechte, die uns auf den demographischen und rentenpolitischen Holzweg führen.

„Lange hat man von liberalen Inhalten ja wenig gehört. Jetzt liefert die FDP, sozusagen als Außerparlamentarische Opposition. Letztlich ist es aber Wurscht, von welcher Seite aus endlich neue Töne in der Rentendiskussion angeschlagen werden. Es ist richtig, dass die Liberalen die starre Altersgrenze in der Rente abschaffen wollen. Ein starres Renteneintrittsalter von 67 führt genauso in die Irre wie die Rente mit 63“, meint der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo mit Firmensitzen in Ludwigsburg, Sindelfingen und London.

In ihrem Reformkonzept schlagen die Liberalen vor, dass jeder Beschäftigte, der das 60. Lebensjahr erreicht hat, frei wählen kann, wann er in den Ruhestand geht. Einzige Voraussetzung: Die Einkommen aus gesetzlicher Rente plus betrieblicher und privater Altersvorsorge muss oberhalb des Grundsicherungsniveaus liegen. „Manchmal hat man den Eindruck, der deutsche Durchschnittsrentner hat Jahrzehnte lang hart auf dem Bau gearbeitet und ist nun mit 60 körperlich am Ende und abgearbeitet. Doch das gilt doch nur für eine Minderheit der Erwerbstätigen in unserem Land. Die Rentendebatten nach Schema F blenden aus, dass sich die Arbeitswelten der heute 60-jährigen in den vergangenen Jahrzehnten radikal verändert haben. Früher gingen die Leute mit Mitte 60 in Ruhestand und hatten dann vielleicht noch fünf Jahre etwas von ihrer Rente. Der Ruhestand heutiger Rentner und Pensionäre dauert aber glücklicherweise oft noch 20 oder 30 Jahre.“

Wolfgang Prosinger fordert im Tagesspiegel. daher auch die „Altengleitzeit“ statt der Einheitsrente: „Wie könnte es gelingen, Menschen über die Altersgrenze hinaus zu beschäftigen, wenn sie es wollen? Und zugleich jene, die im Alter an ihr Leistungslimit gelangen, schon früher in den Ruhestand zu entlassen?“ Dies seien die entscheidenden Fragen. Schweden habe es schon 1999 vorgemacht. Dort kann jeder mit 61 abschlagsfrei in Rente gehen  und wer länger am Arbeitsplatz bleiben möchte, könne das auch. Im Durchschnitt habe diese Regelung in Schweden den Eintritt in den Ruhestand auf 65,7 Jahre angehoben (in Deutschland liege er faktisch etwa bei etwa 61).

„Warum wollen weite Teile der Politik Arbeitnehmern vorschreiben, wann sie den letzten Abschnitt ihres Lebens antreten wollen? Ich denke, viele Menschen reagieren allergisch auf diesen Zwang. Sie möchten mehr Freiheit. Und viele wollen auch nicht zum Beispiel bis 67 ‚volle Pulle’ arbeiten und dann von einem Tag auf den anderen die Füße hoch legen. Dass wir in Zukunft in der Breite länger arbeiten müssen, ist unstrittig. Doch wenn es den Arbeitnehmern möglich wäre, beispielsweise in ihren letzten Berufsjahren mit reduzierter Stundenzahl zu arbeiten, würde man dem längeren Arbeiten seinen Schrecken nehmen. Jetzt stellt sich die Frage: Ist die Große Koalition so flexibel, dass sie in dieser Wahlperiode noch die Flexi-Rente auf den Weg bringt?“, fragt Zondler.

 

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