Manifest aus dem Bunker

Litauische Partisanen leisteten ab 1944, beim Einmarsch der Roten Armee Widerstand, der allerdings aussichtslos war. Westliche Hilfe blieb aus. 2010 wurde in Minaičiai ein Denkmal errichtet. Zu Feierlichkeiten kommen jetzt auch Vertreter aus dem Westen.

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1945 war der Weltkrieg vorbei, doch in so manchen Ländern Zentral- und Osteuropas wurde weiter gegen die kommunistische Herrschaft gekämpft. So auch in Litauen. Mit dem Eindringen der Roten Armee im Sommer 1944 begann auch schon der Widerstand. Zehntausende Partisanen versteckten sich in den Wäldern. Im Frühjahr 1945 widersetzten sich 30.000 Litauer unter Waffen den neuen Machthabern. Gerade in diesem Jahr, als die sowjetische Herrschaft noch nicht gefestigt war, wagten die Partisanen sogar offene Kämpfe mit hunderten Teilnehmern. Da die erhoffte Hilfe von den Westalliierten ausblieb, war der Widerstand letztlich zum Scheitern verdammt. Insgesamt starben um die 20.000 Partisanen (meist 1945-46), die letzten vereinzelten Kämpfer sogar erst in den 60er Jahren.

Der Widerstand gegen die sowjetischen Einheiten war den Umständen entsprechend überraschend gut geplant und koordiniert. Schließlich kämpften auch viele ehemalige Angehörige der litauischen Armee auf Seiten der Partisanen. Ganz Litauen wurde in Kampfgebiete unterteilt.  In der zweiten Jahreshälfte 1945 wurde das „Litauische Befreiungskomitee“ (Lietuvos išlaisvinimo komitetas, LIK) als Dach des Widerstandes gegründet.

Nur äußerst selten war es den Anführern möglich, sich in größerer Zahl zu treffen. Zu groß war das Risiko verraten und entdeckt zu werden. Die wichtigste ‘Konferenz’ der Partisanenspitze fand vom 2. bis zum 22. Februar 1949 in einem Dorf im heutigen Kreis Radviliškis im Norden Litauens statt, nun ein knappe Autostunde südöstlich von Šiauliai. In Minaičiai versammelten sich acht Männer auf dem Hof von Stanislovas Miknius, denn hier befand sich unter der Scheune ein unterirdisch eingerichteter Bunker – ein gut ausgebautes Versteck, in das man sich bei Gefahr sofort zurückziehen konnte.

Bei diesem Treffen wurde der Widerstand politisch neu organisiert und der Name „Bewegung des litauischen Freiheitskampfes“ (Lietuvos Laisvės Kovos Sąjūdis, LLKS) bestätigt. Vor 66 Jahren, am 16. Februar 1949, dem Tag der Unabhängigkeitserklärung 1918, wurde die Deklaration des LLKS verabschiedet. Anknüpfend an bisherige Erklärungen wird das LLKS als oberstes Organ des freien Litauens bestätigt und in zweiundzwanzig Punkten eine Art Skizze einer freien litauischen Verfassung gegeben. Litauen soll wieder wie in der Verfassung von 1922 ein demokratischer, parlamentarischer Rechtsstaat werden. Auch am Ende beruft man sich auf die „demokratischen Prinzipien, die aus dem christlichen Moralverständnis herausgewachsen sind“, außerdem auf die Atlantik-Charta und die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen.

Noch etwa zweitausend Partisanen waren damals in ganz Litauen verstreut. Die Übermacht der sowjetischen Einheiten war natürlich nicht zu brechen. Von den Anwesenden des Treffens im  Februar überlebte niemand den Widerstand. Jonas Žemaitis – er unterzeichnete mit seinem Kampfnamen „Vytautas“ – wurde im Bunker zum Vorsitzenden des LLKS-Präsidiums gewählt und zum General ernannt. Nach einem Schlaganfall gelähmt konnte er Anfang der 50er Jahre nicht weiterkämpfen und lag in einem der Bunker. 1953 wurde er festgenommen und im kommenden Jahr in Moskau erschossen. Sein Denkmal steht heute gut sichtbar direkt vor dem Verteidigungsministerium in Vilnius. Ein anderer bekannter Anführer, Adolfas Ramanauskas, genannt „Vanagas“ (Falke), tauchte mit seiner Familie in Kaunas unter, wurde aber 1956 verraten und festgenommen und 1957 hingerichtet.

Auch wenn der militärische Kampf damals aussichtslos war und faktisch nach 1949 nur noch ein paar Jahre hinzog, hat die Deklaration des LLKS große symbolische Bedeutung für die Litauer – und das bis heute. 1999 beschloss der Seimas, das litauische Parlament, die Deklaration als Rechtsdokument der heutigen Litauischen Republik anzuerkennen (s. hier, darunter auch der Text der Deklaration). Gewiss sollte der Partisanenkrieg nicht idealisiert werden, denn die Widerstandskämpfer begingen auch Verbrechen, richteten sogar ganze Familien hin, die man der Kollaboration mit den Kommunisten beschuldigte (die meisten Opfer der Kämpfe waren Zivilisten). Aber die Führung zeigte gerade in der Deklaration politische Reife.

2010 wurde neben dem Hof ein Denkmal errichtet, das in die Februar-Konferenz 1949 erinnert. Vor drei Jahren baute man den Bunker authentisch nach und richtete  ein kleines Museum darüber auf dem Bauernhof ein. Die heutige Besitzerin des Hofs war damals ein junges Mädchen und kann jedem Besucher anschaulich von den Zeiten des Krieges nach dem Krieg erzählen.

An hohen Feiertagen wie dem ‘Geburtstag’ der Republik am 16. Februar findet sich in Minaičiai viel politische Prominenz ein. Gestern kamen der Verteidigungsminister und weitere Vertreter der Armee, um das Andenken der Partisanen zu ehren. Dieses Mal wurden sie zahlreich von Nato-Einheiten von der Luftwaffenbasis im nahen Šiauliai begleitet (hier gibt es Bilder). Italiener, Polen und Amerikaner standen mit litauischen Soldaten Spalier und legten Kränze nieder. 1949 gab es keine Unterstützung aus dem Westen. Nun ist dieser Beistand Gott sei Dank da.

Zuerst erschienen auf lahayne.lt

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Michael Ziefle

um Gottes willen Herr Lahayne, hat man ihnen das noch nicht gesagt, alle die gegen Russland, oder damals gegen die Sowjets waren, sind doch alles Faschisten. Wie jetzt in der Ukraine doch auch. Oder sehe ich das falsch. Hier wird doch auch laufend gegen die Ukraine gewettert, nicht von Ihnen, aber von vielen anderen. Da wird sich noch klammheimlich darüber gefreut, wenn die Ukrainer hohe Verluste haben. Und Herrn Putin schon fast die Füsse geküsst. Und der Westen macht wieder nichts. Es gibt nur noch zwei Länder zwischen uns und Russland, das ist die angeschlagene Ukraine und Polen. Danach kommen wir.

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