Leonard Cohen, der Krieg, die Menschlichkeit und die Fahrräder auf dem Meeresgrund

Am Sonntag, dem 21. September wurde in einer Reihe von transkontinentalen Veranstaltungen (1)* der achtzigste Geburtstag von Leonard Cohen zelebriert. Er selber hat sich diesen Tag als Termin gesetzt, um wieder mit dem Rauchen anzufangen.

Veröffentlicht:
von

 

In dem Filmporträt ‚Beautiful Losers’ (ich weiß nicht, wie lange das schon zurückliegt) lobt er Weiswein und Zigaretten als „wundervolle Drogen“, er tut es in einem durchaus ernsthaften Ton, als hätte er alles durchprobiert und könnte nun nach vorurteilsfreier Prüfung Weiswein und Nikotin als Testsieger empfehlen. Er scheint eine Menge ausprobiert zu haben, einschließlich Alkoholentzug, Zen Buddhismus und Askese. Offenbar ist er auch im fortgeschrittenen Alter immer noch dabei, in Sachen Drogen, Kunst und Religion verschiedene Möglichkeiten auszutesten.

Einen unfreiwilligen Selbstversuch in Sachen Menschlichkeit hatte Leonard Cohen schon Anfang der siebziger Jahre gemacht, genau gesagt 1973, als er auf die Insel Hydra zurückgekehrt war und das Zusammenleben mit Frau und Kind nicht mehr ertragen konnte (er spricht von einem „Vorhang aus Rasierklingen“, in einem seiner Songs heißt es lakonisch „I live here with a woman and a child, the situation makes my kind of nervous“), er wurde dermaßen kribbelig, dass er der Versuchung nicht länger widerstehen konnte, endlich an einem richtigen Krieg teilzunehmen. Das wollte er immer schon. Er wollte es schon, als er Anfang der sechziger Jahren kurz vor der Invasion in der Schweinebucht nach Kuba aufbrach, um da eine Begegnung mit dem Tod zu haben, wie er in einem noch älteren Dokumentarfilm erklärt (an den Titel erinnere ich mich jetzt nicht, ich weiß aber noch, dass er in Schwarzweiß ist). Damals hatte seine Mutter hinter ihm her telefoniert, er konnte gerade noch rechtzeitig ausreisen.

Und nun? Wie würde es ihm in seiner „mythischen Heimat“ ergehen, wo er schon Konzerte gegeben hatte und wo sich gerade der Jom-Kippur-Krieg anbahnte? In seiner unveröffentlichten Schrift ‚The Final Revision of My Life in Art’ erklärt er, warum es ihn geradezu unwiderstehlich dahin zog: „ ... zum Teil, weil es so schrecklich zwischen uns war, dass ich lieber gehen und ägyptische Kugeln mit meinem Körper aufhalten wollte.“

Er nahm Kontakt auf mit dem Sänger Sholomo Semach, der damals bei der Luftwaffe diente, und bat ihn, irgendetwas zu finden, wo er sich nützlich machen konnte. Zusammen mit anderen stellten sie eine kleine Truppe von Unterhaltungskünstlern zusammen, die für die Soldaten in Raketenstellungen, Panzerstellplätzen und Lagern spielte. Die Konzerte waren „formlos und sehr intensiv“, die Künstler wurden einfach mit Taschenlampen beleuchtet. „ ... für einen oder zwei Augenblicke“, notierte Cohen, „hält man sein Leben für sinnvoll. Und Krieg ist wundervoll.“ (2)**

Die Künstler überquerten den Suez-Kanal mit Hubschraubern und gaben ein Konzert auf dem Hangar eines Flughafens, der vorher in ägyptischer Hand gewesen war. Da war es dann jedoch nicht so sehr der herzliche Zuspruch der Soldaten, der Cohen berührte, sondern das Elend des Kriegs, den er gerade erst als „wunderbar“ bezeichnet hatte. Er konnte nicht länger an sich halten, er musste haltlos weinen, als er die verletzten Soldaten sah. Jemand tröstete ihn und bemerkte, dass es alles Ägypter wären. Cohen fühlte sich erleichtert.

Nicht lange.

Fast im selben Moment erschrak er über sich selbst. Was war da gerade mit ihm passiert? Wieso konnte sein starkes Mitgefühl einfach auf „Off“ geschaltet werden, als hätte er einen verborgenen Kippschalter? Hatte er mit dem Gefühl der Erleichterung nicht zugleich etwas grundlegend Menschliches verloren? Er war „tief verstört“ über die Erfahrung, die er da machen musste. Wie unzuverlässig waren doch die Gefühle – „I don’t trust my inner feelings. Inner feelings come and go“. Wie leicht konnte einem besonders empfindlichen Menschen wie ihm gerade das, was ihn auszeichnet – nämlich sein Mitgefühl für andere – abhanden kommen!

Er selber hatte die verbindende Menschlichkeit immer wieder beschworen! In ‚Passing Through’ heißt es, dass – egal ob Ami, Russe, Weißer oder Schwarzer – wir alle Menschen sind, das allein zählt, wir gehören zusammen, wir sind alle sterblich, „we’re all on one road and we’re only passing through“. Und nun das! Wie sollte er das verstehen?

War Menschlichkeit vielleicht gar nicht unser höchstes Gebot? Konnte eine Feindschaft, die womöglich nur vorübergehend war oder auf einem Missverständnis beruhte, die Menschlichkeit ausstechen und sich in der Rangfolge unserer Wertmaßstäbe unbemerkt auf die Pole-Position schmuggeln? Gehörte die hoch geschätzte und viel beschworene Menschlichkeit womöglich zu dem Ballast, den wir als erstes über Bord werfen, wenn es ernst wird? War „Mitleid“ nur ein Wort zum Sonntag?

Die Idee der Menschlichkeit ist es ja gerade, dass sie ALLE umfasst. Selbst wenn sich ein Mensch strafbar macht, wenn er sich versündigt hat, wenn er krank ist, wenn er sich irrt, wenn er als Feind, als Gegner, als Konkurrent, als Widersacher angesehen wird, so verliert er damit nicht seine Aufenthaltsberechtigung in den Vereinigten Staaten der Menschlichkeit und er hat nicht nur ein Anrecht darauf – gerade in seiner Schwäche –, menschlich behandelt zu werden, es ist schlicht eine Selbstverständlichkeit.

Schön wär’s.

Es gilt bereits als kulturelle Errungenschaft, wenn auf Wehrlose nicht eingeschlagen wird, und wenn jemand, der am Boden liegt, nicht noch weitere Tritte einstecken muss. Der Mensch ist kein edler Ritter, der seinen Gegner keinesfalls „im Stich“ lässt – was buchstäblich so gemeint war: Hatte ein Ritter einen anderen Ritter im Turnier abgestochen, sorgte er selber dafür, dass der wieder aufstehen konnte. Der normale Mensch, der eben kein Ritter ist, kann sich nur allzu leicht gegen menschliche Regungen immunisieren. Er verspottet und bespuckt die Unterlegenen sogar. Er schubst eine alte Frau die Treppe runter und ruft hinterher: „Oma, warum rennst du so schnell?!“ Er nimmt seinen Opfern übel, was er ihnen selbst angetan hat. Er behandelt sie zu seiner eigenen Sicherheit nicht mehr so, als wären sie Menschen. Er hat eine innere Flüsterstimme, die ihn zu solch zweifelhaften Hygienemaßnahmen ermutigt und er hat ein Gefühl der Erleichterung parat, wenn er erfolgreich sein Mitgefühl ausgeblendet hat. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, meint der Volksmund. „Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung“, meinte Heinz Erhardt. Menschlichkeit für alle gilt nicht. Nur für Sieger.

Wenn ich höre, dass „Frauenrechte Menschenrechte“ sind, dass Männerrechte ebenfalls Menschenrechte sind, Schwulenrechte genauso und Kinderrechte obendrein, dann erscheinen mir diese Parolen wie Rückschritte, die hinter das, was schon erreicht war, zurückfallen. Deshalb fällt es mir auch leicht, auf die Frage, ob ich ein Männerrechtler bin, mit „nein“ zu antworten. Ich weiß natürlich, was damit gemeint ist, halte den Ausdruck aber für so unglücklich, dass ich mir den Schuh nicht anziehen möchte. Was sollen das für Rechte sein, die ich haben sollte, weil ich ein Mann bin? Wie sollten die sich unterscheiden von Rechten, die eine Frau hat? Und wie – das ist die eigentlich spannende Frage – unterscheiden die sich von Menschenrechten? Unterscheiden die sich überhaupt? Sind sie nicht vielmehr ein selbstverständlicher und notwendiger Bestandteil der Menschenrechte? Wenn man aber Männer- und Frauenrechte in Stellung bringt und gegeneinander aufrechnet, verlässt man den Tanzboden, auf dem Mann und Frau sich begegnen, um diesen Boden gemeinsam abzuschreiten. Stattdessen hampelt man mit einem Schuh, zu dem es keinen Partner gibt, einsam herum.

Ist also die Forderung nach einer Unterkategorie von Menschenrechten immer nur die Quengelei nach einem Trostpreis und das Zugeständnis, dass man den Verlust von Menschenrechten schon vorausgesetzt und sich damit abgefunden hat? Ich meine ja. Mit solchen Forderungen werden nicht etwa mehr Rechte gefordert, sondern weniger. Menschenrechte sind die Messlatte. Drunter geht nicht. Drüber auch nicht.

Ich hatte noch Lateinlehrer, die mit dem Spruch „quot licet lovi, not licet bovi“ auftrumpften und uns damit sagen wollte, dass sie sich selber für die Nachfahren von Jupiter hielten, die all das durften, was uns, den Rindviechern, nicht erlaubt war. Deshalb unterschieden sie auch zwischen Menschen und Leuten. Wer kein Latein konnte, das waren keine Menschen, das waren nur Leute. Das sagten sie wirklich so. Wörtlich. Deshalb konnte wir froh sein, dass wir auf ein „humanistisches“ Gymnasium gehen durften, um da Mensch zu werden und Latein zu lernen: errare humanum est (kleines Latinum).

In einem offenen Brief an die Mitglieder des Bundestages, der u.a. von Martin Walser und Günter Grass unterzeichnet wurde, der die „vollständige Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare“ fordert, wird von einem historischen Moment gesprochen, der uns ermöglicht, durch ein „Tor der Vernunft“ zu treten: „Hinein in eine menschlichere Zukunft“.

Das hat mich stutzig gemacht. Wollen wir da hin? Ist uns eine „menschliche“ Zukunft neuerdings nicht mehr gut genug? Warum wird da ein Zwei-Klassen-System von Menschlichkeit eingeführt? In Vietnam habe ich ein Touristenschiff mit dem Namen ‚Paradise Luxury’ gesehen. Auch das hat mir zu denken gegeben. Eine menschliche Zukunft hieße also ‚Paradise’. Eine menschlichere ‚Paradise Luxury’. Ist das so gemeint?

Worauf bezieht sich der Komparativ „menschlichere“? Wird hier die Gegenwart mit der Zukunft verglichen oder werden zwei Zukunftsmodelle nebeneinandergestellt? Heißt es so viel wie: „Zurzeit geht es menschlich zu, aber in Zukunft soll es noch menschlicher werden“? Aber kann man „menschlich“ überhaupt steigern? Verliert es dann nicht seine Bedeutung, weil damit die Menschlichkeit einem Wettbewerb ausgesetzt wird – einem, der nicht immer menschenfreundlich sein muss und übel enden kann?

Rousseau war es bekanntlich, der meinte, dass mit dem Vergleich das Übel in die Welt kommt. Wer „menschlich“ steigert, sieht „Menschlichkeit“ nicht mehr als höchstes Gut an. Die Steigerung ist ihm wichtiger – also das Projekt, die Menschlichkeit zu überbieten. Erfahrungsgemäß ist das die Stunde der Gewalt, das heißt der Unmenschlichkeit. Dann gibt es Übermenschen und Untermenschen. Ich vermute, dass Günter Grass und Martin Walser den Text, den sie da unterzeichnet haben, nur flüchtig gelesen und ihr Sprachgefühl vor lauter Begeisterung über das „Tor der Vernunft“, durch das sie gerne schreiten wollten, zurückgestellt haben.

Sprache ist verräterisch. Sie lässt Mängel und Lügen erkennen und bringt oftmals mehr ans Tageslicht, als einem Autor lieb ist. Es ist ja gerade eine Besonderheit des Menschen, dass er sprechen kann. Zwar gibt es, wie man gerne zitiert, in keiner Sprache so viele Missverständnisse wie in der Sprache. Doch so schwer ist es andererseits auch nicht. Man kann sich schon verständigen. Man kann Manipulationsversuche erklären und kann versuchen, Gehirnwäsche zu beschreiben. Arthur Brühlmeier, auf den ich immer wieder gerne hinweise, hat es getan und hat sich mit den Irrtümern des Sprachfeminismus befasst.

Was geschieht mit uns, so fragt er sich, wenn wir den Forderungen nach geschlechtergerechter Sprache Folge leisten, wenn wir Doppelnennungen und das Binnen-I verwenden? Was dann? Dann geht die übergeschlechtliche Bedeutung allmählich verloren, alles Maskuline wird zunehmend als real männlich und alles Feminine als real weiblich empfunden. Damit fällt zuerst einmal alles grammatikalisch Neutrale unter den Tisch. Aus einem dreidimensionalen Weltbild wird nach und nach ein zweidimensionales. Schlimm genug. Es kommt noch schlimmer.

„Darüber hinaus – und dies wiegt schwerer – führt diese Umdeutung des Übergeschlechtlichen in biologisch Geschlechtliches zum Verlust des wichtigsten Oberbegriffs der deutschen Sprache, nämlich des allgemeinen, nicht unter geschlechtlichem Aspekt ins Auge gefassten Menschen.“ Dieser wichtige Oberbegriff – der wichtigste, wie er meint – geht uns verloren. Den gewöhnen wir uns ab. Wir sehen und verstehen uns nicht mehr als Gemeinschaft der Menschen, zu der alle dazugehören. Wir haben keinen Begriff mehr davon. Und keinen Begriff dafür.

„Damit“, so schriebt er weiter, „wird der Sexismus nicht etwa – wie gewiss in guten Treuen beabsichtigt – aus der Sprache entfernt, sondern erst konsequent in diese eingeführt.“ Das ist nett gesagt. Bei den „guten Treuen“ bin ich allerdings nicht sicher. Ich glaube vielmehr, dass der Sexismus von Leuten – von Menschen, besser gesagt ¬– in die Sprache eingeführt wird, die nicht mehr anders können, die sexistisch unterwegs sind und für die es ganz normal ist, überall sexuelle Unter- und Obertöne zu wittern und alles, was nicht sowieso schon sexualisiert ist, endlich zu sexualisieren. Wir haben deshalb keine Kontoinhaber mehr, sondern Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber. Wie sehr das nervt, wird deutlich, wenn wir uns vorstellen, dass jemand bei jeder Gelegenheit nicht etwa seine Geschlecht, sondern seine Nationalität betonen und sagen würde: „Ich möchte gerne ein Konto eröffnen, ich bin übrigens Deutscher!“

Doch es geschieht noch mehr, als dass ständig die Sexualität hervorgehoben wird, als würde jemand Leuchtstreifen auf die Kleidung appretieren, die zu den Geschlechtsteilen zeigen. Da ist noch mehr im Busch. Der zwanghafte Hinweis, dass sich in einer Großgruppe – zum Beispiel in der Gruppe der Österreicher – auch weibliche Elemente befinden, wirkt auf den ersten Blick überflüssig und sinnlos. Wer hätte auch je etwas anderes vermutet? Das ist klar. Warum soll es dann unbedingt „Österreicherinnen und Österreicher“ heißen? Was steckt dahinter?

Arthur Brühlmeier schreibt: „Mit der Beseitigung jener sprachlichen Instrumente, die niemals sexistisch gemeint waren und stets der Darstellung des Allgemeinen, Übersexuellen dienten, nimmt man dem Menschen schlicht und einfach jene Oberbegriffe, die er benötigt, um sich korrekt über einen Sachverhalt zu äussern, in dem es nicht um das Nebeneinander oder die Summe von Männlichem und Weiblichem, sondern um das geschlechtlich nicht relevante allgemein Menschliche geht.“

Noch mal langsam: Wir können, wenn wir dem Sprachfeminismus folgen, über das „allgemein Menschliche“ gar nicht mehr reden. Jedenfalls nicht korrekt. Da fehlen uns die Worte. Der Sexismus zerteilt alles. Er behauptet selbst da eine Trennung, wo gar keine vorliegt. In der Bibel-Übersetzung in „gerechter“ Sprache (Schon falsch: Es ist keine „Übersetzung“, sondern eine Interpretation, und Sprache soll nicht „gerecht“ sein – was sie auch nicht sein kann –, sondern zutreffend) werden sogar noch nachträglich sexistische Trennlinien gezogen, so dass wir von „Ammoniterinnen und Ammonitern“, sowie von „Makkabäerinnen und Makkabäern“ lesen, als wären es zwei getrennte Gruppen gewesen, die sich nicht als Gemeinschaft empfunden hatten und getrennte Wege gegangen waren.

Auch die Menschlichkeit wird geteilt – und damit abgeschafft. Das erste Mal, dass mir die Formulierung „männliche Menschen“ aufgefallen ist, war in dem Buch ‚Die Jungenkatastrophe’ von Frank Beuster aus dem Jahre 2006. Schon der Titel fiel mir unangenehm auf. Er lässt sich nämlich so lesen, dass nicht etwa die Umstände, in denen Jungen heute aufwachsen, katastrophal sind, sondern die Jungen selber. Es klingt womöglich nach einer billigen Retourkutsche, wenn ich sage, dass allein sprachlich das Buch auch eine Katastrophe ist. Inhaltlich sowieso. Beuster nimmt den Jungen durch seine Wortwahl ihre Menschlichkeit, indem er ihnen lediglich eine nicht vollwertige Sonderform der Menschlichkeit zubilligt: Sie sind nur männliche Menschen.

Beuster sieht sie als defizitäre Wesen, die geradezu zwangsläufig rechtsradikal werden: „Hoyerswerda, Solingen, Mölln und andere Orte in Deutschland stehen für das persönliche und das gesellschaftliche Scheitern meist männlicher Menschen.“ Beuster hat sie schon aufgegeben. „Unkultiviert, ohne eine Zähmung ihrer destruktiven Persönlichkeitsanteile (. . .) und ohne die Ausbildung alternativer Mitteilungsformen, verlieren wir Jungen an die Feinde der Menschlichkeit.“

Da ist sie wieder: die Menschlichkeit. Da sind auch ihre Feinde: die Männer. Das Männliche und das Menschliche sind getrennt – warum auch immer. „Weniger Mann ist mehr Mensch“, lautete eine feministische Parole der siebziger Jahre, in denen es auch hieß, dass eine Frau ohne Mann wie ein Fisch ohne Fahrrad sei (eine bemerkenswerte Lyrik: Es weiß doch jeder, dass Fahrräder unter Wasser nicht vorankommen und Fische sowieso nicht Radfahren können) und dass es somit keine vorstellbare Möglichkeit eines Zusammenseins gibt. Damit fehlen aus feministischer Sicht für eine Gemeinsamkeit von Mann und Frau nicht nur die Worte, sondern auch die Bilder.

Zwischen der Sphäre des Männlichen und der des Weiblichen gibt es keine Schnittmenge. Man kann nicht mal Kompromisslösungen finden. Die Trennung der Geschlechter ist absolut und lässt keine Grauzonen zu. Man darf sich von der „geschlechtlichen Vielfalt“, von der neuerdings die Rede ist, und den 60 Möglichkeiten, bei facebook Angaben zu seinem Geschlecht zu machen, nicht in die Irre führen lassen. Die Frauenpolitik mit ihren Quoten kennt nur Entweder/Oder. Ein Mann kann zwar im Abendkleid den Grand Prix gewinnen, kann aber nicht mit Fördermitteln aus dem Professorinnen-Programm rechnen, auch dann nicht, wenn er hervorragend qualifiziert ist, radikale feministische Ansichten hat, schwul ist, singen kann und gerne Abendkleider trägt. Frau oder nicht Frau – das ist die Frage. Es gibt keine Ausnahmen.

Also werden Männer ausgegrenzt und sie werden, weil man sie nicht integrieren kann, überwunden. In ihrem Programm der SPD heißt es bekanntlich: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“ Überwinden! Weg mit dem Männlichen. Es ist ein übler Satz, der aus dem Mief radikalfeministischer Parolen der siebziger Jahre hervorgegangen ist (von denen manche dachten, sie hätten sich längst überlebt – aber Pustekuchen!).

Inzwischen heißt es: „Das Wir entscheidet“. Das klingt nach Gemeinsamkeit, doch wenn man den nächsten Satz aus dem Munde eines SPD-Politikers hört, der weiterhin stur das Trennungsgebot des Sprachfeminismus anwendet, merkt man, dass es ein Wir der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist. Doch ein geteiltes Wir ist kein Wir. Eine geteilte Menschlichkeit ist unmenschlich. Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge. Der berühmte Satz von Seneca geht noch weiter: errare humanum est, sed in errare perseverare diabolicum (großes Latinum). Irren ist menschlich, aber den Fehler beizubehalten ist teuflisch.

Der Fehler ist die unversöhnliche Trennung von Mann und Frau. Die Trennung bringt die absolute Verallgemeinerung mit sich. Die Verallgemeinerung bringt Feindseligkeit mit sich. Es werden dann nämlich keine Subjekte mehr angefeindet, sondern Objekte. Deshalb tragen Soldaten eine Uniform. Sie nimmt ihnen die Individualität und macht sie zur Masse. „Soldaten sehn sich alle gleich, lebendig und als Leich’“. Je weniger man über sie weiß, um so leichter es, sie als Feinde zu sehen und sie zu töten.

Deshalb weigert sich auch das Gender-Establishment, Probleme von Männern überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Sie gucken nicht hin. Sie hören nicht zu. Die Unkenntnis ermöglicht ihnen die Misandrie. An manchen Boutiquen gibt es kleine Schilder, auf denen niedliche Hunde abgebildet sind zu der Inschrift WIR MÜSSEN LEIDER DRAUSSEN BLEIBEN. So war es auch bei der Welt-Frauenkonferenz, auf der das Programm des Gender Mainstreaming ausgebrütet wurde: Da gab es Schilder mit derselben Inschrift mit Strichmännchen. Männer mussten draußen bleiben.

Sie sind immer noch außen vor. Das erkannten viele erst am Ende der Rede der Harry-Potter-Berühmtheit Emma Watson (sie spielte die Hermine), die als „United Nations Women Goodwill Ambassador“ für die neue #HeForShe-Kampagne Stimmung machen wollte und dafür so viele Unterschriften wie möglich sammeln will. Zu Anfang hörte sich das alles recht gut an. Sie betonte, dass „Gender Equality“ nicht nur ein Frauenthema ist, dass es sich dabei um eine Menschenrechtsfrage handelt, die jeden angeht, und dass man alles tun müsse, um gegen alle Formen von Gewalt und Diskriminierung vorzugehen. Soweit so gut.

Nein, doch nicht. Es ist schon an dieser Stelle faul. Die Kampagne nennt sich #HeForShe. Damit wird eine unmissverständliche Unterordnung der Männer festgelegt, die sich nicht verträgt mit dem Bekenntnis zur angestrebten Gleichheit der Geschlechter. Emma Watson spricht mit gespaltener Zunge. Wenn sie es mit der Gender Equality ernst meinte, warum nennt sich die Kampagne dann nicht #HeAndShe oder #WeForWe?

Darf ich mal etwas verraten? Ich bin auch gegen Gewalt und gegen Unrecht. Ich bin aber auch dagegen, sich mit solchen Selbstverständlichkeiten in Szene zu setzen. Das Unanständige und Hinterhältige an so einer Pose ist nämlich, dass so getan wird, als müsste das dringend gesagt werden, als gäbe es einen Bedarf, als wären alle anderen nicht genauso gegen Gewalt und Unrecht. Ich kann mir nicht helfen, ich muss dann gleich an die alte Satire-Zeitschrift ‚pardon’ denken, die eine Rubrik hatte, die unter dem Motto stand: „pro bonum contra malum“. Für das Gute, gegen das Schlechte. Ist jemand vielleicht anderer Meinung? Es ist doch nichts Neues, gegen Gewalt und Unrecht zu sein – oder?

Die Neuigkeit steckt im Finale der Rede. Nachdem Emma Watson sich noch einmal heftig gegen Gewalt ausgesprochen hatte, gipfelte ihre Ansprache in den Worten: „faced by women and girls“. Aha. Es ging ihr also nicht gegen jede Form von Gewalt, sondern gegen die Gewalt, die Frauen und Mädchen betrifft. Auch das hörte sich zunächst nicht falsch an. Dennoch fragte man sich: und die Jungs und Männer? Was ist mit denen?

Die Aussage liegt in dem, was nicht gesagt wird. Männer und Jungs sind nicht mitgemeint. Sie werden herausgestrichen aus der Gesamtmenge der Hilfsbedürftigen. Dabei sind nach den Daten, die von der UN selbst veröffentlicht werden, Männer und Jungen vier bis fünf Mal so oft Opfer von Gewalt. Hier haben wir wieder den Fall, dass es nicht um mehr geht, sondern um weniger. Die UN-Hilfen sollen reduziert werden auf Frauen. Wer nicht weiblich ist, dem wird von der UN nicht geholfen. So ist das gemeint. Das ist das Neue.

Kommen wir noch einmal auf den Kontoinhaber zurück, den ich als Beispiel genommen habe, und stellen wir uns vor, er hätte in einer flammenden Rede vor der UN gegen Unterdrückung und Gewalt am Ende deutlich gemacht, dass es ihm dabei um Gewalt geht „faced by Germans“, dass er also gegen Gewalt ist, sofern es Deutsche betrifft. Wie hätte uns das gefallen?

Erinnern wir uns: Zunächst hatte unser Kontoinhaber nur etwas betont, das unbestritten und selbstverständlich war. Es kam uns überflüssig vor. Wir hatten uns gewundert, dass er bei jeder Gelegenheit betonen musste, dass er deutsch ist. Es hat uns genervt. Wir hatten auch gleich ein ungutes Gefühl bei der Sache. Zu recht. Es war von Anfang an nicht ohne Hintergedanken. Wir haben uns mehr und mehr daran gewöhnt, dass es offenbar etwas Besonders ist, Deutscher zu sein, dass es etwas ist, das extra erwähnt werden muss und mit Ansprüchen und Vorwürfen verbunden ist. Alles, was nicht extra betont wurde, war nicht weiter erwähnenswert und fiel dann unbemerkt unter den Verhandlungstisch.

Wer nicht deutsch ist, der sollte auch kein Konto eröffnen. Das war die versteckte Botschaft. So deutlich hatte es der Mann nicht gesagt. Aber man konnte es heraushören. Es war vorbereitet. Es fiel nämlich auf, dass unser Mann bei jeder Gelegenheit sein Deutschsein betonte, ob er sich als Verkehrsteilnehmer sah („Ich bin Verkehrsteilnehmer, ich bin übrigens Deutscher“), als Wähler („Ich bin Wähler, ich bin übrigens Deutscher“) oder Mitarbeiter bei der GASAG („Ich bin Mitarbeiter bei der GASAG, ich bin übrigens Deutscher“). Für ihn stand der Nationalismus von Anfang an über allem. Deutschsein, Deutschsein über alles in der Welt.

Bei Feministen steht Sexismus über allem, ob sie sich als Verkehrsteilnehmer sehen („Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer“), als Wähler („Wählerinnen und Wähler“) oder als Mitarbeiter bei der GASAG („Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“). In allen Fragen geht es zuallererst um Sex. Wenn es nun um die Bekämpfung von Gewalt geht, worum geht das dann zunächst? Was hat dann Vorrang? Richtig: das Geschlecht. Das weibliche.

Es geht nicht nur um Vorrang. Es wird ein Alles-oder-nichts-Sieg angestrebt. „The winner takes it all“. Der Zweitplatzierte kriegt nicht etwa eine Silbermedaille, er wird überwunden. Er zählt nicht. Für ihn gibt es kein Geld, kein Mitgefühl.

Tatsächlich ist genau das die neue Politik der so genannten „UN Women“ – was sich auf Deutsch so liest, als wäre es ein schlechter Scherz in einem schlechten Kabarett: Es sind die Unfrauen. Jungen wird eine Hilfe vorsätzlich verweigert. Alle Hilfsgelder fließen an Mädchen und Frauen. Jungs kriegen keine Unterstützung. Kein Gehör. Sie sind nicht mal eine Erwähnung wert. Mit der Resolution 1325 aus dem Jahre 2000, mit dem die „gender perspective“ eingeführt wurde, werden als Opfer von sexueller Gewalt im Kriegsfall ausschließlich Frauen und Mädchen gesehen. Jungen und Männer nicht.

Es sind nur Menschen zweiter Klasse. Wer sich um die Probleme von männlichen Menschen kümmert, verkriecht sich freiwillig in den toten Winkel der medialen Aufmerksamkeit. Wie soll man auch das Leid der Männer beschreiben? Es spottet jeder Beschreibung. Das konnte man gut am Beispiel des dritten Männerkongresses erkennen, der in Düsseldorf vom 19. bis 20. September stattfand. Zwar gab es diesmal – anders als beim vorigen Kongress – keine Randale (vermutlich fanden die Störer, die sich noch zum zweiten Kongress aufraffen konnten, die Veranstaltung nicht bedeutend genug), hämische Reaktionen gab allemal. Das sind doch alles Verlierer, hieß es; Pseudo-Opfer, Jammerlappen, die mit der Moderne nicht zurechtkommen; weiße, alte Männer, die sich nicht aus den traditionellen Rollenvorgaben befreien können und sich verzweifelt aber vergeblich an ihre Privilegien und an das Althergebrachte klammern – kurz: Es sind Ägypter.

Ihnen ruft man ein „Heul doch!“ hinterher. Wer will, kann sich einen Kaffeebecher kaufen mit der Aufschrift „Male Tears“ oder kann ein Selfie machen in einem T-Shirt mit der Inschrift: „I BATHE IN MALE TEARS“. In den Augen der Feministen sind die männlichen Verlierer wertlose Menschen, die es in der Welt außerhalb ihres Gesichtskreises nicht geschafft haben. Sie sind das nutzlose Geschlecht. Sie sind gescheitert. Sie haben keine Zukunft, sie sind ein Irrtum der Natur, sind blockiert, unfähig zu lieben, sind ein Auslaufmodell, Mimosen in Hosen (um ein paar gängige Buchtitel zu zitieren, die Liste ließe sich schier endlos verlängern ... ) Sie sind am Ende. Ihre Fahrräder liegen auf dem Meeresgrund. Die Welten sind getrennt. Eine Gemeinsamkeit ist nicht in Sichtweite. Ein Fisch kann sich nicht vorstellen, wozu ein Fahrrad gut sein soll.

In dem Film ‚Bird On A Wire’, der während Cohen-Tournee des Jahres 1972 entstanden ist, wird ununterbrochen geraucht. Es ist ein rührendes Dokument der 70er Jahre. Da gab es noch lange Haare und Liedermacher. Der Film ist so langweilig wie Musikfilme sind und so bewegend wie die Musik von Cohen ist – wenn man sie mag. Es passiert nicht viel. Es gibt Pannen, Pleiten und Applaus. Gegen Ende des Films zitiert Cohen bei seinem Konzert in Jerusalem die Kabbala: Wenn Adam und Eva sich entzweien, sagt er, dann sitzt Gott nicht mehr auf seinem Thron.

*(1)

In Berlin fand in der überfüllten Passionskirche ein Geburtstagskonzert statt, bei dem die CD ‚Poem – Leonard Cohen in Deutscher Sprache’ vorgestellt wurden. Als ich einer Freundin davon erzählte, sagte sie nur „Ihhh!“ Ich kann das nachvollziehen. Ich hatte auch Bedenken, als ich lesen musste, dass ‚The Gypsy’s Wife’ mit ‚Die Frau des Wanderers’ übersetzt wurde. Es war aber nicht so schlecht. Manfred Maurenbrecher war richtig gut. Er hatte sich die programmatischen Lieder vorgenommen (‚Anthem’, ‚Heart With No Companion’) und brachte damit eine schöne Ernsthaftigkeit in die lockere Runde. Da spürte man nicht nur etwas von dem ungewöhnlichen Vokabular von Cohens Lyrik, sondern auch von seiner Gebrochenheit („broken“ kommt bei Cohen vermutlich so oft vor wie „dunkel“ bei Biermann). Wenn es statt „cradle still unfilled“ heißt, dass in der Wiege nur Sand ist, dann ist das richtig so. So geht’s. Die Texte müssen neu gestaltet und ergänzt werden. Sie brauchen einen eigenwilligen, beherzten Zugriff. Es war ein echter Lichtblick. Auch Nina Hagen war toll und brachte mit der Version von ‚By The Rivers Dark’ genau die richtige Dosis Düsternis auf die Bühne. Aber sonst? Cohens Feinheiten fielen weg, seine Unverschämtheiten ebenso. Es gibt bei ihm drei Zutaten, die immer wieder verstören und die ich mir in einem deutschen Lied nicht so recht vorstellen kann. Echt nicht. Es sind aber just diese drei Zutaten, die seine Lyrik hervorheben und zur Weltliteratur machen: die – erstens – unverschämte Erotik und das – zweitens – tiefe Interesse an Religion („remember when I moved in you and the holy dove was moving too ... halleluja“) und die – drittens – Faszination für das Militärische („guided by the beauty of our weapons ... first we take Manhattan“).

** (2)

Krieg ist also wunderbar. Es hat mich immer geärgert, dass Cohen diesen Hang zum Militärischen hat, dass er seine Band „Army“ nannte, sich selbst als „Field Comander“ sieht und Krieg „wunderbar“ findet. Er ist nicht einzige. Bei Georg Orwell in ‚Mein Katalonien’ steht es auch: Krieg ist wunderbar. Das wollte ich da nicht lesen. Das steht da aber. Außerdem wird auch bei Orwell dauernd geraucht. Was soll ich dazu sagen – als Pazifist? Ich könnte auch noch Nietzsche zitieren. Oder soll ich lieber so tun, als gäbe es solche Stimmen nicht? Viele tun geradezu mit Hingabe so, als gäbe es Krieg überhaupt nicht. Oder als wäre es eine reine Männerveranstaltung, die man schwänzen sollte.

In dem Fall empfehle ich Cora Stephans ‚Das Handwerk des Krieges’, das ich gerne und mit großem Gewinn gelesen habe. Es geht mit den Griechen los, mit genau den Schlachten, von denen ich am humanistischen Gymnasium die Daten auswendig gelernt habe. Ich kann es nicht so schön ausdrücken wie Cora Stephan, aber so wie ich es verstanden habe, waren diese Schlachten so etwas wie Elfmeterschießen. Sie wurden geschlagen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Dann war Schluss. Das Handwerk oder auch die Kunst des Krieges bestand gerade darin, den Krieg einzuhegen und zu begrenzen. Es gibt in ihrem Buch faszinierende Beispiele vom Bellum Romanum, von Rittern, vom Civil War bis – hin zum Ersten Weltkrieg. Sie führt zahlreiche Belege aus der Literatur an, vertraut aber keinem der Texte und fragt auch da noch einmal nach, wo andere vor der Autorität des Namens kuschen würden. So kommt ein reichhaltiges, kritisches Gesamtbild zustande, in dem es auch um die Bedeutung der Männerbünde geht und um die Wahrheit über Testosteron.

Für 2,99 Euro als kindle-Buch ist das ein echtes Schnäppchen. Nie war es so wertvoll wie heute, möchte man sagen, um den bekannten Werbespruch zu verwenden. Das Buch ist umso wertvoller, weil z.Zt. ein Standardwerk zum Thema ‚Frauen und Krieg’ von Martin von Creveld nur erhältlich ist, wenn man tief in die Tasche greift und das Buch antiquarisch erwirbt. Der Militärexperte von Creveld ist in viele Sprachen übersetzt; in Deutschland ist er besonders umstritten. Er ist Jude. Schon in den dreißiger Jahren wurden seine Vorlesungen von radikalen Studenten, denen seine Erkenntnisse nicht nationalsozialistisch genug waren, boykottiert und er wurde aus dem Land gejagt – nein, Quatsch: seine Vorlesungen wurden im Jahre 2011 gestört und abgesagt, weil er nicht feministisch genug war. An der Uni in Trier.

Noch ein paar Buchtipps:

Die Episode von Cohens unfreiwilligem Selbstversuch habe ich gelesen in: Ira B. Nadel ‚Das Leben Leonard Cohens. Various Positions’, Ulstein 1999

Ich will nicht meckern. Es gibt einen guten literarischen Neustart der Texte von Cohen, den Wolfgang Farkas für den Verlag Blumenbar besorgt hat. Für das ‚Buch der Sehnsüchte’ hat er gleich neun Übersetzer ¬– darunter Wolf Wondraschek und Carl Weissner – angeheuert, was gut zu dem Buch passt, das wie eine Wundertüte oder Lose-Blatt-Sammlung daherkommt. Damit wird Cohen ein angemessener literarischer Auftritt ermöglicht, er ist nicht länger ein seltsames Pop-Phänomen aus alten Tagen, ein liebenswerter Oldie, den man bei Zweitausendeins zu herabgesetzten Preise kaufen kann. Auch das ‚Lieblingsspiel’ aus dem Jahre 1963 ist im selben Verlag neu erschienen. Es ist selbst nach mehrmaliger Lektüre immer noch eines meiner Lieblingsbücher, aber das liegt womöglich daran, dass ich das berühmtere ‚Schöne Verlierer’ nicht so mochte.

Man mag sich fragen, ob ich Frank Beuster und sein Buch ‚Die Jungenkatastrophe. Das überforderte Geschlecht’, Rowohlt 2006, nicht viel zu ernst nehme und zu ausführlich zitiere. Ich finde es wirklich schlecht. Doch es steht nicht allein. Es ist ein Beispiel. Es ist charakteristisch für die Stimmung im Land und für den Umgang mit Jungen. Ich musste mich durch einen regelrechten Griesbrei von derartigen, schwer lesbaren Veröffentlichungen durchfuttern, weil ich den zweiten Band der ‚Trilogie zur Rettung der Liebe’ fertig schreiben wollte. Dieser zweite Band von ‚Frau ohne Welt’ hat den Untertitel: ‚Teil 2, Der Krieg gegen das Kind’. Ich habe mit Herzblut geschrieben. Ich bin Kinderbuchautor. Und Vater. Nun ist das Buch im Druck.

Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com

 

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang