Kriegsdummheit

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Statt von Kriegsschuld sollte man besser von Kriegsdummheit sprechen. Es war dumm vom Kaiserreich, Frankreich anzugreifen – allein deswegen, weil wir heute wüssten, was passiert wäre, wenn sich die deutschen Truppen defensiv an den eigenen Grenzen aufgestellt und abgewartet hätten. Vielleicht wären Frankreich und Russland als die Schurken (die Aggressoren) in die Geschichte eingegangen? England hatte zwar tausendundeinen Grund, sich gegen den Koloss zu stellen, der plötzlich die früher so handhabbar schwache Mitte des Kontinents vereinte, und den lästigen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, hätte aber keinen Anlass bekommen – Belgien! –, die USA wären nicht in den Krieg hineingezogen worden, und mit Russland und Frankreich wäre das Reich, wie sich gezeigt hat, allein fertig geworden, auch ohne Österreichs Operettenarmee. Es gäbe heute womöglich noch die K. u. k.-Monarchie und das Kaiserreich, die vielleicht gemütlichsten und zugleich freiesten Staaten aller Zeiten. Was für eine Vorstellung! Wahrscheinlich hätten die Angelsachsen nicht locker gelassen und versucht, diese Reiche zu zerstören, das heißt, ihre schnöden Markt- und Pirateninteressen unter dem Mantel des demokratischen Messianismus durchzusetzen, aber das hätte sich moderieren lassen, am besten im Bündnis mit Russland, das ja keine bolschewistische Revolution erlitten hätte, so wie unser seliger Adolf ein Künstlerlein geworden oder geblieben wäre und es den jüdischen Aderlass nicht gegeben hätte, vielleicht auch keine amerikanische Atombombe, sondern eine kaiserliche. Europa würde heute nicht von Fremden invadiert, und es gäbe auch die EUdSSR nicht. Der Kontinent würde blühen und nicht vergammeln. In diesem verfluchten 20. Jahrhundert ist wirklich fast alles schiefgegangen.

Beitrag erschien zuerst auf: michael-klonovsky.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Aleksandar Abramovic

Großbritannien schloss die Entente Cordiale im April 1904 um Frankreich von seinem russischen Verbündeten abzuziehen, welcher sich seit dem vorhergehenden Februar mit Japan im Krieg befand. Es schien möglich, dass Großbritannien auf Seiten Japans in den Krieg würde intervenieren müssen. Dafür wollte sich London in Afrika den Rücken gegen französische Übergriffe, vor allem auf Ägypten und Sudan, freihalten.
Gegen Deutschland und Österreich-Ungarn war sie nur mittelbar gerichtet: Für den Fall, dass beide Mittelmächte den britisch-russischen Konflikt ihrerseits für einen Angriff gegen Frankreich oder Russland nutzen würden. Die Entente von 1904 war auf Europa bezogen auf Erhalt des Status quo aus und keine gegen Deutschland gerichtete Offensivallianz.
Vielmehr versuchten die Briten auch, Deutschland durch die Gefahr der "Auskreisung", also dem Ausschluss von den Überseegebieten, zu wirtschaftspolitischen Zugeständnissen zu bewegen. An einen gegen das Kaiserreich geführten Vernichtungsfeldzug hat das Land nicht gearbeitet. Dafür sprechen auch die militärischen Vorbereitungen: 1914 besaß das Vereinigte Königreich lediglich 6 Divisionen im Mutterland sowie die Truppen der Indian Army. Für einen Großmächtekrieg in Europa war das bei weitem zu wenig.

Gravatar: Aleksandar Abramovic

Ich glaube nicht, dass das Deutsche Kaiserreich alleine mit Frankreich und Russland fertig geworden wäre. Denn statt gegen Österreich- Ungarn hätte sich die Masse des russischen Heeres im August/ September 1914 gegen Deutschland geworfen. Die dortige dt. 8. Armee hätte dieser Übermacht (4-5 dt. Korps gegen mehr als 20 russische) nicht standhalten können und die Russen wären im September in Berlin gewesen. Um dies zu verhindern, hätte die OHL den Feldzug gegen Frankreich kassieren müssen. Folge wäre ein Zermübrungskrieg gewesen, den Deutschland nach Meinung seiner führenden Militärs verloren hätte.

Niemand konnte damals mit Gewissheit sagen, dass Russland später von alleine aus dem Krieg ausscheidet. Und was Österreich- Ungarn angeht muss ich Miachael Ziefle zustimmen. Hätte die KuK-Armee nicht russische und italienische Truppen gebunden, wären die deutschen Erfolge bei Gorlice-Tarnow und am Isonzo nicht möglich gewesen.

Gravatar: Bert E. Wilhelm

In der Tat, diese Thesen hat man bis ca. 1945 vertreten.
Schöne Grüße

Gravatar: DerLektor

So, das war die Lektion zu WK I. Nun mal ran an WK II.

Gravatar: Klimax

Sehr geehrter Herr Kolbe, sie irren sich völlig, weil Sie offenbar emotional reagieren. Von Kriegsschuld ist in meinen Kommentaren überhaupt nicht die Rede, sondern lediglich von der Schlagrichtung der deutschen Propaganda während des Krieges. Lesen Sie doch die entsprechenden Originaltexte einfach mal, statt pauschal anzugreifen. Die antikapitalistische Propaganda ist das, worum es mir hier geht. Sie war Spezifikum der Deutschen (und ist es übrigens bis heute geblieben, nur richtet sie sich nicht mehr speziell gegen England). Es gab umgekehrt auch antideutsche Propaganda, die etwa deutsche Soldaten zu Barbaren machte und als solche darstellte. Auch die Krisgsschuldfrage beruht letztlich auf Propaganda und vor allem auf dem Bedürfnis der Sieger, ihre imensen Kosten erstattet zu bekommen. Clark spricht zurecht nicht von Schuld, sondern von Verantwortung, welche die Beteiligten gemeinsam zu schultern haben, er zeigt haargenau, wie alle Mächte Anteil an einem völlig überflüssigen Kriegsausbruch haben usw. usf.
Aber darum geht es in meinem Beitrag eben gerade nicht, sondern lediglich um die lange antikapitalistisache Tradition in unserem Lande, der wir heute noch begegnen und die auch der Autor des kommentierten Textes durchscheinen läßt.

Gravatar: Klimax

Ein solches Bashing habe ich nicht betrieben. "Die Schlafwandler" habe ich gelesen - ein exzellentes Buch, in dem man zur Kriegspropaganda der Deutschen allerdings nichts findet. Das gehört ja auch nicht zur Julikrise, sondern zur Zeit während des Kriegs, die nicht zu Clarks Thema gehört. Wenn Sie sich da informieren wollen, lesen sie die Kriegsspezifischen Werke deutscher Intellektueller, wie z.B. Max Scheler, Georg Simmel oder Werner Sombart. (Meinetwegen auch nur die Zusammenfassung dieser Thesen bei Münkler: "Der Große Krieg" (auch eine neue Veröffentlichung zum Krieg, die man gelesen haben sollte, die ebenfalls ausgewogen ist und kein Bashing betreibt, wie Sie es zu nennen belieben). Keiner von den Genannten ist Sozialdemokrat, doch sind diese eben auch nicht die einzigen Kapitalismuskritiker. Die Marktwirtschaftler im Kaiserreich sind ziemlich ausschließlich die Liberalen, ihre Gegner in diesem Punkt sind stets Konservative und Sozialisten. Das dürfte dem Kenner zumindest nichts Neues sein. Über die Erfindung des Wohlfahrtsstaats in Preußen übrigens sowie über die antiliberale Tradition bei den Erfindern und Verbreitern von Friedrich II. über Bismack bis hin zu Wilhelm II. informiert sachkundig G. Habermann: "Der Wohlfahrtsstaat. Ende einer Illusion". Kapitalismuskritik und Denunzierung freier, nicht obrigkeitsstaatlicher Wirtschaftsformen hat in Deutschland nun mal eine lange Tradition. Im Weltkrieg war das daher zwangsläufig Anknüpfungspunkt der Propaganda. Mit all diesen Lektüreempfehlungen entlasse ich Sie nun ins Wochenende. Schauen Sie einmal hinein in diese Bücher!

Gravatar: Klaus Kolbe

Wie man an den bisherigen Kommentaren schön sehen kann: die „Gehirnwäsche“ der Alliierten in Form der oktroyierten Alleinschuldthese des Kaiserreichs hat Erfolg gehabt.
Es gibt genug Lektüre (und die steht nicht auf dem Index), die die tatsächlichen Ursachen zum Ausbruch des „Zweiten dreißigjährigen Krieges“ – wie der englische Premier John Major, der Amtsnachfolger Frau Thatchers, ihn nannte, aufzeigt. Nicht zuletzt das neuerschienene Buch „Die Schlafwandler“.
Der Beginn der Einkreisungspolitik, mit dem Ziel der Vernichtung des wirtschaftlich zu mächtig für das britische Empire gewordenen Kaiserreichs, „Entente cordiale“ genannt, ist schon vor 1900 zu verorten. Diesen Umstand (rechtzeitig) zu erkennen, war das Versäumnis der Deutschen, wobei man auch wissen sollte, daß das Kaiserreich bis zuletzt einen Kriegsausbruch zu verhindern suchte. Das Kaiserreich hat lediglich seine Bündnispflicht erfüllt – was daran falsch war, erschließt sich dem kritisch Denkenden eher weniger. Bündnispflichten gab es ebenso auf der Gegenseite – ohne daß das je in Frage gestellt wurde und wird.

Gravatar: Michael Ziefle

Ich wusste nicht, dass Wilhelm II ein Sozialist war.
Die SPD war seit 1912 die stärkste Fraktion im Reichstag, wahrscheinlich hat er denen ihre Propaganda übernommen.
Aber einfach mal "Die Schlafwndler" lesen, nicht immer gleich komplettes Deutschland oder Kaiserreichs bashing betreiben.

Gravatar: Klimax

Viel bezeichnender ist das Gerde von den "schnöden Marktinteressen" der Engländer. Das könnte direkt aus der antikapitalistischen Kriegspropaganda des Kaiserreichs stammen.

Gravatar: Michael Ziefle

Herr Klonovsky, kann es sein, dass kein Deutscher ohne Überheblichkeit auskommt?
Das war mit ein Grund für zwei verlorene Kriege.
Was ich meine:"auch ohne Österreichs Operettenarmee." Sie mögen ja an sich recht haben mit Russland und Frankreich alleine, aber immerhin führte Österreich ab 1915 einen Zweifrontenkrieg. Russland und Italien. Lesen sie mal ein Buch über die Isonzo Schlachten bevor Sie so etwas schreiben.

Gravatar: Klimax

"Schnöde Marktinteressen der Angelsachsen" - das ist geradezu die Wiedergeburt der antikapitalistischen Kriegspropaganda des deutschen Kaiserreichs. Im Antikapitalismus finden sich Linke wie Rechts stets gern zusammen. Was damals die Alldeutschen und die Sozialdemokraten waren, sind eben heute die Neosozialisten und Konservativen. Letztere können sich nun ja sogar auf den Papst berufen.

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