Klimahysterie und überhitzte Liberale

Ein gefärbter, aber keineswegs getrübter Jahresrückblick.

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Und wieder ist ein Jahr vergangen, in dem die Welt nicht untergegangen ist. Aber natürlich sind jede Menge seltsamer und auch unschöner Dinge passiert: So ist die Welt beispielsweise nicht wärmer geworden – ein Umstand, der zwar einerseits den kanadischen Eisbärenbestand zu fast unnachhaltig dynamischem Wachstum animiert, der aber andererseits vielen Menschen Kopfzerbrechen bereitet, weil sie aus der Behauptung des Gegenteils ihren Lebenssinn ziehen, und manche sogar mehr als das.

Ein neuer Lebenssinn hat sich für manche überraschend erschlossen, andere müssen ihn erst noch finden. Jorge Mario Bergoglio gehört der Gruppe derjenigen an, denen ein neuer Lebenssinn zuteilwurde: Im März löste er Papa Razzi im Vatikan ab, und als religionsloser Außenstehender, wie ich es bin, wird man das Gefühl nicht los, sein Ziel bestehe darin, seine katholische Kirche bis zum 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017 evangelischer zu machen, als es die modernen Protestanten sind. Gegen Kapitalismus, moderne Technologie und den Bau repräsentativer Nutzgebäude ist die katholische Kirche jedenfalls zumindest in Deutschland bestens aufgestellt und weitaus umtriebiger als Attac, Occupy und die müde gewordenen schwäbischen Wutbürger zusammen. Vielleicht ergeben sich hier neue Anknüpfungspunkte – schließlich ist Deutschland im Jahr 2013 ein Land der neuen Verbindungen.

In Hessen wächst mit Schwarz und Grün nun zusammen, was eigentlich schon viel länger zusammengehört. Auferstanden aus den Resten linker wie rechter Protestgruppen der späten 70er Jahre ist die heutige Partei Bündnis 90/Die Grünen dort gelandet, wo sie seit langem hinwill: in die Mitte einer grünen Gesellschaft. Problematisch für die einstigen Öko-Krieger könnte jedoch werden, dass grünes Profil vor grünem Grundrauschen immer schlechter wahrnehmbar wird, dies umso mehr dann, wenn man aus Ermangelung ernsthafter politischer Differenzen die Bereitschaft entwickelt, durch eine Zusammenarbeit mit dem bisherigen, zumindest kulturellen Antagonisten – der Hessen-CDU – auch noch die letzten Überbleibsel der eigenen Existenzberechtigung zu verkompostieren.

Nicht verkompostiert, sondern gewissermaßen als historischer Sondermüll ausgelagert und entsorgt wurde die FDP aus dem Berliner Reichstag. Einen politischen Erdrutsch kann dies jedoch nur nennen, wer Russland noch immer für „die rote Gefahr“ hält und sich noch lebhaft an die vorletzte Auswärtsniederlage des FC Bayern München in der Bundesliga erinnern kann. Tatsächlich hatte der Niedergang des politischen Lagerdenkens – das bis dahin einer wahlarithmetischen Lebensversicherung der FDP gleichkam – trotz zahlreicher Revival-Versuche bereits mit dem Aufstieg der Grünen eingesetzt. Diese müssen ironischerweise nun zumindest im Bund genau die Erfahrung machen, die den FDP-Abgeordneten jetzt die Jobs kostete: Wenn links und rechts zusammenrücken, wird es eng in der Mitte, und vor allem: man wird so überflüssig.

Aber auch Freidemokraten können hoffen: Wenn es sogar gelingt, auf Grund gelaufene Kreuzfahrtschiffe wieder aufzurichten, dann sollte es möglich sein, auch eine ebensolche Partei zumindest auf Zeit am Leben zu erhalten – und wenn nur für die Zeit, bis sie, ähnlich der Costa Concordia, zum finalen Ausschlachten in einen Hafen geschleppt wird. Allein, es drängt sich niemand auf, um das bundesliberale Wrack mit offenen Armen aufzunehmen. Sogar die deutschen Piraten zogen es vor, rechtzeitig wieder in die Bedeutungslosigkeit abzutauchen, aus der sie ohnehin nur die Bugwellen der sich abzeichnenden Großen Koalition der nationalen Stagnation kurzzeitig herausgehoben hatten – ein Schicksal, dass der neugegründeten „Alternative für Deutschland“ ebenfalls blühen könnte.

Dass Guido Westerwelle und Silvio Berlusconi, was ihren politischen Einfluss im kommenden Jahr anbelangt, auf einer ähnlich niedrigen Frequenz senden, mögen viele begrüßen. Aber im Gegensatz zu den von der Europäischen Union eingesetzten Experten-Regierungen Südeuropas, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie ihre Autorität der zutiefst rechenschafts- und damit eigentlich autoritätsfreien EU-Bürokratie verdanken, können diese beiden so unterschiedlichen Herren immerhin von sich behaupten, von ihrem jeweiligen demokratischen Souverän gewählt worden und, als ihre Zeit gekommen war, gegangen zu sein.

Gegangen sind auch andere in diesem Jahr. Die deutsche Bundeswehr zum größten Teil aus Afghanistan heraus beispielsweise, denn schließlich wurde es dort nach jahrelangem und unermüdlichen Aufbau- und Zivilisierungseinsatz immer gefährlicher. Da tut es gut, wenn sich künftig mit Ursula von der Leyen die eigentliche Mutti der Nation um die geschundenen Seelen der ja nicht mehr ein-, sondern selbstberufenen Vaterland-am-Hindukusch-Verteidiger kümmern wird. Gegangen ist auch Beate Zschäpe, und zwar vor ein deutsches Gericht, und damit auch in die Schlagzeilen, und dies so nachdrücklich, dass sie von dort kaum noch wegzudenken ist. Die Berichterstattung über den NSU-Prozess nahm fast pornografische Züge an – und dies lag nicht daran, dass dem deutschen Nachrichtenmagazin „Brigitte“ Journalistenplätze im Gerichtssaal zugelost wurden. Pornografisch wurde die mediale Aufbereitung des Prozesses, weil üppige Gefühlswallungen, große Emotionen und allerlei Äußerlichkeiten so domina-like inszeniert und befriedigt wurden, dass die eigentliche „Handlung“ in den Hintergrund trat.

In diesem Jahr gab es außerordentlich viele Handlungen, die vor lauter bebender Emotionen entweder mit dem Abebben derselben bereits wieder vergessen waren oder sich als so hanebüchen herausstellten, dass dies der eigentliche Anlass für einen #aufschrei gewesen wäre. Glücklicherweise aber schieben die Merkel-Regierung wie auch die Europäische Union, die ja, wie der demnächst heilig zu sprechende Nelson Mandela, nicht nur Friedensnobelpreisträgerin, sondern auch Freiheitskämpferin und insbesondere Frauenrechtlerin ist, dem Herrenwitz einen Riegel vor. Die Frauenquote wird nicht nur dafür sorgen, dass in Aufsichtsräten bald ein anderes Parfum weht, sie wird auch die mitternächtlichen Machtverhältnisse in Hotelbars verändern. Reiner Brüderles an einer solchen Bar zu einer solchen Uhrzeit vorgenommene Dekolleté-Anamnese müsste im Zeitalter barbusiger Femen-Proteste eigentlich politisch korrekt und ermunternd umformuliert werden in „vollumfänglich protestfähig.“

Und Anlässe zum Protestieren gab es wahrlich genug: etwa gegen die Atomkraft, die ja, wie die ehemalige Obergrüne und jetzige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth uns in ihrer Beileidsäußerung zwei Jahre nach „Fukushima“ wissen ließ, in Japan 16.000 Menschenleben gefordert und eine Flutwelle deutscher Paranoia sowie ein politisches Erdbeben in Baden-Württemberg nach sich gezogen hatte. Dass das echte Erdbeben und die echte Flutwelle dem Unfall im japanischen Atomkraftwerk nicht nur zeitlich vorgelagert, sondern für diesen wie auch für den Tod der Menschen alleinig auslösend waren, kann Berufsbetroffenen im #entrüstungseifer schon mal kurz entgleiten. Außerdem wäre es selbst für eingefleischte Gaia-Missionare ein zu mutiges Ansinnen gewesen, gegen Erdbeben und Tsunamis auf die Straßen zu gehen. Dann schon lieber gegen den Bau von Stromtrassen, da dieser zwar bekanntlich nicht wirklich stattfindet, aber wenn, dann immer ausgerechnet durch den eigenen Vorgarten hindurch geplant wird, und dies nur, um den Seehofer-Staat samt Allianz Arena zu beleuchten und obendrein den Schein aufrechtzuerhalten, dass mit Energiewende nicht Energieende gemeint sei.

A propos Ende. 2014 wird nicht nur Adolf Hitlers „Mein Kampf“ nicht erscheinen, auch Michael Endes Bestseller „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ soll unüberprüften Quellen zufolge ab kommendem Jahr nur noch in einer kommentierten Fassung gedruckt werden, um die volksverhetzend direkte Ansprache des Migrationshintergrundes des minderjährigen, von einer verbrecherischen, sich als Lieferservice tarnenden Schlepperbande zugestellten und noch dazu zur Berufstätigkeit getriebenen Hauptdarstellers entscheidend abzumildern. Vor potenziell kinderschänderischen und gewaltverherrlichenden Volksmärchen werden unsere Kinder künftig ebenso bewahrt wie hoffentlich vor Ami-Burgern und Zigeuner-Schnitzeln. Und wenn dann noch US-amerikanische Nachrichtendienste ihren globalen PC-Backup-Service allen Menschen und nicht nur Regierungen anbieten, kann eigentlich im nächsten Jahr nichts mehr schiefgehen.

Ebenfalls erschienen auf cicero.de

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Andreas Schneider

Das ganze Panoptikum eines Jahres in einem treffenden Beitrag komprimiert!

Es darf angesichts all dessen tatsächlich nicht mehr wunderlich erscheinen, dass man mittlerweile intelligentes Leben auf dem Mars sucht - und nicht auf der Erde.

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